Als Teil der Niederlausitz zählt Elbe-Elster zum Lausitzer Braunkohlerevier. 1882 wurde hier die erste Brikettfabrik in Europa eröffnet. Der Ausstieg aus der Kohleförderung bedeutet nun große Herausforderungen, bietet aber auch Chancen für neue Industrien und Investitionen in einen Landstrich, der von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Matthias Salm vom Redaktionsnetzwerk Wirtschaft + Markt beleuchtet die wirtschaftliche Entwicklung und Zukunftsperspektiven dieser Region Ostdeutschlands.
Es ist eher selten, dass der Südwesten Brandenburgs überregionale Schlagzeilen produziert. Nach den Wahlen in Brandenburg Ende letzten Jahres rückten die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und BSW den Landkreis Elbe-Elster im Dreiländereck von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt dann aber doch in den landesweiten Fokus. Denn dort unterhält die Bundeswehr ihren grenzüberschreitenden Standort Schönewalde mit der Luftwaffenkaserne Fliegerhorst Holzdorf. Der kleinere Teil liegt im Südosten Sachsen-Anhalts, der größere im Südwesten Brandenburgs.
Der Bundeswehrstandort Schönewalde
Mit ihren etwa 1.800 Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Mitarbeitenden zählt die Bundeswehr zu den größten Arbeitgebern und Ausbildungsinstitutionen der Region. Dass Schönewalde künftig zum größten Luftwaffen-Standort in Ostdeutschland aufgerüstet werden soll, passte wenig zum antimilitaristischen Kurs des neuen Koalitionspartners BSW. Die parteiinternen Diskussionen sorgten für Verunsicherung in den südbrandenburgischen Kommunen, die Absegnung des Koalitionsvertrages schließlich für Erleichterung.
Das Bundesverteidigungsministerium sieht Schönewalde als einen der wichtigsten Luftstützpunkte der Bundeswehr im Zeichen der sogenannten Zeitenwende. Hier soll kräftig in die nationale Verteidigung investiert werden. Von 2025 an werden Teile des Raketenabwehrsystems „Arrow 3“ zur territorialen Flugkörperabwehr und von 2027 an 47 schwere Transporthubschrauber „Chinook“ dort stationiert. Schönewalde ist der erste von drei Arrow-Standorten im Bundesgebiet. Dafür muss die Infrastruktur am Standort erheblich ausgebaut werden. Geplant sind Investitionen in Höhe von bis zu 700 Millionen Euro in Ausrüstung und Infrastruktur. Mindestens 700 zusätzliche militärische und zivile Beschäftigte werden dann ihren Dienst in Brandenburg leisten.
Im Gefolge des Ausbaus ist die Ansiedlung von Unternehmen in der Region, die Erweiterung der Kapazitäten von Schulen und Kinderbetreuungsplätzen und eine verbesserte Gesundheitsversorgung in Aussicht gestellt. Auch die Heeresinstandsetzungslogistik GmbH in Doberlug-Kirchhain wird zum „HIL Kompetenzzentrum Rad” weiterentwickelt. Das Projekt soll bis zum Jahr 2031 umgesetzt werden. In der Doppelstadt werden bei der HIL mit mehr als 270 Beschäftigten Fahrzeuge und Waffensysteme der Bundeswehr gewartet und instandgesetzt. Die HIL kooperiert mit dem Lausitzer Energiekonzern LEAG unter anderem bei der Aus- und Weiterbildung.
Die doppelte Zeitenwende
Elbe-Elster steht somit vor einer doppelten Zeitenwende: Von den gesteigerten Investitionen in die nationale Sicherheit wird die Region profitieren, zugleich fließen aber auch Mittel der Strukturentwicklung Lausitz im Zuge des Braunkohleausstiegs in den Landkreis an den namensgebenden Flüssen Elbe, Schwarzer und Kleiner Elster.
1993 wurde der Landkreis durch die Verschmelzung der bisherigen Landkreise Bad Liebenwerda, Herzberg und Finsterwalde gebildet. Dadurch kamen auch die Gebiete der Niederlausitz um Finsterwalde zum Elbe-Elster-Land. Auch wenn hier kein aktiver Bergbau mehr Kohle ans Tageslicht fördert, so zählt der Landkreis doch weiterhin zur Braunkohleregion Lausitz. An die Bergbauära erinnert heute aber nur noch das Besucherbergwerk F60 am Bergheider See nahe Lichterfeld-Schacksdorf mit der gewaltigen Förderbrücke, von den Einheimischen „liegender Eiffelturm“ genannt. Sie war einst im Tagebau Klettwitz-Nord im Einsatz.
Die Mittel zum Strukturwandel fließen in den Ausbau der Infrastruktur: So soll mit einem Gesamtaufwand von 3,5 Millionen Euro der Gewerbe- und Industriepark Massen an der B 96 vor den Toren Finsterwaldes um rund 20 Hektar erweitert und besser an die Straßen- und Schieneninfrastruktur angeschlossen werden. Zudem wird das Oberstufenzentrum Elbe-Elster in Elsterwerda mit einer Gesamtinvestition von rund zwölf Millionen Euro zum Bildungszentrum ausgebaut.
Elbe-Elster wird darüber hinaus auch verkehrlich besser angebunden. So wird etwa der Bahnknoten Falkenberg umgebaut und auf der Bahnstrecke Leipzig-Falkenberg-Cottbus die Fahrtzeit verkürzt. „Neben der demographischen Entwicklung mit der Abwanderung junger Fachkräfte und der Alterung der Bevölkerung ist der Strukturwandel durch den Braunkohleausstieg ein wichtiger Einflussfaktor auf die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis Elbe-Elster“, heißt es dazu aus dem Büro des Landrats.
Ein Cluster der Metallindustrie
Die diversifizierte Wirtschaftsstruktur der Region ist geprägt von kleinen und mittelständischen Unternehmen, darunter vielen Familienunternehmen, die sich bisher deutlich unabhängiger und resilienter gegenüber nationalen und internationalen Krisen gezeigt haben. Im Landkreis Elbe-Elster haben sich vor allem die Metall- und Elektroindustrie sowie die Ernährungswirtschaft etabliert. Weiterhin haben die Forst- und Landwirtschaft ein bedeutsames Wirtschaftspotenzial. Rund 50 Prozent der Gesamtfläche des Landkreises wird landwirtschaftlich genutzt. Elbe-Elster verfügt über einen ausgeprägten Anteil produzierender Unternehmen, die teils hoch spezialisiert sind und internationale Absatzmärkte bedienen.
In der größten Kommune in Elbe-Elster, der Sängerstadt Finsterwalde mit rund 16.000 Einwohnern, konzentriert sich die Metall- und Elektroindustrie. Zu den bekanntesten Unternehmen vor Ort gehört seit 1922 Kjellberg Finsterwalde. Kjellberg entwickelt und produziert mit rund 450 Beschäftigten Anlagentechnik für die metallverarbeitende Industrie, insbesondere Produkte und Technologien zum Plasmaschneiden und Schweißen sowie kundenspezifische Sondermaschinen zur Materialbearbeitung. Seit mehr als 60 Jahren gehört Kjellberg Finsterwalde nach eigenen Angaben im Bereich des Plasmaschneidens zu den Weltmarktführern. Für die Industrie-4.0-fähige Plasmaschneideanlage „Q“ erhielt das Unternehmen 2020 den Brandenburger Innovationspreis.
Zum Metallcluster rund um Finsterwalde, zusammengeschlossen im Netzwerk Metall Finsterwalde, gehören auch die Formteil- und Schraubenwerk Finsterwalde GmbH, ein Produzent hochwertiger Schrauben für die Automobilindustrie, und die Finsterwalder Maschinen- und Anlagenbau GmbH (FIMAG), die hochwertige Stromerzeuger-Anlagen und Blockheizkraftwerke produziert. Aktuell steht die Übernahme der FIMAG durch die Entrak Unternehmensgruppe an. Ein weiteres Unternehmen im Metallcluster ist die Galfa GmbH & Co. KG als leistungsstarker Beschichter für funktionelle Oberflächen in den Bereichen kathodischer Korrosionsschutz und Gewindesicherungen. Die Finsterwalder arbeiten für die Großen der Automobilbranche ebenso wie für die Bau- und Elektroindustrie und den Metall- und Maschinenbau.
Die 1992 gegründete N+S Norm- und Sonderschrauben GmbH ist ebenfalls Zulieferer für Automobilhersteller und den Maschinenbau. Zum österreichischen Technologiekonzern Voestalpine gehört die Voestalpine Wire Germany GmbH, die in der Sängerstadt die Tradition der Drahtherstellung fortsetzt und ein breites Portfolio an Qualitätsdraht für die Automobilzulieferindustrie sowie für den Maschinenbau und die Bahninfrastruktur anbietet.
In Doberlug-Kirchhain gehört die Schönborner Armaturen GmbH zu den Innovationsführern. 2022 wurde das Unternehmen vom Brandenburger Wirtschaftsministerium mit dem Brandenburger Innovationspreis im Cluster Metall für das Projekt „Leckortungsprüfstand” ausgezeichnet. Es war auch treibende Kraft hinter dem 2022 gegründeten Innovationscluster Wasserwirtschaft Brandenburg. Die TSK Anlagenbau GmbH ist in der Doppelstadt ein europaweit tätiges und auf die Bereiche Klima- und Lüftungstechnik sowie Tankanlagen spezialisiertes Unternehmen. Doberlug-Kirchhain zählt rund 8.500 Einwohner und ist ein Bahnknotenpunkt zwischen den Metropolen Berlin, Leipzig, Dresden und Cottbus.
Industriepark Massen wird ausgebaut
Einen wirtschaftlichen Schwerpunkt der Region bildet der Industrie- und Gewerbepark Massen-Niederlausitz mit seinen mehr als 100 Firmen und etwa 2.000 Arbeitsplätzen. Hier sind Unternehmen des Maschinenbaus und Automobilzulieferer tätig. Letztere stehen aber auch hier wie überall in Ostdeutschland massiv unter Druck. Das Antolin-Werk in Massen, eine Niederlassung des spanischen Autozulieferers Grupo Antolin, soll beispielsweise Anfang 2026 geschlossen werden. Andere Unternehmen der Branche bleiben hingegen aktiv: HQM Tubes produziert gleich an zwei Standorten im Massen und Tröbitz montierfertige Bremsdruckleitungen und Edelstahl-Leitungssysteme. Die Böllhoff Produktion GmbH in Sonnewalde stellt Verbindungselemente für die Automobil-, aber auch die Luftfahrt- und Elektroindustrie her.
Eines der größten Unternehmen im Landkreis Elbe-Elster ist die Uebigauer Elektro- und Schaltanlagenbau GmbH (Uesa). Im gesamten Firmenverbund sind über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Energiebereich tätig. Das Unternehmen aus Uebigau-Wahrenbrück fertigt und montiert Elektroausrüstungen für die Industrie und die Energieversorgung. Das umfasst ein breites Spektrum von Trafostationen, Energieverteilungsanlagen, Kabelverteilern, Automatisierungs- und Steuerungsanlagen.
Auch die Möbelindustrie gehört zur wirtschaftlichen Struktur des Landkreises. Die Reiss Büromöbel GmbH aus Bad Liebenwerda wurde im letzten Jahr zum ersten Mal mit dem Siegel eines Top-100-Innovatoren in Deutschland ausgezeichnet. Reiss Büromöbel kann auf eine über 140-jährige Tradition zurückblicken, das Unternehmen wurde 1882 vom Gründer Robert Reiss in Bad Liebenwerda als kleine Feinmechanik- und Maschinenbauwerkstatt gegründet. In derselben Branche hat sich die Schiffler GmbH in Uebigau-Wahrenbrück mit Einrichtungen im Bereich Senioren- und Pflegeheime etabliert.
Nachhaltige Lebensmittelerzeugung
Im Landkreis Elbe-Elster sind auch viele Betriebe der Lebensmittelindustrie beheimatet. Zu den bekanntesten zählt die Bad Liebenwerda Mineralquellen GmbH. Das Unternehmen gehört zur Rhönsprudel-Gruppe, die wiederum zu den Top 10 der Mineralwasser-Branche in Deutschland zählt und 2022 in den Besitz der französischen Alma-Gruppe übergegangen ist. Im Laufe der Jahre hat sich Bad Liebenwerda zu einer bedeutenden Mineralwassermarke in Berlin und Ostdeutschland entwickelt. Mit 230 Mitarbeitenden ist das Unternehmen einer der größten Arbeitgeber in Südbrandenburg. Ende letzten Jahres wurde die 1992 ebenfalls in Bad Liebenwerda gegründete Bauer Fruchtsaft GmbH übernommen.
In Elsterwerda ist die ODW Frischprodukte GmbH ansässig und betreibt das dortige Milchwerk. Die Tochtergesellschaft der französischen Andros & Cie. übernahm 2010 das Werk von der niederländischen Firma Campina. Heute ist das Werk für Milch- und Joghurtprodukte unter der Eigenmarke Mark Brandenburg bekannt. 100 Prozent des gesamten Milchbedarfs der Molkerei wird von Milchhöfen im südlichen Brandenburg geliefert, so zum Beispiel von der Agrargenossenschaft Sonnewalde eG.
Traditioneller Partner der Ernährungswirtschaft in der Region ist die Gizeh-Gruppe als Spezialist für feste Kunststoffverpackungen. Schon seit fast 50 Jahren beliefert das Unternehmen die Lebensmittelindustrie mit Bechern, Schalen, Deckeln und Flaschen und gehört zu den europäischen Marktführern. Gizeh beliefert aus seinem Werk in Elsterwerda zahlreiche Kunden in Mitteleuropa.
Der Landkreis selbst will das Cluster weiter stärken und hält an seinem Projekt eines „Campus Nachhaltige Lebensmittelerzeugung“ fest. Dieser soll sich im Industrie- und Gewerbepark Massen-Niederlausitz mit der Herstellung von Lebensmitteln und Naturstoffen unter den Prämissen Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit auseinandersetzen.
Damit könnte in der landwirtschaftlich geprägten Region ein neuer anwendungsorientierter Forschungszweig aufgebaut werden. Dabei sollen drei bestehende wissenschaftliche Einrichtungen zusammenarbeiten: das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik, das Institut für Lebensmittel und Umweltforschung sowie das Forschungsinstitut für Bergbau Folgelandschaft.
Im Dreieck zwischen Berlin, Leipzig und Dresden
Elbe-Elster versteht sich als zentraler Verbindungsraum für die großen Städte Mitteldeutschlands, wenn auch ohne eigenen Autobahnanschluss. Er wird aber von Bundesstraßen und Bahnlinien durchschnitten. Auch der Breitbandausbau schreitet voran. Im „Weiße-Flecken-Programm“ konnten mit einem Investitionsvolumen von 18,5 Millionen Euro bereits 2.230 Haushalte mit schnellem Internet versorgt werden. Im aktuellen „Graue-Flecken-Programm“ werden ab 2026 weitere 21.000 Adressen bei einem Investitionsvolumen von 186 Millionen Euro an das Glasfasernetz angeschlossen. Handlungsbedarf besteht vorrangig noch in der schnellen Umsetzung der geplanten Maßnahmen.
Im Tourismus präsentiert sich die Reiseregion Elbe-Elster als „Entdeckerland“ abseits des Massentourismus. Der Elbe-Elster-Tourismus basiert auf den Säulen Natur, Kultur, Kulinarik und Aktiv. Im Zeitraum von Januar bis September 2024 wurden im Landkreis 195.841 Übernachtungen gezählt, was einem Anstieg von 13,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Mit einer Aufenthaltsdauer von durchschnittlich 4,1 Tagen ist Elbe-Elster die Region mit der höchsten Aufenthaltsdauer in Brandenburg.
Elbe-Elster
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