@mrjackson

Banner Leaderboard

Banner Leaderboard

Banner Leaderboard 2

Banner Leaderboard 2

Jägerschnitzel. Der Ost-Ost-Blick #2: Alle Jahre wieder, wieder

Jeden Herbst rückt der Osten kurz ins Ram­pen­licht: Tag der Deut­schen Ein­heit, Mau­er­fall, Media­the­ken vol­ler DDR-Dokus. Dann ver­schwin­det er wie­der bis zum nächs­ten Mal. Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Juli­an Nej­kow spürt in sei­ner mehr­tei­li­gen Kolum­ne den Unter­schie­den, Ungleich­hei­ten und Unklar­hei­ten im deutsch-deut­schen Ver­hält­nis nach. Teil zwei han­delt noch ein­mal vom Ritu­al des Redens über den Osten.

Julian Nejkow, 1988 in Thüringen geboren, ist Deutsch-Bulgare mit Bindestrichidentität. Er hat Politikwissenschaft in Jena und Dresden studiert. Seit 2021 beschäftigt er sich verstärkt mit Ostdeutschland. Abbildung: Paul Glaser

Juli­an Nej­kow, 1988 in Thü­rin­gen gebo­ren, ist Deutsch-Bul­ga­re mit Bin­de­stri­chi­den­ti­tät. Er hat Poli­tik­wis­sen­schaft in Jena und Dres­den stu­diert. Seit 2021 beschäf­tigt er sich ver­stärkt mit Ost­deutsch­land. Abbil­dung: Paul Glaser

Ein wenig über­rascht, fast pikiert war ich. Wo waren sie, die vie­len Bil­der, die ich gewöhnt war, am 9. Novem­ber über den Bild­schirm flim­mern zu sehen? Die­ses eine etwa, das wir alle ken­nen, wo Men­schen am Abend des 9. Novem­ber 1989 an der Mau­er vor einem Tra­bi ste­hen und sich wei­nend in den Armen lie­gen – Fehlanzeige!

Sonn­tag im ÖRR nach dem Kin­der­pro­gramm: Bares für Rares, Bares für Rares, Kri­mi, Kri­mi, Bares für Rares, Kri­mi ... Dann hoff­te ich auf den Mit­tel­deut­schen Rund­funk. Was ich da zur Prime­time sah, ließ wenigs­tens auf­hor­chen. Doch der Rei­he nach.

Der Okto­ber war durch die „Ost­bril­le“ ver­meint­lich ruhig, doch anstatt sich mit Pas­sier­tem zu beschäf­ti­gen, kon­kret dem weit­ge­hen­den Feh­len von wich­ti­gen Ost­deut­schen bei der Ein­heits­fei­er am 3. Okto­ber, ist schnell etwas ande­res mit Auf­re­ger­po­ten­zi­al gefun­den: Die AfD steht in Sach­sen-Anhalt, zehn Mona­te vor der Wahl, bei 40 Pro­zent in den Umfra­gen. Gra­fi­ken zei­gen sofort, wie weit weg sie noch von der abso­lu­ten Mehr­heit ist. Da ist es wie­der, das Böse, das Schmut­zi­ge oder Real Talk: der Osten! Wie­der wird über, nicht mit „dem Osten“ gespro­chen. Gera­de noch gehy­ped, jetzt wie­der gedisst.

Dabei wäre vie­les mög­lich gewe­sen. Zum Bei­spiel: Wie läuft es in der Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas – in Chem­nitz? Wie läuft der Struk­tur­wan­del in der Lau­sitz? Doch es wird geschwie­gen oder man muss lan­ge suchen in den Media­the­ken und Gazet­ten. Dort ist der „Osten“ dann doch dau­er­haft ver­tre­ten, in den Kri­mis oder der ein oder ande­ren „Lie­bes­film­pro­duk­ti­on“.

Doch viel­leicht tue ich der Öffent­lich­keit Unrecht. Viel­leicht, so dach­te ich Anfang des Monats, wird nur Anlauf genom­men für die gro­ße Bericht­erstat­tung über den Mau­er­fall. Doch ich merk­te schon in der Woche vor dem 9. Novem­ber: So rich­tig viel ist nicht zu erwar­ten. Bei Lanz ist die klu­ge Jour­na­lis­tin Anne Häh­nig zu Gast, die schon längst sehr viel mehr als eine Ost­ex­per­tin ist. Am Frei­tag bei der Heu­te Show ver­sucht Kös­ter, den Spit­zen­kan­di­da­ten der CDU Sach­sen-Anhalt, Sven Schul­ze, zu „coa­chen“ oder sowas Ähn­li­ches. Es wirkt fast nied­lich und doch bleibt die­ses „Geschmäck­le“, dass man den Sach­sen-Anhal­tern doch irgend­wie hel­fen müs­se, bevor man sie wie­der in den komö­di­an­ti­schen Dreck zie­hen wird. Spä­tes­tens zur Wahl im nächs­ten Jahr.

Eigent­lich woll­te ich den Sams­tag frei machen, aber ich stol­per­te über ein groß­ar­ti­ges Pro­jekt, das im Heu­te Jour­nal vor­ge­stellt wird. Doch dann muss ich wie­der resi­gniert weg­schal­ten, denn mein Bru­der, His­to­ri­ker und Leh­rer, erzähl­te mir schon öfter, dass sie im Lehr­stoff nicht sel­ten nicht ein­mal bis zur Wen­de kom­men. Ernüch­ternd. So beginnt auch der Tag, jener 9. Novem­ber, der uns Deut­schen als min­des­tens drei­fa­ches Datum gilt. Doch vie­len ist sei­ne vier­te Bedeu­tung nicht klar. Die Hin­rich­tung eines gewis­sen Robert Blums, eines Wort­füh­rers der geschei­ter­ten Revo­lu­ti­on 1848. Hal­ten wir die­sen Gedan­ken einen Augen­blick fest und fra­gen uns, ob es Blum war, der dem Bun­des­prä­si­den­ten Inspi­ra­ti­on für sei­ne Rede bei der sonn­täg­li­chen Mati­nee (muss­te ich erst mal goog­len) gab und zum gro­ßen The­ma des 9. Novem­ber 2025 wur­de. Bis zum 11. Novem­ber, als Fried­rich Merz 70 wur­de und die fünf­te Jah­res­zeit begann.

So schnell geht es, wie so häu­fig. Doch wann, wenn nicht jetzt, soll­ten wir noch inne­hal­ten? Der Tod von Blum am 9. Novem­ber ist schon 177 Jah­re her. Das Ende des Ers­ten Welt­kriegs 107 Jah­re, die Reichs­pro­grom­nacht 87 Jah­re und selbst der Fall der Ber­li­ner Mau­er jähr­te sich zum 36. Mal. Bezüg­lich Zeit­zeu­gen kön­nen wir nur noch mit jenen reden, die Letz­te­res erlebt haben. Wie wich­tig es ist, die­se Mög­lich­keit zu nut­zen, lern­ten und ler­nen wir aus dem Ver­mächt­nis der vie­len Opfer und doch Über­le­ben­den des Zwei­ten Weltkriegs.

Ver­pas­sen wir die­se Gele­gen­hei­ten nicht, sie wer­den jedes Jahr weni­ger und somit umso wich­ti­ger. Apro­pos ver­pas­sen: Zur Prime­time flim­mer­te am Abend dann doch noch David Has­sel­hoff über die Schei­be. Wie ich sag­te: Alle Jah­re wie­der, wieder!

BUCHTIPP:

Juli­an Nej­kow: „Höl­len­jah­re – von jetzt auf gleich”, epu­b­li, Ber­lin 2024, 336 Sei­ten, 19,90 € (Soft­co­ver).

Mehr Infor­ma­tio­nen unter Ölbart.de.

Banner Footer 1

Test Half Banner

Banner Footer 2

Test Half Banner

Banner Footer 3

Test Half Banner