Dr. Andreas Golbs, Senior Consultant der BME Dr. Golbs und Partner GmbH, ist ein wichtiger Impulsgeber für Ostdeutschland. Er setzt sich ein für Vergewisserung, Verständigung und Versöhnung. Mit diesem Beitrag ist er auch in dem Sammelband „Denke ich an Ostdeutschland ...“ vertreten.
Es war eine spannende Zeit. Anfang der 1990er-Jahre war alles möglich, so schien es wenigstens. Zum 1. Mai 1990 unterschrieb ich in Kassel am Rande der Mai-Demo meinen ersten Arbeitsvertrag. Dem vorausgegangen waren wilde Einsätze im Bereich Erwachsenenbildung. Ein Unternehmer aus Kassel hatte Personal an der Uni Halle rekrutiert und ich als junger Assistent ohne EDV-Erfahrung fand mich in der Aus- und Weiterbildung für ehemalige Spezialisten aus der DDR-Softwarebranche wieder – als Dozent. Fachlich gerade so genügend, aber die Organisation passte. Daher wurde ich für den Aufbau von Infrastruktur im Bildungsgeschäft eingesetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist es richtiger, in der Wir-Form zu schreiben. Für das Unternehmen aus Kassel rekrutierte ich Personal, unter anderem Petra Werner.
Mit dem Unternehmer und einer mittlerweile sehr guten Freundin, der genannten Petra Werner, gründete ich nach einem kurzen Ausflug in die Welt der Konzerne 1995 die BME Dr. Golbs und Partner GmbH, um selbst Bildungsangebote realisieren zu können. Parallel dazu hatte ich mich an verschiedensten Unternehmungen beteiligt. Das Exotischste war sicher die Harley-Niederlassung in Dresden. Im Rahmen der Beteiligungen lernten wir, so glaubte ich zumindest, wie Projektarbeit erfolgreich funktioniert. Die Harley-Anteile tauschte ich gegen die von dem Kollegen aus Kassel gehaltenen Gesellschafteranteile. Seit dieser Zeit arbeiteten wir, Petra und ich, auf eigene Rechnung. Flankiert haben wir das Ganze durch wirtschaftspolitische Aktivitäten, wie dem Unternehmerverband in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Viele Kontakte aus dieser Zeit halten heute noch. Wir sind weit herumgekommen – Russland, England und Schottland, Serbien, Ungarn, Arabien, Ägypten, Polen und so weiter. Immer im Bereich Bildung und NGO-Aufbau und auf der Suche nach einem Anschlussgeschäft. Das Erste hat funktioniert, das Anschlussgeschäft nicht. So kam es, wie es kommen musste. Die für das internationale Geschäft von uns gegründete Aktiengesellschaft war insolvent. Wir waren gut aufgestellt und gefragt. Aber unsere Leistung wurde nicht bezahlt – unser Fehler. Auch ein kurzes Intermezzo meinerseits als Hauptgeschäftsführer einer ostdeutschen IHK hat uns nicht retten können. 2006/07 sind wir komplett neu gestartet.
Nur durch Fehler und Krisen entstehen die Herausforderungen, die uns zum Erfolg treiben.”
Ein neuer Anfang
Unsere Netzwerke haben gehalten, aber der Neuanfang war trotzdem hart. Über Umwege bauten wir letztendlich eine kleine Basis im Bereich Produktentwicklung auf. Ziel war es, endlich kontinuierlichen Basisumsatz mit eigener ausgewiesener Kompetenz zu generieren. Der Traum von einem eigenen Produkt entstand. Der Weg dahin war schwer. Projekte im Bereich Human Resource Development sind eben keine Produkte im klassischen Sinn. Dazu kommt, Lösungen für Dritte, also Kunden, zu entwickeln ist relativ einfach – wenn man den Auftrag einmal hat. Ein eigenes Produkt ruft noch mal ganz andere Anforderungen auf die Tagesordnung. Ziele können sehr komplex werden. Wir entwickeln einen Speicher, und dann? Das war die erste Frage! Ein Auftrag im Bereich Lifestyle für ein Schweizer Unternehmen diente uns als Blaupause. Der Start war unspektakulär. Die notwendigen technischen Kompetenzen hatten wir in Ansätzen und wir mussten sie ohnehin ausbauen. Natriumacetat als Wärmekern für eine rauchlose Zigarette kann man auch als Speichermedium für Wärmespeicher einsetzen, war die einfach mal getroffene Annahme.
Gleich zu Beginn der Aktivitäten half uns ein weiterer Zufall. Wir trafen Lutz-Günther Fleischer. Der technische Support war gesichert. Prof. Dr.-Ing. Fleischer war ein hochrangiger Wissenschaftler und wurde über die Jahre ein guter, aber auch kritischer Partner und väterlicher Freund. Relativ schnell waren erste technische Ansätze fertig. Stefan Weber, ein Lionsfreund, stieg als Ingenieur für die Basisarbeit ein. Hauptziel war es, das Salz im Phasenwechsel zu stabilisieren. Die Illusion war, Wärme im Sommer zu speichern und für den Winter bereitzustellen. Kein leichtes Thema, ein eigenes Labor, Kooperationspartner – alles war nicht kostenlos zu haben. So begann ein Prozess, der heute noch läuft. Finde Partner, die Interesse an dem Thema haben und investieren!
Was einfach klingt, kann Nerven kosten. Und Kapitalbeschaffung ohne hinreichend Eigenkapital und einer Insolvenz im Nacken ist schon ambitioniert. Zum Glück hatten wir seit unserem Start als Unternehmer Anfang der 1990er-Jahre viel Wert auf unsere Netzwerke gelegt. Die konnte man jetzt nutzen. Inhaltlich stießen wir auf Interesse. Die Zeiträume für die Refinanzierung sind bis heute das Problem. Schaffe Perspektiven, erkläre die Komplexität, sei ehrlich und sichere trotz allem die Qualität im Prozess! Wir wollten das Produktkonzept verkaufen, also ein funktionierendes Modell. Wer kauft so was? Kapitalsuche und potenzieller Käufer – was kommt noch alles auf uns zu? Es gibt kein Handbuch für so einen Prozess. Waren wir endlich durch? Nein! Warum auch, es wäre zu einfach gewesen. Vertreter großer Energiekonzerne, aber auch mittelständischer Unternehmen fanden das Thema spitze, aber es kamen viele Fragen auf. Investitionen im Bereich mehrerer Hunderttausend Euro waren schnell aufgebraucht. Die Geldgeber erwarteten hohe Renditen nach kurzer Zeit. Ging nicht, also aufgeben oder neue Wege finden. Wir haben von Kleinaufträgen gelebt und Freunde aus dem Netzwerk haben geholfen. Das löste aber das Problem nicht. Über politische Freunde wie den Innenminister Hans-Peter Friedrich und seine Netzwerke lernten wir einen Unternehmer kennen, der Heizkörper produzierte. Schnell waren wir uns einig. Wir hatten einen Partner für die Produktion und im zweiten Schritt aus dem gleichen Netzwerk einen Vertriebspartner.
Also doch eine Produktion
Produktion – das hatten wir so nicht geplant, jedenfalls nicht in Eigenregie. Die Speicher selbst verkaufen, das war auch nicht der Plan. Der Plan war, dass wir das Konzept verkaufen. Man plant den Prozess, ordnet die Kompetenzen, schafft zusätzliche Ressourcen und definiert Ziele. Cool, so sind wir das Musterprojekt für jede Beratungsfirma. Wir haben durchgehalten. Auch als uns sowohl der potenzielle Vertriebs- als auch Produktionspartner verlassen hatten. Es ging allen zu langsam und die Zielstellungen waren zu verschieden.
Bis heute sind 15 Jahre vergangen. Familien haben sich entwickelt, Schicksale vollendet, Lebensgeschichten wurden geschrieben. Wir haben neue Partner für die Produktion gesucht. Ziel war: Wir weisen nach, dass der Speicher in Serie produzierbar ist. Den später notwendigen Vertrieb sahen wir bei einem Käufer oder zumindest bei einem potenziellen und strategischen Investor. Das Produkt, so dachten wir, war fertig. Wir sind von Bautzen über das Eichsfeld in Mecklenburg-Vorpommern gelandet. Die Produktion steht, allerdings nicht als Musterproduktion. Bedingung der neuen Partner war: Wenn wir fertig sind, wollen wir auch einen eigenen Marktanteil haben. Aus der theoretischen Betrachtung von zu integrierenden Produktionspartnern wurde schrittweise ein Lizenzmodell. Wir investierten erneut in die Produktion und danach kleinteilig in die Marktentwicklung. Aus dem Speicher als Produkt wurden verschiedene Anwendungen schrittweise in reale Objekte eingebaut. Totgesagt waren wir oft. Egal, jetzt mussten wir es zu Ende bringen.
Mittlerweile sind gut elf Millionen Euro investiert – in Entwicklungen, Patente, eine Produktionsstätte als Joint Venture, in Vermarktung und in die wissenschaftlich-technische Weiterentwicklung mit Partnern wie dem Fraunhofer- und dem Leibniz-Institut. Wir gehen jetzt gut vorbereitet an den Markt und suchen – Stand zweites Quartal 2024 – einen strategischen Partner.
Beides ist nicht einfach:
- Der Markt im Energiesektor national und international ist wenig strukturiert. Disruptive Ansätze sind dringend notwendig, werden aber von einigen etablierten Playern nicht gerne gesehen.
- Viele Player halten an erprobten Ansätzen fest. Einige Wissenschaftler verteidigen ihre Reputation, auch gegen sinnvoll formulierte Argumente.
- Die handelnden oder auch nicht handelnden Politiker tun ihren Teil dazu. Was da kommuniziert wird, ist oft erschreckend.
- Investoren sind verunsichert oder zurückhaltend. Junge Start-ups eben mal so billig einkaufen – gerne. Ein mittlerweile sehr ausgestaltetes Vorhaben mitgestalten – eher nicht.
Zurzeit sind wir dabei, übergreifende Projekte mit großen Playern mitzugestalten. Unsere Speicher – mit den sehr auffälligen Parametern – spielen dabei ebenso eine Rolle, wie die mittlerweile aufgebaute Kompetenz bei der Entwicklung wirklicher Lösungen.
Werden wir Erfolg haben?
Klar werden wir Erfolg haben! Haben wir schon: Wir haben durchgehalten und existieren noch. Die Gesamtzielstellung, in einem langen Prozess entstanden, trägt in zwei Richtungen Früchte. Wir haben einen Speicher, als eigenes Produkt. Zudem sind wir bei allen Finanzierungsoptionen mehrheitlich oder wesentlich Eigentümer und bringen das Ganze gegen jeden Widerstand und Wettbewerb auf den nationalen und internationalen Markt. Wir werden früher oder später einen strategischen Investor finden, der den Spirit und die Chancen erkennt sowie die Kraft und den Mut hat zu investieren.
Das Thema hat das Potenzial, echte neue Lösungen auch als tragenden Bestandteil von Brückentechnologien abzubilden. Darüber hinaus wird für diese Art Systeme immer ein Markt bleiben. Das Team ist über Jahre zusammengeblieben. Das Netzwerk hat gehalten. Innovation und Sturheit, die Verbindung von unternehmerischem Handeln und politischem Gesamtverständnis, der faire Umgang miteinander – alles das war und ist Basis. Mein Fazit ist, man muss Unternehmer sein wollen. Es ist nicht immer leicht, aber man ist frei. Man unterliegt Zwängen, aber auch das ist nicht final. Ob ich es wieder tun würde? Es gibt nur eine, wenn auch nicht einfache Antwort darauf: Auf jeden Fall und in aller Konsequenz. Ich würde vieles anders machen. Aber ich würde wieder und mit den gleichen Partnern antreten. Ich würde mich in den gleichen Netzwerken engagieren.
Was wünsche ich mir? Mehr Verständnis und Differenzierung, weniger Formalismus und Bürokratie und manchmal eine mildere Bewertung, wenn man Fehler macht. Nur durch Fehler und Krisen entstehen die Herausforderungen, die uns zum Erfolg treiben.
BME Dr. Golbs und Partner GmbH
GEGRÜNDET: 1995
STANDORT: Bautzen
WEBSITE: bmegmbh.de
Dr. Andreas Golbs
GEBOREN: 1961/Pirna (Sachsen)
WOHNORT (AKTUELL): Selb (Bayern)
MEIN BUCHTIPP: Henry A. Kissinger: „Staatskunst: Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert“, 2022
MEIN FILMTIPP: „Der eiserne Präfekt“, 1977
MEIN URLAUBSTIPP: Hotel Hübner, Warnemünde
BUCHTIPP:
„Denke ich an Ostdeutschland ...“In der Beziehung von Ost- und Westdeutschland ist auch 35 Jahre nach dem Mauerfall noch ein Knoten. Dieser Sammelband will einen Beitrag dazu leisten, ihn zu lösen. Die 60 Autorinnen und Autoren geben in ihren Beiträgen wichtige Impulse für eine gemeinsame Zukunft. Sie zeigen Chancen auf und skizzieren Perspektiven, scheuen sich aber auch nicht, Herausforderungen zu benennen. Die „Impulsgeberinnen und Impulsgeber für Ostdeutschland“ erzählen Geschichten und schildern Sachverhalte, die aufklären, Mut machen sowie ein positives, konstruktiv nach vorn schauendes Narrativ für Ostdeutschland bilden. „Denke ich an Ostdeutschland ... Impulse für eine gemeinsame Zukunft“, Frank und Robert Nehring (Hgg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2024, 224 S., DIN A4. Als Hardcover und E-Book hier erhältlich. |