Achim Oelgarth, Geschäftsführender Vorstand des Ostdeutschen Bankenverbandes e.V., ist ein wichtiger Impulsgeber für Ostdeutschland. Er setzt sich ein für Vergewisserung, Verständigung und Versöhnung. Mit diesem Beitrag ist er auch in dem Sammelband „Denke ich an Ostdeutschland ...“ vertreten.

Achim Oelgarth, Geschäftsführender Vorstand Ostdeutscher Bankenverband e.V. Abbildung: OstBV
Seit 2018 leite ich, Achim Oelgarth, als Geschäftsführender Vorstand den Ostdeutschen Bankenverband e.V. (OstBV). Ich mache das jeden Tag, jedes Jahr mit großer Begeisterung mit meinem „maximal Ost-West-diversen“ Team für die privaten Banken in „unseren“ sechs Bundesländern – von der Ostsee bis zum Erzgebirge. Zusammen mit dem Kollegium im Vorstand, den Gremien und als Verbandsteam sind wir die Stimme der privaten Banken und anderer Unternehmen der Finanzwirtschaft in Ostdeutschland.
Bereits 1949 als Verband des Berliner Bankgewerbes gegründet, hat der OstBV nach der Wiedervereinigung seine Arbeit auf die ostdeutschen Bundesländer ausgedehnt. Engagieren können sich alle Unternehmen der Branche, die ihre Geschäfte in und aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen heraus betreiben. Zu unseren aktuell 38 Mitgliedern zählen Groß-, Regional- und Spezialbanken, Privatbankiers sowie Fintechs in privater Rechtsform. Die Zusammensetzung nach Geschäftsausrichtung, regionaler Vertretung sowie Historie ist dabei vielfältig. Allen gemein ist aber, dass sie sich hier vor Ort engagieren – mit insgesamt immerhin 12.000 Mitarbeitenden aus und in der Region.
Wir sind Mitglied im Bundesverband deutscher Banken, dem Spitzenverband des privaten deutschen Bankgewerbes, und Initiator der Berlin Finance Initiative, dem Ökosystem-Builder des sich am dynamischsten entwickelnden Finanz- und Technologie-Standorts Europas, Berlin.
Wir unterhalten vielfältige Kooperationen. Unter anderem sind wir Partner von „Deutschland – Land der Ideen“ bei der Ausrichtung des jährlich stattfindenden Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF) und unterstützen das N5 Symposium, die alljährliche Konferenz von Studierenden für junge Menschen in Ostdeutschland.
Ostdeutschland ist eine Erfolgsgeschichte und sollte auch so erzählt werden.”

OstBV-Forum 2021: Das Diskussionsforum fand im Rahmen der Jahresmitgliederversammlung statt. Abbildung: OstBV
Starker Strukturwandel
Mit der „Wende“ begann im Osten Deutschlands ein allumfassender Umbruch, der das Alltagsleben der Menschen, aber auch die Wirtschaft stark veränderte. Nie zuvor wurden zwei derart unterschiedliche Staats- und Wirtschaftssysteme in einem Land zusammengeführt. Viele Institutionen mussten erst wieder eingerichtet werden. Die Schaffung eines leistungsfähigen Bankwesens war eine der Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Marktwirtschaft. Die Veränderungsprozesse wären ohne entsprechende Finanzierungsmittel kaum möglich gewesen. Die privaten Banken beteiligten sich von Anfang an intensiv am „Aufbau Ost“ und schlugen Brücken in die ostdeutschen Regionen. Sie waren Dienstleister der ersten Stunde und sind heute Hauptkreditgeber in der Region. Daher blicken wir mit Stolz auf die vergangenen drei Jahrzehnte zurück.
Aufgrund schwieriger Ausgangsvoraussetzungen hatte Ostdeutschland einen erheblichen Strukturwandel zu bewältigen. Zahlreiche Ostdeutsche haben die Gelegenheit genutzt, ihre unter DDR-Bedingungen nicht realisierbaren Unternehmensideen zu verwirklichen. Infrastruktur wurde erneuert, der Immobilienbestand umfassend renoviert. Im Zuge der Entwicklungen waren Erfolge, aber auch Rückschläge zu verzeichnen. Vor allem die Verluste an Arbeitsplätzen waren schmerzhaft. Aus heutiger Sicht ist in Anbetracht der historischen Einmaligkeit der Gesamtsituation die Umstellung auf die Soziale Marktwirtschaft dennoch gut gelungen.
Gleichwohl hat der Wechsel von der Plan- zur Marktwirtschaft nicht nur erhebliche Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur Ostdeutschlands bewirkt, sondern gerade auch in den Biografien der Menschen Spuren hinterlassen. Das bisher Erreichte wäre nicht möglich gewesen ohne die enormen Anpassungsleistungen der ostdeutschen Bevölkerung, der von einem Tag auf den anderen abverlangt wurde, sich unter völlig veränderten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen zu orientieren.
Der Wirtschaftsstandort Ost
Die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland hat sich in den vergangenen 30 Jahren intensiv gewandelt. Durch private Investitionen, unterstützt durch eine gezielte Ansiedlungs- und Förderpolitik, sind zahlreiche neue Produktionsstandorte entstanden oder vorhandene Fertigungsstätten erneuert worden. Vielfach wurde bei der Modernisierung der Wirtschaft an regionale Kompetenzen angeknüpft. Daraus ist eine Reihe spezifischer Branchenkompetenzfelder mit teilweise starker internationaler Ausstrahlung entstanden.
Heute prägt den Standort ein selbsttragender und breit aufgestellter Unternehmenssektor, der mit hochwertigen und innovativen Produkten erfolgreich ist. Die nach 1990 – auch unter den Vorzeichen eines stärker zusammenwachsenden europäischen Marktes mit einheitlicher Währung – erforderliche Umorientierung hin zu Abnehmern in Westeuropa und Übersee ist gelungen. Zudem konnten Verbindungen in die östlichen Nachbarstaaten wiederbelebt und neu geknüpft werden. Mit diesen können wir nun 20 Jahre EU-Osterweiterung feiern. Eine Tatsache, die wir stärker ins gesamtgesellschaftliche Bewusstsein rücken sollten. Die ostdeutschen Bundesländer müssen mit ihrer bevorzugten Lage im Zentrum Europas die Chancen auf dem gesamten Kontinent im Blick behalten – wirtschaftliche, aber eben auch zwischenmenschliche.
Der wirtschaftliche Anpassungsprozess ist auch heute eine permanente Herausforderung, die immer stärker durch den globalen Veränderungsdruck bestimmt wird. Die zukunftsfähige Positionierung des Wirtschaftsstandorts im stetig wachsenden internationalen Regionenwettbewerb steht daher ganz oben auf der Agenda. Die Rahmenbedingungen, politisch gesetzt auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, müssen stimmen. Vieles ist dazu bereits geschrieben und gesagt – wir alle aber sind aufgerufen, ins Handeln zu kommen. Ostdeutschland darf hier gern Erfolgslabor auch für „den Westen“ werden.
Gut ausgebildete und kreative Fachkräfte sind einer der zentralen Erfolgsfaktoren für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort. Ostdeutschland bietet dafür dem Grundsatz nach gute Voraussetzungen. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind auf international wettbewerbsfähigem Niveau. Zugleich verfügt der Innovationsstandort Ostdeutschland mit der Vielfalt der Forschungsinstitutionen über gute Potenziale. Das zeigt sich auch in den Ausgründungen von innovativen Geschäftsideen, die zur Stärkung des Technologiestandorts Ostdeutschland beitragen. Ein Trend, der weiter zu verstärken ist – möglichst auf allen Gebieten.
Die demografische Entwicklung zeigt aber zugleich, dass es qualifizierte Zuwanderung nach Ostdeutschland braucht. Hierzu bedarf es einer Offenheit gegenüber Menschen, aber auch Unternehmen aus anderen (Welt-)Regionen. Entscheidend sollte sein, wer sich wie in und für die Region engagiert. Das ist auch für den „neuen Mittelstand“ sehr wichtig – die Start-ups, welche multinationale Teams und oft im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlose Geschäftsideen haben. Von Rostock und Greifswald über Berlin, Potsdam, Magdeburg und Halle bis nach Leipzig, Dresden und Chemnitz hat sich eine beeindruckende Anzahl an jungen Unternehmen gegründet, die mit Innovations- und Erfindungskraft Geschichte schreiben, oftmals mit internationalem Anspruch. Allerdings reicht es nicht, dass große Geldgeber und Investoren, die für das Skalieren so notwendig sind, nur nach Berlin schauen. Deshalb arbeiten wir auch mit viel persönlichem Einsatz an der Vernetzung junger Menschen in „unseren“ Bundesländern mit bundesweiten und internationalen Adressen.
Und wenn wir schon beim Gründen sind: Die jungen Menschen sollten die vielen mittelständischen Betriebe und Unternehmen nicht links liegen lassen, die eine neue Geschäftsführung suchen. Viele Geschäfte rufen nach einem Refresh, haben einen guten Kundenstamm und wollen in die nächste Dekade geführt werden, innovativ und nachhaltig. Gern helfen wir bei der Transformation. Alle, die nach der Zukunft und spannenden Aufgaben suchen, sollten auch den Bäcker, die Manufaktur oder die IT-Bude um die Ecke als nächstes Venture verstehen – regional bekannt und verankert.
Team und Mission
Im OstBV verstehe ich mich allein sowie im Team als Netzwerker. Unsere Arbeit soll vor allem dazu dienen, gemeinsam mit anderen regionalen Akteuren den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland aktiv zu stärken. Dazu wollen wir entsprechende Impulse geben und insbesondere die hiesige Wirtschaftspolitik konstruktiv begleiten.
Und wie sich die Wirtschaft in den letzten Jahren verändert hat, so haben sich auch unsere Kernthemen über die Jahre deutlich verschoben. Standen in den 1990er-Jahren zunächst die Begleitung des Strukturwandels und die Ausrichtung des Förderinstrumentariums im Mittelpunkt der Verbandsarbeit, begleiten uns heute insbesondere die aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang der Transformation hin zum nachhaltigen Wirtschaften, Fragen zu Unternehmensgründung und -nachfolge sowie die Aspekte der Internationalisierung in unserer täglichen Arbeit.
Gleichzeitig wollen wir das Image Ostdeutschlands fördern, indem wir unter anderem von den vielen unternehmerischen Erfolgen hierzulande berichten. Wir bilden im Verbandsteam eine große Bandbreite ab – egal, ob aufgewachsen in der Region oder zugezogen und heimisch geworden. Auch der Blick auf die Themenstellungen und auf den Standort unterscheiden sich teilweise deutlich. In der Sache hilft dies oftmals, den Blick zu weiten. Ein Vorgehen, das wir gern auch gesamtgesellschaftlich üben sollten.
Erfolgsgeschichte fortsetzen
Ostdeutschland ist eine Erfolgsgeschichte und sollte auch so erzählt werden. Die Region ist ein attraktiver Wirtschafts- und Lebensraum, weshalb ich jeden Termin, jeden Ort und jede Begegnung, die ich bei der Arbeit und auch privat habe, so sehr schätze. Die Leistungen und Erfolge mit mehr Selbstbewusstsein im Diskurs zu vertreten, die eigene Identität nicht zu leugnen, täte uns allen gut. Nicht alles ist oder war gut, die Herausforderungen bleiben auch in Zukunft groß. Mit Problembeschreibungen sollte aber zugleich aktiv zur Lösung beigetragen werden, ganz im Sinne des Aufbruchs von vor 30 Jahren. Das Erreichte gilt es, erfolgreich in die Zukunft fortzuschreiben – wirtschaftlich, gesellschaftlich und demokratisch.

OstBV-Gremien: Die Vorstands- und Beiratsmitglieder sind ehrenamtlich für den Verband tätig. Abbildung: OstBV
Ostdeutscher Bankenverband e.V.
GEGRÜNDET: 1990/Berlin (Vorgängerorganisation: 1949/Berlin)
STANDORT: Berlin
MITARBEITENDE: 6
WEBSITE: ostbv.de
Achim Oelgarth
GEBOREN: 1970/Bonn
WOHNORT (aktuell): Berlin
MEIN BUCHTIPP: Lukas Rietzschel: „Raumfahrer“, 2021
MEIN FILMTIPP: „Good Bye, Lenin!“, 2003
MEIN URLAUBSTIPP: Fischland-Darss-Zingst
![]() „Denke ich an Ostdeutschland ...“In der Beziehung von Ost- und Westdeutschland ist auch 35 Jahre nach dem Mauerfall noch ein Knoten. Dieser Sammelband will einen Beitrag dazu leisten, ihn zu lösen. Die 60 Autorinnen und Autoren geben in ihren Beiträgen wichtige Impulse für eine gemeinsame Zukunft. Sie zeigen Chancen auf und skizzieren Perspektiven, scheuen sich aber auch nicht, Herausforderungen zu benennen. Die „Impulsgeberinnen und Impulsgeber für Ostdeutschland“ erzählen Geschichten und schildern Sachverhalte, die aufklären, Mut machen sowie ein positives, konstruktiv nach vorn schauendes Narrativ für Ostdeutschland bilden. „Denke ich an Ostdeutschland ... Impulse für eine gemeinsame Zukunft“, Frank und Robert Nehring (Hgg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2024, 224 S., DIN A4. Als Hardcover und E-Book hier erhältlich. |