Vom 18. bis 20. Mai fand im brandenburgischen Bad Saarow das bereits zehnte Ostdeutsche Wirtschaftsforum statt. Zum Jubiläum kam fast alles, was in Bezug auf die Wirtschaft in Ostdeutschland Rang und Namen hat. Obwohl die neue Regierung noch jung ist.

Im brandenburgischen Bad Saarow fand bereits das zehnte Ostdeutsche Wirtschaftsforum statt. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Mit deutlich weniger Regen als im letzten Jahr startete das zehnte Ostdeutsche Wirtschaftsforum (OWF) erneut an einem Sonntag, am idyllischen Scharmützelsee. Steht Ostdeutschlands Wirtschaft im Regen oder wird sie dort sogar stehen gelassen? Das ist eine Frage, die bei dieser Veranstaltung immer mitschwingt.
Dass sie berechtigt ist, zeigt unter anderem das zum Forum veröffentlichte OWF-Transformationsbarometer 2025. Es bescheinigt der ostdeutschen Wirtschaft großes Potenzial, dokumentiert aber auch die vorherrschende Skepsis der hiesigen Unternehmen in Bezug auf ihre künftige Entwicklung. Zudem zeigen die kürzlich erschienenen neuen Zahlen des Elitenmonitors, dass der Anteil ostdeutscher Führungskräfte in der gesamtdeutschen Wirtschaft nur vier Prozent beträgt.
Den Organisatoren der Veranstaltung ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, als sich die neue Regierung relativ bald nach der Neuwahl bildete. Es war bereits eine Verschiebung diskutiert worden. Relativ kurzfristig zugesagt haben dann unter anderem der Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD), die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser (SPD). Eigentlich fehlte nur der Kanzler. Olaf Scholz war seine Anwesenheit in dieser Funktion immer sehr wichtig. Aber Friedrich Merz fehlte quasi entschuldigt – er weilte bei der Amtseinführung des Papstes in Rom.
Drei interessante Konferenztage standen bevor. Sie drehten sich rund um die Frage, was passieren muss, damit in Deutschland wirtschaftlich wieder die Sonne scheint und insbesondere da, wo sie jeden Morgen aufgeht. ostdeutschland.info war vor Ort.

Ostdeutschland hat etwas einzubringen: Chancen und Lösungsmöglichkeiten. So Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Tag eins mit Manuela Schwesig und Stefan Traeger
Den Auftakt machte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Auf die im Raum stehende Frage, ob es denn nach 35 Jahren Einheit wirklich noch ein explizit ostdeutsches Wirtschaftsforum brauche, erinnerte sie unter anderem an die besonderen Herausforderungen für die Wirtschaft in Ostdeutschland: kleine Unternehmen, geringeres Vermögen, niedrigere Einkommen, ... Außerdem müsse man wissen, woher man komme. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern war sich sicher: „Wir haben etwas einzubringen: Chancen und auch Lösungsmöglichkeiten.“ Und weiter: „Wenn man eher auf den Osten hören würde und nicht darauf wartet, bis die Probleme auch im Westen angekommen sind, würde es Deutschland besser gehen.“ Manuela Schwesig plädierte beim OWF erneut dafür, sich den Ostseeraum als potenziellen Exportpartner anzuschauen.

Dr. Stefan Traeger, Vorstandsvorsitzender von Jenoptik. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Es folgte eine Keynote von Dr. Stefan Traeger, der Vorstandsvorsitzende der Jenoptik AG. Der in Jena Geborene stellte voran, dass er nicht wisse, ob es gut sei, dass es 35 Jahre nach der Wende noch ein speziell ostdeutsches Wirtschaftsforum brauche. Dass es aber noch gebraucht werde, sei für ihn klar, denn es gebe hier viel anzupacken.
Tag zwei mit Dietmar Woidke und Katherina Reiche
Den zweiten OWF-Tag eröffnete Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (SPD). Er stellte direkt fest: „Wir sind in Ostdeutschland ein bisschen anders.“ Die Ostdeutschen seien nicht ideologieverdächtig, sondern pragmatisch. Nicht verwöhnt, sondern hätten erlebt, was es bedeutet, wenn Transformation nicht gut läuft. Und sie wüssten, dass sie weiterhin hungrig sein müssten auf Erfolg. Wirtschaft sei zwar nicht alles, aber ohne gelingende Wirtschaft sei auf Dauer alles nichts.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche verwies auf enorme Fortschritte. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Mit großer Spannung erwartet wurde die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Sie stammt aus Brandenburg, weshalb das OWF quasi ein Heimspiel für sie ist. Unter Rückgriff auf den ifo Faktenmonitor Ostdeutschland, der an diesem Tag vom Saarower Kreis auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum vorgestellt wurde, verwies sie auf enorme Fortschritte, die die Wirtschaft in Ostdeutschland gemacht hat. 2024 habe die Wirtschaftsleistung in Ostdeutschland bei 84 Prozent vom Westen gelegen, 1991 bei 45 Prozent. Es lohne sich, in Ostdeutschland zu bleiben, hier zu arbeiten und eine Familie zu gründen.
Besonderes Augenmerk will Reiche auf Wachstum legen, etwas, das die Vorgänger-Regierung ihrer Meinung nach aus den Augen verloren hatte. Reiche stellte – wie im Koalitionsvertrag formuliert – unter anderem einen geringeren Strompreis und geringere Verwaltungsaufwände für Unternehmen in Aussicht. Und wie ihr Vorredner Woidke kündigte sie einen entschiedenen Bürokratieabbau an. Das taten allerdings auch schon Vertreter aller politischen Lager, die beim OWF 2024 sprachen. Die Wirtschaft in ganz Deutschland drückt fest die Daumen.
Tag drei mit Thomas de Maizière und Lars Klingbeil
Beim zehnten OWF sprach auch die zehnte Ostbeauftragte der Bundesregierung Elisabeth Kaiser (SPD). Sie betonte, dass Ostdeutschland als Chancen- und Zukunftsstandort gestärkt werden muss. Als gravierendes Problem im Osten Deutschlands benannte sie den demografischen Wandel. Für dessen Trendumkehr setzt sie sich derzeit auch sichtbar persönlich ein.

Die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser betonte die Notwendigkeit der Stärkung von Ostdeutschland als Chancen- und Zukunftsstandort. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Bundesminister a. D. Dr. Thomas de Maizière (CDU) erläuterte plastisch und eindringlich die Empfehlungen der Initiative Handlungsfähiger Staat, deren Mitinitiator er ist. In mehreren Punkten sind diese in den Koalitionsvertrag eingegangen. de Maizière plädierte unter anderem für Experimentierklauseln und Abweichungsrechte.
Den Koalitionsvertrag thematisierte zum Abschluss auch Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD). Er erläuterte unter anderem den geplanten „Investitionsbooster“ und die versprochene Strompreissenkung. Ostdeutschland habe besondere Herausforderungen wie fehlendes Unternehmenskapital, aber auch flexiblere Strukturen, die zum Beispiel besondere Chancen für Start-ups bieten. Beim Thema Bürokratieab- oder -rückbau betonte er dessen Dringlichkeit. Dieser müsse jetzt gelingen, sonst kämen die mit der Kettensäge und legen dann die Axt womöglich auch an den Rechtsstaat.

Vizekanzler Lars Klingbeil erläuterte den geplanten „Investitionsbooster“ und plädierte für Bürokratierückbau. Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Es ist zwar etwas teurer, dafür ist man unter sich?
Die Zeiten, als das Ostdeutsche Wirtschaftsforum keinen Eintritt kostete, sind zwar schon länger vorbei. Das Drei-Tage-Ticket war in diesem Jahr 1.900 Euro schwer. Die bedeutendste Veranstaltung zur Wirtschaft in Ostdeutschland wusste diesen Preis aber zu rechtfertigen. Beim „Davos des Ostens“ begegneten sich Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Ein Familientreffen der besonderen Art, das auch wieder einen sehr intensiven Austausch ermöglichte.
Selbst wenn nicht alles neu war, was hier gesagt wurde, so hatte man doch das Gefühl, dass vom Forum wertvolle Impulse für die Entwicklung Ostdeutschlands und Gesamtdeutschlands ausgehen. Unstrittig ist darüber hinaus die symbolische Wirkung: Hier wird sich in großer Tiefe und Breite mit der Zukunft Ostdeutschlands beschäftigt – der Osten ist bei den Top-Entscheidern also im Blick.

Zufriedene Gesichter: Brandenburgs Wirtschaftsminister Jens Keller, Veranstalter Philipp Mehne, Ministerpräsident Woidke und Frank Nehring, Gründer und Präsident des OWF (v. l. n. r.). Abbildung: Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum ging erfolgreich zu Ende. Teilnehmer, Sponsoren, Organisatoren und auch Gründer & Präsident wirkten zufrieden. Das Medienecho war erneut groß. Am letzten Tag schien die Sonne. Jetzt soll sie auch bald wieder über der (ost)deutschen Wirtschaft scheinen.

Eine Erfolgsgeschichte Ost: das Ostdeutsche Wirtschaftsforum. Abbildung: Robert Nehring