Seit Jahren sind Ostdeutsche in Entscheidungspositionen der deutschen Medienbranche stark unterrepräsentiert. Das Netzwerk Quote-Ost hat es sich zum Ziel gesetzt, diese strukturelle Benachteiligung zu überwinden und ostdeutsche Perspektiven sichtbarer zu machen. In einem offenen Brief fordern sie nun konkrete Veränderungen.

Ostdeutsche sind in der Filmbranche unterrepräsentiert, findet das Netzwerk Quote-Ost. Abbildung: Depositphotos, gnepphoto
Dem Netzwerk Quote-Ost geht es nicht nur um eine gerechtere Verteilung von Entscheidungspositionen, sondern auch um eine wahrhaftigere Darstellung ostdeutscher Lebensrealitäten in Film und Fernsehen. Studien zeigen, dass der Anteil Ostdeutscher an der Gesamtbevölkerung mehr als 20 Prozent beträgt, während ihr Anteil in Entscheidungspositionen der Medienbranche nur bei etwa sieben Prozent liegt. Die Vergabe von Positionen erfolgt oft über bestehende Netzwerke, wodurch Ostdeutsche weiterhin benachteiligt bleiben.
Offener Brief von Quote-Ost
Um diese Ungleichheit zu bekämpfen, hat das Netzwerk in einem Offenen Brief eine verbindliche Quote für Ostdeutsche und Ostdeutschland in der deutschen Film- und Fernsehbranche gefordert. Sie soll sich am Bevölkerungsanteil orientieren und zum Beispiel für Redaktionen, Gremien, Intendanzen sowie kreative Schlüsselrollen gelten. Zudem plädiert die Initiative für die Einrichtung von Findungskommissionen, die gezielt nach geeigneten ostdeutschen Kandidaten suchen. Auch die verstärkte Produktion fiktionaler Inhalte, die authentisch im Osten spielen und dort umgesetzt werden, ist ein zentrales Anliegen. Schließlich soll es in Medienhäusern feste Ansprechpartner geben, die sich für ostdeutsche Interessen starkmachen.
Reaktionen und gesellschaftliche Bedeutung
Quote-Ost hat in den letzten Monaten Anfragen an verschiedene Institutionen gerichtet, darunter Sender, Ministerien, Förderinstitutionen und Streaming-Plattformen. Die Antworten waren dem Netzwerk zufolge jedoch meist ausweichend oder blieben ganz aus. Gerade von Akteuren, die Diversität betonen, wurde keine klare Positionierung erwartet. Das Netzwerk erklärt, dass es ihm nicht um Spaltung, sondern um ein gerechteres Miteinander geht. Die strukturelle Benachteiligung Ostdeutscher in der Medienbranche wirke sich auf das gesellschaftliche Gesamtbild aus. Verzerrte oder klischeehafte Darstellungen Ostdeutschlands in Film und Fernsehen prägen das Bewusstsein und verstärken bestehende Vorurteile. Die Resonanz auf die Forderungen bleibt abzuwarten, doch das Netzwerk hat bereits bewiesen, dass das Thema auf große Unterstützung stößt, insbesondere bei jüngeren ostdeutschen Generationen.
Unterstützer der Aktion
Die Initiative wird von über 100 renommierten Filmschaffenden, Autoren und Schauspielern unterstützt. Zu den Unterzeichnern des Offenen Briefs gehören unter anderem der Oscar-prämierte Regisseur Jochen Alexander Freydank, die Schauspielerinnen und Schauspieler Fritzi Haberlandt, Milan Peschel, Sophie Pfennigstorf, Pierre Sanoussi-Bliss und Thorsten Merten sowie die Autoren Torsten Schulz und Jakob Hein. Auch namhafte Produzenten, Drehbuchautoren und Wissenschaftler wie Rüdiger Heinze, Prof. Dr. Dirk Oschmann und Dr. Dieter Wiedemann haben sich der Forderung nach mehr Repräsentation angeschlossen.
DER OFFENE BRIEF IM WORTLAUT:
Nach vierunddreißig Jahren deutscher Einheit ist dieses Land leider noch immer gespalten. Drei Wahlen jüngst in ostdeutschen Bundesländern belegen dies auf erschreckende Weise. Der Anteil von Ostdeutschen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland beträgt mehr als 20%. Der Anteil Ostdeutscher in Entscheidungspositionen in der Medienbranche liegt erschreckend weit darunter, es sind, das belegen Studien, nur ca. sieben Prozent. Eine Angleichung blieb bisher leider aus. Es handelt sich hier ganz klar um eine strukturelle Benachteiligung. Das weitgehende Fehlen ostdeutsch geprägter Erzählperspektiven in fiktionalen Formaten führt zu einer verzerrten und oft stigmatisierenden Darstellung ostdeutscher Lebensrealitäten. Positionen, in denen man gestalten kann, werden meist innerhalb bestehender Netzwerke vergeben. Als zu spät Dazugekommene haben Ostdeutsche dabei meist das Nachsehen – ein Problem, das sich ausgewachsen und eine gesellschaftliche Dimension gewonnen hat. Diese Benachteiligung, ja zum Teil Ausgrenzung, hat in den letzten Jahren sogar zugenommen. Es gibt mittlerweile mehrere Generationen Ostdeutscher, die nicht das Privileg der signifikanten Vernetzung haben. Dieser Umstand wird inzwischen besonders von Menschen in den Dreißigern reflektiert und kritisiert. Sie haben ihre Karriere vor sich und thematisieren ihre Identität als Ostdeutsche. Wir können und wollen den beschriebenen Zustand nicht hinnehmen. Es braucht dringend deutliche und nachhaltige Änderungen. Aus Sorge um das gefährdete Gesamtwohl unserer demokratisch verfassten Gesellschaft fordern wir:
Uns geht es um den Beginn eines gleichberechtigten Zusammenarbeitens. Warum nicht mit einer Quotenregelung? Wenn sie denn – und das wird sie ganz bestimmt tun – etwas Positives bewirkt. Diese Quote für Ostdeutsche in Entscheidungspositionen kann ein Schritt sein, dieses Land wirklich zusammenwachsen zu lassen. Ein Schritt für gelebte Demokratie und Miteinander, ein Schritt in Richtung Teilhabe, ein wirklicher Ansatz gegen Spaltung, Bevormundung und Fremdbestimmung. In Sonntagsreden wird gerne die „Lebensleistung“ Ostdeutscher gewürdigt. Das ist ein Satz, der eher auf eine Beerdigung gehört. Und wissen wirklich alle in unserm Land, dass sowohl West- als auch Ostdeutsche Soli zahlen? Es geht darum, jetzt aktiv etwas zu verändern, jetzt Ostdeutsche an der Entwicklung dieses Landes mehr und deutlicher teilhaben zu lassen. |