Eine kleine Geschichte Ostdeutschlands: von 1945 über die Gründung der DDR, Mauerbau und Mauerfall, die neuen Bundesländer bis heute.
- 1945. Deutschland verliert den Zweiten Weltkrieg. Die alliierten Siegermächte teilen es in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetisch besetzte Ostzone trägt einen überproportionalen Beitrag an Reparationsleistungen. Die drei Westzonen profitieren vom Marshallplan, einem Wirtschaftsförderungsprogramm der USA für den Wiederaufbau.
- 1945, 17. Juli bis 2. August. Potsdamer Konferenz: Auf Schloss Cecilienhof entsteht das Potsdamer Abkommen zur Neuordnung Deutschlands. Es beinhaltet vor allem die Aufteilung in vier Besatzungszonen.
- 1945, September. Bodenreform: Gutsbesitzer und einst nationalsozialistisch engagierte Landwirte werden enteignet.
- 1946, April. Zusammenschluss von KPD und Ost-SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)
- 1948, 24. Juni bis 1949, 12. Mai. (West-)Berlin-Blockade, Berliner Luftbrücke
- 1949, 7. Oktober. Gründung der DDR auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone. Wilhelm Pieck wird Präsident der DDR. Er ist gemeinsam mit Otto Grotewohl Parteivorsitzender der SED. Die Verfassung der DDR tritt in Kraft – mit vielen Ähnlichkeiten zum westdeutschen Grundgesetz.
- 1950. In der DDR leben 18,4 Millionen Menschen, in der BRD 51 Millionen.
- 1950, 25. Juli. Walter Ulbricht wird Generalsekretär des Zentralkomitees der SED.
- 1950, 27. September. In der DDR tritt das Gesetz zum Mutter- und Kinderschutz und der Rechte der Frau in Kraft. Abtreibung aus sozialen Gründen ist keine Straftat mehr.
- 1952. Erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) werden gegründet.
- 1953. Seit 1945 wurden in 3.400 ostdeutschen Betrieben Maschinen und Ausrüstung abgebaut. Insgesamt 40 Prozent der Industriebasis. Außerdem wurden Schienen in einer Länge von 11.800 km demontiert. In den westlichen Zonen wurden in diesem Zeitraum 667 Unternehmen demontiert. Die sowjetische Besatzungszone leistete nicht die Hälfte der Reparationszahlungen (mit nur 25 Prozent des Kapitalstocks), sie verlor auch die Anbindung an die Industrieregionen im Westen. (Weidenfeld 2023)
- 1953, 17. Juni. Großer Arbeiteraufstand: eine Welle von Streiks, Massendemonstrationen und politischen Protesten infolge von Normerhöhungen und geringerem Konsumangebot. In allen größeren Städten der DDR wurde vom 16. bis 21. Juni demonstriert und gestreikt. Bei der Koordination spielt der Radiosender RIAS eine wichtige Rolle. In Westberlin wird die zentrale Straße zum Brandenburger Tor am 22. Juni 1953 in „Straße des 17. Juni” umbenannt. In der BRD wird diesem Ereignis auf Antrag der Wehner-SPD von 1954 bis 1990 mit dem Staatsfeiertag „Tag der deutschen Einheit“ (mit Klein-d) gedacht.
- 1955. Erstmals erscheint die Jugendzeitschrift Mosaik mit Hannes Hegens Digedags. 1975 geht es mit den Abrafaxen weiter, ohne Hannes Hegen.
- 1956. Der Verlagsleiter Walter Janka und der Philosoph Wolfgang Harich setzen sich für einen dritten Weg zwischen Stalinismus und Kapitalismus ein. Sie werden verhaftet.
- 1956. Zum ersten Mal erscheint die „Zeitschrift für Mode und Kultur“ Sibylle. Gründerin und Namensgeberin war Sibylle Gerstner. Der erster Chefredakteur der „Vogue des Ostens“ hieß Rudolf Nehring. 1995 wurde die Sibylle eingestellt.
- 1959. Das Fernsehen der DDR strahlt erstmals Unser Sandmännchen aus.
- 1961, 13. August. Unter anderem, um Ausverkauf und Abwanderung (zwischen 1949 und 1961 sind 2,5 Millionen Menschen aus der DDR geflohen; etwa jeder Siebente) zu beschränken, errichtet die DDR rund um Westberlin eine Mauer als “antifaschistischen Schutzwall”. Sie schließt damit auch noch das “Schlupfloch” der offenen Sektorengrenzen in Berlin. “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten”, erklärte Walter Ulbricht noch drei Tage zuvor. Die Berliner Mauer hatte eine Länge von 155 km. Seit 1960 existierte an den DDR-Grenzen, die 1952 zunächst mit (vom Westen gekauftem) Stacheldraht markiert wurden, ein Schießbefehl bei Grenzübertritten. Bis zum Mauerfall 1989 starben mindestens 140 Menschen infolge eines Fluchtversuchs über die Berliner Mauer, 91 davon wurden erschossen.
- 1964. Zum Deutschlandtreffen kommen ca. 500.000 junge Menschen nach Ostberlin, darunter etwa 25.000 aus Westdeutschland und Westberlin. Der Jugendradiosender DT64 wird gegründet.
- 1964, Ende. Rentner dürfen ab jetzt einmal jährlich in den Westen reisen, später insgesamt 60 Tage im Jahr. Ab 1972 dürfen auch jährlich einige
Tausende jüngere Menschen in «dringenden Familienangelegenheiten» reisen. Bis 1985 kam es jährlich im Durchschnitt zu 1,3 Millionen Rentnerreisen. - 1968. Die DDR nimmt in Grenoble erstmals bei Winterspielen und in Mexiko-Stadt erstmals bei den Sommerspielen als eigenständige Mannschaft bei Olympia teil. Ab 1972 landet die DDR im Medaillenspiegel der Olympischen Spiele immer vor der BRD, wenn beide antraten.
- 1968, 21. August. Militär aus der Sowjetunion, Bulgarien, Ungarn und Polen beendet gewaltsam die reformkommunistische Bewegung des „Prager Frühlings“ in der ČSSR. Auch die DDR ist beteiligt. Sie befürwortet die Intervention. Die Sowjetunion macht unmissverständlich deutlich, dass sie in ihren osteuropäischen Satellitenstaaten kein Abweichen von ihrem ideologischen und diktatorischen Kurs duldet. Der Westen hält sich zurück. In der DDR macht sich Resignation breit.
- 1969, 7. Oktober. Einweihung des 368 m hohen Fernsehturms auf dem Berlin Alexanderplatz
- 1971, 19. Juni. Erich Honecker wird Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED.
- 1973, 28. Juli. Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten finden bis 5. August 1973 in Ost-Berlin statt.
- 1974, 8. Mai. Der 1. FC Magdeburg gewinnt den Europapokal der Pokalsieger gegen den AC Mailand. Fast ausschließlich mit Spielern aus der Region, von denen einige tagsüber im Schwermaschinenkombinat “Ernst Thälmann” arbeiteten. Unter den 4.641 Zuschauern in Rotterdam waren 350 rekrutierte DDR-Fans.
- 1974, 22. Juni. Die DDR gewinnt in der Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft gegen den späteren Weltmeister BRD. Das 1:0 erzielt Jürgen Sparwasser um 21:04 Uhr in der 78. Minute. Das Spiel findet im Volkspark Hamburg statt. Die DDR beendet das einzige WM-Turnier ihrer Geschichte als Sechster.
- 1976. Waldemar Cierpinski wird in Montreal Olympiasieger im Marathonlauf. 1980 in Moskau erneut. Nach seiner Zielankunft rief der bekannte Sportreporter des DDR-Fernsehens Heinz Florian Oertel vor Begeisterung: „Liebe junge Väter oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“ Die DDR wird auch Olympiasieger im Fußball der Herren.
- 1976, 16. November. Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann
- 1977. Kaffeekrise in der DDR. Aufgrund einer Missernte in der Saison 1975/6 in Brasilien musste die DDR statt etwa 150 fast 700 Millionen Valutamark bzw. etwa 300 Millionen Dollar am Weltmarkt pro Jahr für Kaffeeimporte ausgeben. Die bis dahin billigste Kaffeesorte Kosta (7,50 Mark pro 125 Gramm) wurde eingestellt. Es gab nur noch die um 12,5 bzw. 25 Prozent teureren Sorten Rondo und Mona. Außerdem kam mit dem Kaffee-Mix eine Mischkaffeesorte mit 49-prozentigem Ersatzkaffeeanteil zum Preis von 4 Mark pro 125 Gramm auf den Markt. Die SED-Führung wies den Zoll an, großzügig darüber hinwegzusehen, wenn in Westpaketen mehr Kaffee als erlaubt zu finden war.
- 1978, 26. August. Der DDR-Bürger Sigmund Jähn fliegt als erster Deutscher ins All.
- 1978. Der SC Magdeburg gewinnt den Europapokal der Landesmeister im Handball. 1981 noch einmal.
- 1983, Sommer. Die BRD bewilligt der DDR den ersten Milliardenkredit.
- 1983. Die DDR ermöglicht die “ständige Ausreise”. Bis 1989 verließen fast 400.000 Menschen die DDR legal per Ausreiseantrag.
- 1987, 17. Oktober. Neonazis überfallen ein Konzert in der Ostberliner Zionskirche, bei dem auch die West-Band Element of Crime auftreten sollte.
- 1987, 18. Dezember. Die DDR schafft die Todesstrafe ab.
- 1988. Bei den Olympischen Winterspielen in Calgary werden unter anderem Kati Witt und Jens Weißflog Olympiasieger.
- 1989, 2. Mai. Die ungarische Regierung beschließt, die Grenzbefestigungen zu Österreich abzubauen. Ungarn hindert DDR-Bürger nicht mehr an der Ausreise nach Österreich.
- 1989, 7. Mai. Kommunalwahlen in der DDR. Wahlleiter Krenz behauptet eine 99-prozentige Wahlbeteiligung und 99-prozentige Zustimmung zur Einheitsliste – eine plumpe Fälschung.
- 1989, 4. Juni. Auf dem “Platz des Himmlischen Friedens” in Peking findet ein Massaker an der chinesischen Demokratiebewegung statt. Die DDR-Führung unterstützt das harte Vorgehen.
- 1989, 4. Juni und 18. Juni. In Polen kommt es zu teilweise freien Wahlen, die von der Solidarność überwältigend gewonnen werden. Die freie Gewerkschaft Solidarność entstand im Sommer 1980 aus einer Streikbewegung von Arbeitern heraus. Viele Jahre verboten hatte sie entscheidenden Einfluss auf Reformen und Revolutionen im ganzen Ostblock. Ihr Vorsitzender Lech Wałęsa wird 1990 Staatspräsident.
- 1989, 4. September. In Leipzig findet die erste Montagsdemo statt.
- 1989, 9. September. Gründung des Neuen Forum. Die Bürgerbewegung mit unter anderem Bärbel Bohley, Jens Reich, Joachim Gauck, Werner Schulz geht später in der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf.
- 1989, 10. September. Ungarn öffnet offiziell seine Grenze für DDR-Bürger.
- 1989, 25. September. Seit 4. September finden in Leipzig Montagsdemonstrationen statt. An 25. September hält Pfarrer Christoph Wonneberger in der Nikolaikirche eine Predigt über Gewaltlosigkeit. Im Anschluss ziehen 4.000 bis 8.000 Menschen über einen Teil des Leipziger Rings.
- 1989, 30. September. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet auf dem Balkon der westdeutschen Botschaft in Prag, dass die Ausreise der 4.000 dorthin geflohenen DDR-Bürger in die BRD genehmigt wurde.
- 1989, 18. Oktober. Egon Krenz ist bis 6. Dezember 1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED.
- 1989, 7. Oktober. Die 40-Jahres-Feier der DDR wird von Demonstrationen und vielen Verhaftungen begleitet. Zum Beispiel gehen Einheiten der Volkspolizei und der Staatssicherheit in Berlin-Prenzlauer Berg mit Gewalt gegen Demonstranten vor, von denen sich viele in die Gethsemanekirche flüchten konnten. Trotzdem werden über 1.000 Menschen verhaftet und teilweise mehrere Wochen gefangen gehalten. Ehrengast des Jubiläums ist Michail Gorbatschow. Er spricht sich für die Unvermeidbarkeit von Reformen aus und warnt die SED-Führung: “Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort.” Gorbatschow ist seit 1985 Staatschef der UdSSR. Er propagiert “Glasnost” (Offenheit) und “Perestroika” (Umbau): mehr Freiheiten und zugleich mehr Verantwortung für jeden Einzelnen.
- 1989, 9. Oktober. Montagsdemonstration in Leipzig. Das vielfach skandierte “Keine Gewalt” wird erhört. Der 9. Oktober gilt als Wendepunkt der friedlichen Revolution in der DDR. Noch zwei Tage zuvor wurden in Leipzig 210 von 4.000 Demonstranten verhaftet. Am 9. Oktober stehen in Leipzig 8.000 Polizisten, Kampfgruppenmitglieder und Soldaten bereit. Die Bevölkerung ist aufgerufen, ab 15 Uhr zu Hause zu bleiben. Trotz der drohenden Gefahr einer „chinesischen Lösung“ wie beim Massaker vom „Platz des Himmlischen Friedens“ kommen 70.000 Bürger zusammen. Kurz vor Schluss des Friedensgebetes in der Nikolaikirche, wird ein „Aufruf“ verlesen, den drei SED-Bezirkssekretäre und ein dem MfS-naher Universitäts-Theologe mit zwei prominenten Künstlern, dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange sowie dem Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, verfasst hatten. Der „Aufruf der Leipziger Sechs“ wird ab 18 Uhr über den Leipziger Stadtfunk gesendet: „Bürger! Professor Kurt Masur, Pfarrer Dr. Zimmermann, der Kabarettist Bernd-Lutz Lange und die Sekretäre der SED-Bezirksleitung Dr. Kurt Meyer, Jochen Pommert und Dr. Roland Wötzel wenden sich mit folgendem Aufruf an alle Leipziger: Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen nach einer Lösung. Wir alle brauchen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserem Land. Deshalb versprechen die Genannten heute allen Bürgern, ihre ganze Kraft und Autorität dafür einzusetzen, daß dieser Dialog nicht nur im Bezirk Leipzig, sondern auch mit unserer Regierung geführt wird. Wir bitten Sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird.“ Der Demonstrationszug führt von der Nikolaikirche Richtung Oper, dann auf den Ring. Als die Menschen am Hauptbahnhof vorbeikommen, ziehen sich die Sicherheitskräfte zurück. Mit einer solchen Anzahl an Menschen hatte der Staat nicht gerechnet. Gegen 20 Uhr ist die Demonstration beendet und die Macht des SED-Staates gebrochen. Die (Ost-)Berliner Bürgerrechtler Aram Radomski und Siegbert Schefke filmten den Demonstrationszug aus einem Versteck in der Turmspitze der Reformierten Kirche und übergaben das Videomaterial dem Spiegel-Korrespondenten Ulli Schwarz. Am 10. Oktober 1989 wurden Ausschnitte in der ARD ausgestrahlt. Am 16. Oktober kamen 120.000 Menschen zur Leipziger Montagsdemonstration, am 23. Oktober demonstrierten 200.000 für Reformen und die Zulassung des Neuen Forums, am 30. Oktober waren es 300.000. Am 6. November fand die größte Montagsdemonstration mit 300.000 bis 400.000 Demonstranten statt.
- 1989, 4. November. Bereits seit dem 1. November 1989 durften DDR-Bürger wieder in die ČSSR reisen. Die Vorlage eines Personalausweises genügte. Am 3. November gestattet die DDR-Regierung ihren Bürgern die direkte Ausreise über die Grenze der Tschechoslowakei in die BRD. Innerhalb von nur fünf Tagen, vom 5. bis 9. November 1989, siedeln so nach Berichten des tschechoslowakischen Innenministeriums rund 62.500 DDR-Bürger via ČSSR in die BRD über, praktisch eine Kleinstadt pro Tag. Auch über Ungarn hält der Flüchtlingsstrom an.
- 1989, 4. November. Demonstration mit über einer halben Million Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz.
- 1989, 7. November. Die DDR-Regierung unter Ministerpräsident Willi Stoph tritt zurück
- 1989, 8. November. Das Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der SED tritt zurück
- 1989, 9. November. Mauerfall: Im Innenministerium der DDR wird morgens eine neue Ausreiseregelung entworfen. Auf Initiative von Dr. Gerhard Lauter gelangt der Passus hinein: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ Gemeint war: Reisefreiheit für alle, aber langfristig und bürokratisch. Die Verordnung sollte am Freitag, dem 10. November, um 4 Uhr veröffentlicht werden. Am Nachmittag übergibt SED-Generalsekretär Egon Krenz die Regelung als Ministerrats-Beschlussvorlage samt Pressemitteilung (mit Sperrfrist für Presse 10.11., 3 Uhr) an Günter Schabowski, dem Sprecher des SED-Zentralkomitees, der weder Wortlaut noch den Zeitpunkt des Inkrafttretens kennt. 18:57 Uhr: Auf eine Frage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrman antwortet Schabowski: „Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen. Also, Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässen und Verwandtschaftsverhältnissen beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt ... Das tritt nach meiner Kenntnis, ähh, ist das sofort, unverzüglich.” 20 Uhr: Die Tagesschau meldet: „DDR öffnet Grenze“. In der Folge treffen immer mehr DDR-Bürger an den Berliner Grenzübergängen Sonnenallee, Invalidenstraße und Bornholmer Straße ein. An Letzterem kommt es als Ventillösung zu Ausbürgerungen ohne das Wissen der Passierenden. Um 23:20 Uhr lassen die Kommandierenden Manfred Sens, Edwin Görlitz und Harald Jäger angesichts der drückenden Menschmasse den Übergang öffnen. Um Mitternacht sind auch die anderen beiden Übergänge offen. Die Mauer ist nach 28 Jahren, zwei Monaten und 26 Tagen gefallen.
- 1989, 13. November. MfS-Minister Erich Mielke sagt unter dem Gelächter der Volkskammerabgeordneten die berühmt gewordenen Worte “Ich liebe doch alle Menschen …”
- 1989, Mitte November: Ein Gruppe Intellektueller entwirft in Ostberlin die Vision vom “Dritten Weg”. Ziel ist eine sozialistische Alternative zur Bundesrepublik, zwischen Markt- und Planwirtschaft. Die endgültige Formulierung des Aufrufs übernimmt die Schriftstellerin Christa Wolf unter dem Titel „Für unser Land“. Zu den Erstunterzeichnern zählen unter anderem Frank Beyer, Ulrike Poppe, Sebastian Pflugbeil, Friedrich Schorlemmer, Tamara Danz und Stefan Heym, der den Aufruf am 28. November 1989 auf einer Pressekonferenz vorstellt. Bis zum Ende der Frist am 19. Januar 1990 setzen fast 1,2 Millionen DDR-Bürger ihren Namen unter ihn. Es ist die erste demokratische Volksabstimmung in der DDR. Das ebenfalls am 28. November von Helmut Kohl vorgestellte „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“, die auf März vorgezogenen Wahlen und eine kippende Stimmung führen zum Scheitern der Bemühungen. Ende November 1989 sprechen sich noch 86 Prozent der DDR-Bürger für „den Weg eines besseren, reformierten Sozialismus aus“, Anfang Februar 1990 sind es nur noch 56 Prozent. Die Zahl der Vereinigungsbefürworter steigt im gleichen Zeitraum von 48 auf 79 Prozent. (Quelle: Deutschlandfunk, Frankfurter Rundschau)
- 1989, 3. Dezember. Das ZK der SED schließt unter anderem Honecker, Mielke, Stoph, Tisch, Sindermann, Schalck-Golodkowski aus der Partei aus. Dann erklären Politbüro und ZK geschlossen ihren Rücktritt.
- 1989, 7. Dezember. Erstmals tagt der Zentrale Runde Tisch der DDR, letztmals im März 1990. Zu den Hauptthemen zählt die Auflösung der Stasi. Er setzt auch eine Arbeitsgruppe ein, die bis zum April 1990 eine neue Verfassung entwerfen soll.
- 1989, 9. Dezember. Gregor Gysi wird Vorsitzender der SED.
- 1990, 11. Februar. Kanzler Helmut Kohl spricht sich für eine neue Verfassung aus und erklärt: “Ich bin dafür, daß das, was sich bewährt hat, und zwar auf beiden Seiten, von uns übernommen werden soll. Es gibt auch Entwicklungen in der DDR in diesen 40 Jahren, die es sich sehr lohnt anzusehen. Ich bin ganz und gar dagegen, eine Position einzunehmen, die auf Anschluß hinausgeht.”
- 1990, 1. März. Gründung der Treuhandanstalt durch die Modrow-Regierung, um das Volkseigentum zu sichern und wenn möglich an die Bürger zu verteilen.
- 1990, 18. März. Erste freie Wahl der DDR. Die vom geplanten Termin 6. Mai 1990 vorgezogene Volkskammerwahl hatte 93,4 Prozent Wahlbeteiligung. 48,15 Prozent der Wähler stimmten für die Parteien der Allianz für Deutschland, einem von Helmut Kohl unterstützten Bündnis aus Ost-CDU (40,8 %), der von der CSU unterstützten Deutschen Sozialen Union DSU (6,3 %) und dem kirchennahen Demokratischen Aufbruch DA (0,9 %). Die Allianz warb im Wahlkampf mit unhaltbaren Versprechen, unter anderem mit sofortiger DM-Einführung sowie der Umstellung der Löhne, Renten und Sparkonten im Verhältnis von 1 DDR-Mark: 1 DM. 21,9 Prozent stimmten für die SPD, 16,4 Prozent für die PDS und 5,3 Prozent für die FDP, 2,9 Prozent für Bündnis 90. Die SPD erzielte ihr bestes Ergebnis mit 39,8 Prozent in Berlin-Köpenick, die PDS mit 38,4 Prozent in Berlin-Hohenschönhausen, Bündnis 90 seines mit 8,5 Prozent in Prenzlauer Berg.
In Wahlprognosen führte die SPD, die sich auch siegesgewiss zeigte. Zumindest in Ostberlin gewann sie tatsächlich: 34,9 % SPD, 30,2 % PDS, 18,3 % CDU, 6,3 % Bündnis 90.
Am Wahltag trat der Vorsitzende des DA Wolfgang Schnur zurück. Wenige Tage zuvor hatte Der Spiegel seine IM-Tätigkeit seit 1965 enthüllt. Nachfolger als Parteivorsitzender wurde Rainer Eppelmann. Zu den Mitgliedern des DA gehörten unter anderem die von Schnur als Pressesprecherin eingestellte Angela Merkel, Katrin Göring-Eckardt, Günter Nooke sowie zunächst Daniela Dahn und Friedrich Schorlemmer. Ständige Gesprächspartner von Schnur als Vertrauensanwalt der Evangelischen Kirche in der DDR waren übrigens Horst Kasner, Vater von Angela Merkel, und Clemens de Maizière, Vater von Lothar de Maizière. Deren Verhandlungspartner in der DDR-Regierung war der Staatssekretär für Kirchenfragen. Von 1979 bis 1988 hatte dieses Amt Klaus Gysi inne, Vater von Gregor Gysi.
Die DSU erhielt zwei Ministerposten. Sie wurden von Hans-Wilhelm Ebeling und Peter-Michael Diestel bekleidet. Beide traten unter Beibehaltung ihrer Ministerämter am 30. Juni 1990 aus der DSU aus. Als Grund wurde zunehmender Rechtsextremismus in der Partei genannt. - 1990, 12. April. Lothar de Maizière, Spitzenkandidat der Ost-CDU, amtiert bis 2. Oktober 1990 als erster und letzter Ministerpräsident der DDR.
- 1990, Juni. “Rückgabe vor Entschädigung”: Es wird beschlossen, dass das Volkseigentum an Alteigentümer zurückgegeben wird. Sofern eine Rückgabe nicht möglich war, etwa wenn sich eine öffentliche Straße oder ein öffentliches Gebäude auf dem fraglichen Grundstück befanden, konnte stattdessen für den erlittenen Vermögensverlust eine Entschädigung geleistet werden. Insgesamt gehen mehr als zwei Millionen Anträge auf Rückübertragung ein. Diese Form der Enteignung wird als einer der größten Fehler der “Wiedervereinigung” betrachtet.
- 1990, 1. Juli. Währungsunion: Die DDR-Bürger erhalten die D-Mark. Preise, Löhne und Renten 1:1 umgestellt. Sparguthaben für Personen unter 15 Jahren sind bis 2.000 DDR-Mark 1:1 umgewechselt worden, für Erwachsene unter 60 Jahren bis 4.000 DDR-Mark und für ältere Personen 6.000 DDR-Mark zum gleichen Kurs. Für Geldbestände darüber sowie für Schulden und Kredite erfolgte der Umtausch 2:1.
- 1990, 23. August. Die Volkskammer beschließt den Beitritt zum Bundesgebiet nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Der Burda-Verlag gründet die SuperIllu, eine bald sehr populäre Zeitschrift für Ostdeutschland.
- 1990, 12. September. Der Zwei-plus-vier-Vertrag beschließt den Wechsel der DDR ins westliche Lager, zu EU, Nato und Grundgesetz.
- 1990, 2. Oktober. Bundeskanzler Helmut Kohl wiederholt seine Ankündigung vom Tag der Währungsunion, er sei „mehr denn je davon überzeugt, dass wir in den nächsten drei bis vier Jahren in den neuen Bundesländern blühende Landschaften gestalten werden“.
- 1990, 3. Oktober. Die neu gegründeten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Berlin in seiner Gesamtheit treten dem Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 GG bei. Bei der “Wiedervereinigung” handelt es sich damit um einen Anschluss. Der 3. Oktober ist von nun an als Tag der Deutschen Einheit (mit Groß-D) gesetzlicher Feiertag. Möglich wäre auch der Weg über Artikel 146 des Grundgesetzes gewesen: “Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.” Ein gemeinsamer Verfassungsprozess hätte von hohem symbolischen Wert sein können.
- 1990, November. Räumung der besetzten Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain mit 3.000 Polizisten.
- 1990, 6. Dezember. Der angolanische Vertragsarbeiter Amadeu Antonio wird in Eberswalde Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Die Täter werden zu maximal vier Jahren Haft verurteilt. Zum Gedenken wurde 1998 die Amadeu Antonio Stiftung gegründet.
- 1990 stammen die 62 obersten Beamten in den ostdeutschen Ministerien aus Westdeutschland.
- 1991, 8. März. Das Kabinett Kohl beschließt das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost, das 24 Milliarden Mark für die Jahre 1991 und 1992 umfasste. Die Finanzierung des Aufbaus Ost mit Hilfe eigens ausgewiesener Haushaltsansätze endete mit dem Auslaufen des Solidarpakts II am 31. Dezember 2019. Schätzungen der einheitsbedingten Kosten liegen zwischen 250 Milliarden und 2 Billionen Euro.
- 1991, 1. April: Der Präsident der Treuhandanstalt Detlev Rohwedder wird von der RAF ermordet.
- 1991/2. Hansa Rostock und Dynamo Dresden spielen in der Fußball-Bundesliga.
- 1991, 17.-23. September. Rassistisch motivierte Übergriffe in der sächsischen Stadt Hoyerswerda.
- 1992, 22. und 26. August. Fremdenfeindliche Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen.
- 1992/93. Wolfgang Lippert moderiert Wetten daß ...?
- 1993, 20. März. Henry Maske aus Frankfurt/Oder wird Box-Weltmeister bei den Profis.
- 1994, 10. November. Der parteilose jüdische DDR-Schriftsteller Stefan Heym eröffnet den 13. Deutschen Bundestag mit einer Rede als Alterspräsident. Die CDU/CSU-Fraktion verweigert Respekt.
- 1994, 31. Dezember. Die Treuhandanstalt wird aufgelöst. Sie hatte über 14.000 Betriebe und Unternehmensteile verkauft oder kommunalisiert, nur 140 Firmen sind noch übrig.
- 1994. Mittlerweile sind 35.000 Beamte aus Westdeutschland in den ostdeutschen Ämtern und Verwaltungen tätig.
- 1995. Seit diesem Jahr wird der Solidaritätszuschlag allein zur Finanzierung der deutschen Einheit erhoben. Von 1991 an diente er unter anderem zur Finanzierung der Mehrbelastungen durch den Zweiten Golfkrieg. Den Soli zahlen Ost- und Westdeutsche. Er beträgt 5,5 Prozent der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer.
- 1996. In den ersten Jahren nach der Einheit wurden laut Steffen Mau 40 Prozent der ehemaligen DDR-Bürger mindestens einmal arbeitslos. Zwei Drittel der Erwerbstätigen wechselten ihre Stelle mindestens einmal.
- 1998 bis 2005. Mit Wolfgang Thierse ist ein Ostdeutscher Präsident des Deutschen Bundestages.
- 2001, Januar. Thierse warnt: Wenn sich an der wirtschaftlichen und sozialen Situation in Ostdeutschland nichts ändere, drohe eine Katastrophe, Ostdeutschland stehe “auf der Kippe”.
- 2004. Der 1. FFC Turbine Potsdam wird Deutscher Meister und DFB-Pokal-Sieger im Frauenfußball. 2005 folgt der Gewinn des UEFA Women’s Cup.
- 2004 bis 2010. Der 1976 in Görlitz geborene Michael Ballack ist Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft.
- 2004/05. Der EHC Eisbären Berlin (vormals Dynamo Berlin) wird erstmals gesamtdeutscher Meister.
- 2005 bis 2021. Die ehemalige DDR-Bürgerin Angela Merkel ist Bundeskanzlerin.
- 2005, 15. November bis 2006, 10. April. Der ehemalige DDR-Bürger Matthias Platzeck ist Bundesvorsitzender der SPD.
- 2007, 26. Februar. Der Film über die DDR Das Leben der Anderen erhält den Oscar für den besten internationalen (nicht-englischsprachigen) Film.
- 2007, 9. November. Der Bundestag beschließt die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals für die friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/1990 auf der Schloßfreiheit in Berlin. 2024 ist noch nichts von der Einheitswippe zu sehen.
- 2011, 4. November. Die NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt werden tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Der “Nationalsozialistische Untergrund” existierte seit 1999. Die aus Jena stammenden drei Haupttäter Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe lebten ab 1998 untergetaucht in Chemnitz und Zwickau. Sie ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin, verübten 43 Mordversuche und drei Sprengstoffanschläge.
- 2012 bis 2017. Der ehemalige DDR-Bürger Joachim Gauck ist Bundespräsident.
- 2014, Oktober. Der Dresdner Lutz Bachmann gründet die Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), welche seitdem in Dresden Demonstrationen gegen eine von ihr behauptete Islamisierung sowie die Einwanderungs- und Asylpolitik Deutschlands und Europas organisiert. Hier treten neurechte und rechtspopulistische Akteure auf.
- 2017. Erstmals ziehen mehr Menschen von West nach Ost als umgekehrt.
- 2023, 1. März. Das Bundeskabinett beschließt die Einrichtung eines Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation in Halle (Saale). Die Eröffnung ist für 2030 geplant.
- 2023. Der 1. FC Union Berlin spielt in der Fußball-Champions-League. 2019 stieg der Verein in die Bundesliga auf. In der DDR-Oberliga gehörte er meist zur zweiten Reihe der Vereine.
- 2024, Januar. Die 1978 in Suhl geborene Schauspielerin Sandra Hüller wird für ihre Hauptrolle in dem Drama Anatomie eines Falls für den Oscar nominiert.
- 2024, Mai. Die ostdeutsche Schriftstellerin Jenny Erpenbeck wird als erste Deutsche überhaupt mit dem International Booker Prize ausgezeichnet – für ihren Roman Kairos.
- 2024, Juni. Bei den Europawahlen wird die AfD in Ostdeutschland mit knapp 30 Prozent stärkste Kraft.
- 2024, Juli. Der 1990 in Greifswald geborene Toni Kroos tritt als einer der erfolgreichsten deutschen Fußballspieler überhaupt zurück. Er wurde unter anderem Weltmeister und sechs Mal Champions-League-Sieger.
- 2024, September. Bei den sogenannten Ostwahlen wird die AfD in Thüringen mit 32,8 % stärkste Kraft, in Sachsen landet sie mit 30,6 % auf Platz zwei. In Brandenburg wird sie mit 29,2 % Zweiter. Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreicht aus dem Stand 15,8 %, 11,8 % bzw. 13,5 %.
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