In Brandenburg sind laut Wirtschaftskammern die Geschäftsführer oder Inhaber von rund 90.000 Unternehmen über 55 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren steht ihre Nachfolge an. Die brandenburgischen Kammern, die Bürgschaftsbank Brandenburg und das Wirtschaftsministerium des Landes forcieren die Suche nach Lösungen. Ein Beitrag von Wirtschaft+Markt.

Handwerkskammer Cottbus. Abbildung: Matthias Salm
Laut KfW-Mittelstandsatlas sind die Inhaber im brandenburgischen Mittelstand im Durchschnitt 54 Jahre alt und verfügen über 24 Jahre Branchenerfahrung. 21 Prozent der Unternehmen werden von Frauen geführt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre, so schätzt die KfW, liegt der Anteil der von der Nachfolgeproblematik betroffenen KMU bei zehn Prozent. Die brandenburgischen Kammern gehen konkret von 90.000 Unternehmen aus, deren Geschäftsführer bzw. Inhaber spätestens in zehn Jahren das Ruhestandsalter erreichen.
Die brandenburgischen Kammern, die Bürgschaftsbank Brandenburg und das Wirtschaftsministerium des Landes forcieren deshalb die Suche nach Lösungen für die Nachfolgeproblematik. Eines der Projekte: die Nachfolgezentrale Brandenburg. Sie orientiert sich an der bereits erfolgreich etablierten Nachfolgezentrale in Mecklenburg-Vorpommern. Mittels einer eigens entwickelten Software bringt die Nachfolgezentrale die nachfolgesuchenden Unternehmer mit potenziellen Übernehmern zusammen. Träger des gemeinsamen Projektes der Kammern und der Bürgschaftsbank Brandenburg ist die Handwerkskammer Cottbus. Das brandenburgische Wirtschaftsministerium fördert die Nachfolgezentrale Brandenburg für den Zeitraum bis 2027 mit 1,2 Millionen Euro.
Seit Oktober letzten Jahres können sich Unternehmer auf Nachfolgesuche auf dem Onlineportal der Nachfolgezentrale kostenfrei registrieren. Dort werden wichtige Daten zum Unternehmen wie Branche, Umsätze oder Beschäftigtenzahl abgefragt. Ebenso können dort potenzielle Nachfolger ihre Vorstellungen zu einer Unternehmensübernahme hinterlegen. Die Nachfolgezentrale führt dann anhand der Angaben einen Matching-Prozess durch. Finden sich ausreichend Übereinstimmungen, prüfen die Mitarbeitenden der Nachfolgezentrale, ob ein Gespräch zwischen den potenziellen Partnern lohnenswert erscheint und stellen im positiven Fall den Kontakt her.
„Die Nachfolgezentrale ist auf eine sehr positive Resonanz gestoßen“, bewertet Anja Beck, Bereichsleiterin Unternehmensberatung bei der Handwerkskammer Cottbus, den Start des Projekts. Gegenwärtig sind 160 nachfolgesuchende Unternehmen registriert. Auch aufseiten potenzieller Nachfolger ist das Interesse groß. „Da haben wir aktuell 250 Registrierungen“, sagt Anja Beck. Den Erfolg der Nachfolgezentrale erklärt sich die Kammerexpertin vor allem mit der größeren Vertraulichkeit im Suchprozess gegenüber anderen Nachfolgebörsen.
Landesregierung unterstützt Initiativen
Auch das Land Brandenburg hat die Bedeutung des Themas erkannt und unterstützt finanziell die Aktivitäten der Wirtschaftskammern. Basis dafür ist die Unternehmensnachfolgerichtlinie, ein Förderprogramm der Investitionsbank Brandenburg. Die Handwerkskammer Potsdam und die IHK Potsdam kooperieren mittlerweile eng in dieser Frage und wollen gemeinsame Formate für ihre Mitgliedsunternehmen anbieten.
Zu diesen Formaten gehört der „Nachfolgesalon“, bei dem sich im kleinen Kreis Unternehmen mit Beratern und Experten der Handwerkskammer und der IHK Potsdam zum Thema Nachfolge austauschen können. Ein weiteres Angebot mit Vorträgen zur Unternehmensnachfolge, Nachfolger-Pitches und Netzwerken ist die „Nachfolgekonferenz” der beiden Kammern. Die größte Nachfolgeveranstaltung im Land, die nexxt-night, bringt Unternehmerinnen und Unternehmer zusammen, die die Nachfolge Ihres Lebenswerks bereits gemeistert haben.
Die Handwerkskammer Potsdam wiederum unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe mit einem kostenlosen „Nachfolge-Check“. Nach einem persönlichen Gespräch erhält jeder Betriebsinhaber dabei einen persönlichen Nachfolgefahrplan. Und beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg (BPW) schließlich wendet sich die „BPW-Nachfolgewoche“ an junge Gründer, um sie über die Möglichkeiten einer Gründung im Rahmen der Nachfolge zu informieren. Die IHK Ostbrandenburg hat das Projekt „Sensibilisierung Unternehmensnachfolge” mit Anlaufstellen in jedem der IHK-Regionalcenter ins Leben gerufen, um Nachfolgeprojekte vor Ort durch eine persönliche Beratung zu unterstützen.
Bürgschaftsbank Brandenburg hilft bei der Finanzierung
Auch für die Bürgschaftsbank Brandenburg spielen Nachfolgefinanzierungen eine zunehmend wichtige Rolle. Gemeinsam mit der KfW haben die Bürgschaftsbanken jüngst ein Programm für Gründungen und Nachfolgen aufgelegt. Es richtet sich speziell an Nachfolgeinteressierte. Die Hausbanken werden dabei bei der Nachfolgefinanzierung durch eine hundertprozentige Garantie der Bürgschaftsbank vollständig vom Kreditausfallrisiko entlastet. 2023 wurde bereits jede dritte ausgereichte Bürgschaft der Brandenburger Bürgschaftsbank im Rahmen einer Unternehmensnachfolge vergeben.
Ein Beispiel für eine Nachfolgefinanzierung mithilfe der Bürgschaftsbank Brandenburg ist die Nico Garz Malereibetrieb GmbH aus Wandlitz. Michael Menges und Marc-Alexander Seiffert haben zusammen mit Sven Sperlich den 1998 vom Namensgeber Nico Garz gegründeten Handwerksbetrieb übernommen. Die Wandlitzer genießen dank eines selbst entwickelten, innovativen Verfahrens zur Herstellung von Wärmedämmverbundsystemen einen guten Ruf in der Region. Durch den Bau von neuen Eigenheimsiedlungen im Berliner Umland sind die Auftragsbücher des Handwerksbetriebs gut gefüllt.
Der bisherige Betriebsleiter Sven Sperlich führt nun das operative Geschäfts. Doch Sperlich wollte den Betrieb nicht allein übernehmen. So sind Marc-Alexander Seiffert und Michael Menges als Mitgesellschafter ins Unternehmen eingestiegen. Seiffert selbst ist Chef eines Fußbodenlegerbetriebs, den er vor zwei Jahren ebenfalls im Rahmen einer Nachfolge in Berlin übernommen hat. Aus seiner Sicht bietet eine Nachfolge eine solide Basis für wirtschaftlichen Erfolg: „Es ist ein Weg, der nicht so oft beschritten wird, der aber sehr attraktiv ist“, sagt Seiffert, der selbst einer Unternehmerfamilie entstammt. Nach Jahren beruflicher Tätigkeit in Konzernen erwachte schließlich auch in ihm der Unternehmergeist. Sein Mitstreiter bei der Nico Garz GmbH, Michael Menges, wiederum war einst Seifferts Vorgesetzter bei einer früheren gemeinsamen Tätigkeit in einem Münchener Dax-Konzern.
Mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen sich die drei Gesellschafter im täglichen Geschäft. Seine Motivation, den Malereibetrieb zu übernehmen, sieht Seiffert auch als gesellschaftliche Aufgabe: „Es gibt ganz viel unternehmerisches Wissen in Unternehmen, die zur Nachfolge anstehen. Das müssen wir in Deutschland bewahren.“
Auf die Nico Garz GmbH stießen Seiffert und Menges über eine Unternehmerbörse. „Wir haben recht schnell zum Inhaber Kontakt aufgenommen. Für uns war es wichtig, dass es menschlich zwischen den Beteiligten sofort gestimmt hat“, erinnert sich Michael Menges an die ersten Begegnungen. Die Nachfolgeplanung beim Altinhaber Nico Garz erstreckte sich über rund zwei Jahre, die eigentliche Unternehmensnachfolge vollzogen die Beteiligten dann innerhalb eines halben Jahres.
Neuausrichtung und Zukunftspläne
Dem Wunsch des Altinhabers Nico Garz, dass die Selbständigkeit seines Unternehmens gewahrt bleibt und die neuen Gesellschafter Sperlich in seiner Arbeit unterstützen, sind Seiffert und Menges gern gefolgt. Sie kümmern sich nun beispielsweise um die Digitalisierung des Unternehmens, das Marketing, die Personalpolitik und die langfristigen finanziellen Strategien. „Wir sind keine klassischen Investoren, denen es nur um die Rendite geht“, betonen Menges und Seiffert unisono.
Informationen für Nachfolgesuchende in Brandenburg
Nachfolgezentrale Brandenburg In Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern in Brandenburg bietet die Nachfolgezentrale Brandenburg auch regelmäßig Beratungssprechtage in den Kammerbezirken an. Termine gibt es auf der Website. Bürgschaftsbank Brandenburg Die Bürgschaftsbank Brandenburg bietet auf ihrem Portal eine Checkliste zur Nachfolge und einen Unternehmenswertrechner an. Industrie- und Handelskammern Eine Übersicht zu Nachfolgeveranstaltungen der Kammern findet sich hier. Unternehmensnachfolge in Ostdeutschland Weitere Informationen und Ansprechpartner für Erstberatung, Finanzierung und Matching aus den ostdeutschen Bundesländern inklusive Berlin stehen auf der Seite der Initiative Nachfolge Ostdeutschland NFOst.de bereit. |
Ein Beitrag des Redaktionsnetzwerks Wirtschaft+Markt.