Wirtschaft+Markt (W+M) sprach mit Daniel Keller, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Landes Brandenburg, über die Lage der Brandenburger Wirtschaft, über Erwartungen an die künftige Bundesregierung, die Transformation in der Lausitz und die Perspektiven für PCK Schwedt.

Daniel Keller, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Landes Brandenburg. Abbildung: W+M
W+M: Sie sind jetzt etwa 100 Tage (seit 11. Dezember 2024) im Amt des Ministers für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Landes Brandenburg. Haben Sie sich gut eingelebt?
Daniel Keller: Die wirtschaftliche Situation in Brandenburg ist durchaus anspruchsvoll, deshalb ging es sofort zur Sache. Da fehlt die Zeit, um allzu viel darüber nachzudenken, was in 100 Tagen alles passiert ist. Es galt, mit den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Verbänden, den Kammern und den Gewerkschaften zügig in Kontakt zu treten. Allerdings war ich vor meinem Amtsantritt Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Daher waren mir Partner schon vertraut, sodass Vorstellungsgespräche nicht erforderlich waren – Antrittsbesuche schon.
W+M: Was bringen Sie als Wirtschaftsminister mit, das Sie besonders macht?
Daniel Keller: Ich bin dankbar dafür, dass der Ministerpräsident mir im Dezember 2024 das Vertrauen ausgesprochen hat, dieses Amt auszuführen. Zu meinen Stärken zähle ich Entscheidungsfreude und Tempo. Aus meiner Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender habe ich Erfahrungen damit, Mehrheiten zu organisieren. Das wird alles wichtig sein, um die vor uns liegenden Aufgaben im Land zu meistern und unsere Forderungen gegenüber dem Bund durchzusetzen. Gerade mit Blick auf die sich neu bildende Bundesregierung müssen wir jetzt die Themen aus der Wirtschaft in die Bundespolitik transportieren.
Zu meinen Stärken zähle ich Entscheidungsfreude und Tempo.“
W+M: Welche Erwartungen verbinden Sie als Wirtschaftsminister Brandenburgs mit der neuen Regierung?
Daniel Keller: Unternehmer und Unternehmerinnen sind Risikomanager. Um sich für Investitionen entscheiden zu können, brauchen sie klare Rahmenbedingungen für Zeiträume über fünf, zehn oder 20 Jahre. Diese Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen. Es ist für die Wirtschaft wichtig zu wissen, wie sich der Strom- oder der Wasserstoffpreis entwickelt. Wir haben hier klare Vorstellungen. Die Stromsteuer muss auf ein europäisches Mindestmaß begrenzt werden. Und um die Transformation weiter voranzutreiben, brauchen wir einen zeitlich befristeten Industriestrompreis, um den Unternehmen die Zeit zu verschaffen, die notwendigen Investitionen auch zu tätigen.
Das Zweite ist, dass wir die aktuellen Beschlüsse zur Änderung des Grundgesetzes sehr begrüßen. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder betont, dass die Schuldenbremse keine Investitionsbremse sein darf. Gerade in Krisenzeiten müssen Bund, Länder und Kommunen in die Lage versetzt werden, klug zu investieren. Wir als Land werden wieder kreditfinanziert investieren können, was bislang nicht möglich ist.
Und drittens wollen wir die Transformation der Wirtschaft gemeinsam mit der Wirtschaft und nicht nur aus der Perspektive der CO2-Einsparung gestalten. Bei den Debatten um die CO2-Bepreisung müssen wir auch die tatsächliche Nachfrage nach CO2-neutralen Produkten sehen. Hier braucht es weniger Ideologie und mehr Pragmatismus. Ich bin aber guten Mutes, dass die neue Bundesregierung das hinbekommt.
W+M: Berlin will die fehlenden Verbindungen am BER und das Thema Wasserstoff in die Koalitionsverhandlungen einbringen. Sind das auch Ihre Themen oder welche Forderungen hat Brandenburg an die neue Regierung?
Daniel Keller: Berlin und Brandenburg sind eine Metropolregion und wir arbeiten eng zusammen, nicht nur bei Infrastruktur und Verkehr, sondern auch bei der Energieversorgung. So soll die Region von der Anbindung an das Wasserstoff-Kernnetz profitieren. Dass wir die wirtschaftliche Kompetenz rund um den BER voll ausnutzen wollen, liegt auf der Hand, da wir gemeinsam mit dem Bund Gesellschafter sind. Deshalb gibt es eine Reihe von Themen, die wir gemeinsam adressieren. In den aktuellen Koalitionsverhandlungen sind beispielsweise Ministerpräsident Dietmar Woidke in der Arbeitsgruppe Energie und die Wirtschaftssenatorin Berlins, Franziska Giffey, in der Arbeitsgruppe Wirtschaft vertreten.

Wirtschaftsminister Daniel Keller (r.) im Gespräch mit Frank Nehring, Herausgeber Wirtschaft+Markt. Abbildung: W+M
W+M: Die Bundesregierung will ein großes Investitionspaket für die Infrastruktur auflegen. Haben Sie schon eine To-do-Liste?
Daniel Keller: Ich habe noch nie gehört, dass es Bundesländer gibt, die bei der Möglichkeit zusätzlicher Investitionen lange überlegen müssen. Für die Wirtschaft werden wir zusätzliche Mittel einsetzen, um die Unternehmen bei der Transformation zu begleiten. Hier geht es um die Kofinanzierung von Europa- und Bundesförderungen, aber auch um eigene Landesförderungen. Für die Kommunen geht es um eigene Investitionen beziehungsweise zinsvergünstigte Förderproramme über die Investitionsbank des Landes Brandenburg. Beim Thema Investitionen und Infrastruktur ist die Liste der Vorhaben lang, allerdings legen wir Wert darauf, die Gelder zielgerichtet und nicht konsumtiv auszugeben. Wichtig ist mir auch, dass wir neben der Transformation für unsere Unternehmen gute Bedingungen für Ansiedlungen von Zukunftsindustrien schaffen, beispielsweise in der Energiewirtschaft oder mit neuen Technologien im Bereich der medizinischen Produkte. Hier geht es auch um neue Arbeitsplätze und Berufsbilder.
W+M: Auch in Fragen der Sicherheit und in die Ertüchtigung der Bundeswehr soll massiv investiert werden. Wie stehen Sie möglichen Investitionen der Rüstungsindustrie in Brandenburg gegenüber?
Daniel Keller: Wir sagen ganz klar, wenn Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst im Auftrag des Grundgesetzes leisten, werden wir sie als Land dabei bestmöglich unterstützen. Wir stehen einer Erweiterung der Standorte offen gegenüber. Auch wenn Unternehmen der Rüstungsindustrie sich hier in Brandenburg ansiedeln möchten, stehe ich dem sehr offen gegenüber. Die Rüstungsindustrie ist in Brandenburg willkommen.
W+M: Wie bewerten Sie die Brandenburger Wirtschaft 2024/25? Welche Branchen/Unternehmen sind Hoffnungsträger, welche Sorgenkinder?
Daniel Keller: Noch 2024 hat sich die wirtschaftliche Situation im Land gegenüber dem Bundesdurchschnitt als sehr robust dargestellt. Allerdings merken wir in diesem Jahr eine Angleichung an den Bundestrend. Große Herausforderungen haben wir in der Grundstoffindustrie, in unseren Stahlwerken in Hennigsdorf und Eisenhüttenstadt, die als energieintensive Unternehmen stark belastet sind. Auch der Automotivbereich hat Probleme. Die Automobilhersteller sowie die Zulieferer haben mit gesunkener Nachfrage bei der E-Mobilität zu kämpfen. Positiv hervorzuheben ist die Luft- und Raumfahrt, die stark wächst und neue Arbeitsplätze entstehen lässt. Ebenso gut entwickeln sich Teile der chemisch-pharmazeutischen Industrie von BASF Schwarzheide über Takeda bis hin zu Orafol, wo gerade entschieden wurde, weitere 100 Millionen Euro am Standort Oranienburg zu investieren.
Positiv hervorzuheben ist die Luft- und Raumfahrt, die stark wächst und neue Arbeitsplätze entstehen lässt.“
W+M: Wo erkennen Sie im Land die wesentlichen Transformationserfolge?
Daniel Keller: Die größte Transformation findet in der Lausitz mit der LEAG statt. Weg von der Fossilität und hin zu neuen Industrien mit den Kompetenzen der Industriebranche hinsichtlich Speichertechnologien und der Produktion erneuerbarer Energien ist ein großes Vorhaben. Aber auch im Rahmen der Kraftwerkssicherheitsstrategie für die Netzstabilität zu sorgen, ist nicht trivial. Wir transformieren hier nicht ein Unternehmen, sondern eine ganze Region. Und wir sind auf einem sehr guten Weg, was den Erhalt der Wertschöpfung anbelangt. Für Transformation stehen auch das PCK Schwedt oder das Projekt Concrete Chemicals in Rüdersdorf. Hier wandelt die Firma Enertrag CO2 von Cemex mittels einer Elektrolyseanlage zu E-Fuels. Durch die Nutzung von CO2 kann eine komplett neue Wertschöpfungskette entstehen. Wir sind hier in Aufbruchstimmung.
W+M: Wie steht es konkret um die Zukunft des Raffineriestandorts Schwedt?
Daniel Keller: Die Ausgangslage nach Beendigung der russischen Öllieferungen war, dass die alte Bunderegierung, speziell Wirtschaftsminister Robert Habeck, mit Zuversicht verkündete, dass Kompensationen möglich seien und der Markt das regeln würde. Jetzt, drei Jahre danach, können wir feststellen, dass durch den Druck vor Ort, durch die Landesregierung und letztlich auch durch das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium kein einziger Arbeitsplatz abgebaut wurde und die Raffinerie bei einer Auslastung von nahezu 80 Prozent liegt. Das entspricht in etwa dem Niveau westdeutscher Raffinerien. Zudem ist es gelungen, die Treuhänderschaft zu verlängern. Das steht auf der Positivseite.
Die Enttäuschung in Schwedt bezieht sich auf noch nicht eingelöste Versprechen des Bundes wie die Bereitstellung von 400 Millionen Euro für die Ertüchtigung der Pipeline nach Rostock. Die Unruhe in Schwedt ist für mich insofern nachvollziehbar. Wir haben eine klare Position dazu, dass nach Beendigung des Krieges in der Ukraine auch wieder die Möglichkeit besteht, russisches Öl zu importieren. Die aktuelle Diskussion darüber ist allerdings verfrüht.
W+M: Wie steht es um neue Ansiedlungen? Sind größere Ansiedlungen noch möglich?
Daniel Keller: Natürlich wollen wir auch künftig neue Unternehmen in Brandenburg ansiedeln. Voraussetzung dafür sind erschlossene Gewerbeflächen. Gerade große Flächen sind allerdings rar. Deshalb sind wir auf kommunaler Ebene bemüht, mit der Wirtschaftsförderung Brandenburg und unseren Instrumenten rasch neue Flächen zu erschließen. Dazu ist es notwendig, den Umgang mit Landschaftsschutzgebieten zu flexibilisieren. Um eines gleich klarzustellen: Es geht nicht darum, die Flächen zu reduzieren. Es gibt aber Möglichkeiten, realistischer und pragmatischer damit umzugehen.
W+M: Die Absatzzahlen von Tesla in Deutschland sind eingebrochen. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Brandenburger Tesla-Werks?
Daniel Keller: Im Vergleich zu den allgemeinen Problemen in der Automotivbranche hat Tesla noch gute Rahmenbedingungen, weil viele der in Grünheide produzierten E-Autos über Europa hinaus exportiert werden. Es gibt keine Anzeichen für einen Arbeitsplatzabbau wie bei anderen Fahrzeugherstellern. Wir haben hier über 11.000 gut bezahlte Industriearbeitsplätze – und das ist, was zählt.
Im Vergleich zu den allgemeinen Problemen in der Automotivbranche hat Tesla noch gute Rahmenbedingungen.“
W+M: Das Thema Unternehmensnachfolge ist in Ostdeutschland besonders brisant. Wie wollen Sie in Brandenburg dem Thema gerecht werden?
Daniel Keller: Das Thema Unternehmensnachfolge ist für uns von großer Bedeutung, da allein in den nächsten Jahren etwa 47.000 Unternehmerinnen und Unternehmer einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen. Aus dem Grund haben wir gemeinsam mit den Kammern im Land eine Plattform geschaffen, die Verkäufer und potenzielle Nachfolger zusammenbringt. Diese Nachfolgezentrale ist vor kurzem an den Start gegangen.
Mir ist auch wichtig, Start-ups auf die Möglichkeit hinzuweisen, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen. Nicht jeder muss bei null beginnen. Bei Start-ups und Neugründern haben wir auch finanzielle Möglichkeiten der Unterstützung. Wir eröffnen aktuell in den drei Kammerbezirken Start-up-Zentren und werden auch dort das Thema Unternehmensnachfolge ansprechen. Auch bei der Unterstützung der Meisterausbildung überlegen wir, den Gründungs- bzw. Nachfolgegedanken stärker in den Blick zu nehmen.
Nicht jeder muss bei null beginnen.“
W+M: Wie steht es um Modernisierung der Verwaltung in Brandenburg, um beispielsweise Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen?
Daniel Keller: Das Thema steht ganz weit oben auf unserer Agenda. Der Landtagssonderausschuss zum Bürokratieabbau ist gebildet. Hier wirken wir als Landesregierung aktiv mit und haben darüber hinaus flankierende Strukturen in der Staatskanzlei und den Ministerien eingerichtet. Wichtig ist mir, dass es zu einem Mentalitätswechsel kommt. Aktuell werden Unternehmen, ob groß oder klein, mit zahllosen Berichtspflichten und Auflagen überzogen. Wir brauchen eine Mentalität des Vertrauens. Konkret bedeutet das, dass wir schon 100 Tage nach der Regierungsbildung eine Reform der öffentlichen Vergaben angestoßen haben. Künftig werden Land und Kommunen Leistungen bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro direkt beauftragen können. Bis Ende 2024 lag diese Wertgrenze bei 1.000 Euro. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen können sich so leichter um öffentliche Aufträge bewerben, weil sie keine komplizierten Vergabeverfahren mit zahlreichen Nachweisen durchlaufen müssen. Davon erhoffen wir uns einen großen Investitionsimpuls und ein Konjunkturprogramm für die kleinen und mittleren Unternehmen.
Auch die Reduzierung von Berichtsverpflichten wird ein wichtiges Thema sein. Vorschläge seitens der Kammern liegen uns vor. Allerdings sind viele Vorschriften durch den Bund oder die EU ausgelöst, sodass schnelle Ergebnisse nur schwer erreicht werden können. Aber wir sind dran und werden aus den Ländern heraus Vorschläge an den Bund erarbeiten.
Bei den Förderrichtlinien sehen wir ebenfalls Möglichkeiten zur Vereinfachung. Wir werden – wo möglich – pauschale Förderungen prüfen und den Einsatz digitaler Verfahrenserleichterungen auch durch Einsatz von KI vorantreiben – für die Antragstellung ebenso wie für die Bearbeitung.
Sicher gibt es beim Abbau von bürokratischen Regelungen auch Skeptiker, aber ich bin für mehr Spielraum, für Maß und Mitte. Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren Aktivitäten tatsächlich zum Bürokratieabbau beitragen können. Natürlich wird es auch weiterhin Regularien und Berichtspflichten geben – aber eben nur da, wo sie auch begründet sind. Wichtig wird sein, auch darüber zu informieren.
W+M: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Frank Nehring vom Redaktionsnetzwerk Wirtschaft+Markt.
![]() Daniel Keller Daniel Keller wurde am 11. Dezember 2024 zum Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Landes Brandenburg ernannt und ist seitdem auch Mitglied des Bundesrates. Seit 2019 ist er als direkt gewählter Abgeordneter Mitglied des Landtages Brandenburg. Im Potsdamer Süden geboren und aufgewachsen hat er sich auch neben der Politik eingebracht. Nach seinem Abitur an der Eliteschule des Sports in Frankfurt (Oder) leistete er von 2006 bis 2011 Bundeswehrdienst. Anschließend machte er sich 2012 mit einem kleinen Unternehmen in Potsdam selbstständig, mit welchem er Dienstleistungen im Bereich Sport anbot. Gleichzeitig engagierte er sich bei seinem Heimatverein SV Motor Babelsberg. Später übernahm er als Präsident des Brandenburgischen Judo-Verbandes (2017 bis 2019) und Präsident des Deutschen Judo-Bundes (2019 bis 2021) Verantwortung für den deutschen Judosport. Von 2021 bis 2024 absolvierte er ein Studium der Politikwissenschaften, Verwaltungswissenschaften und Soziologie an der FernUniversität Hagen, welches er erfolgreich mit einem Bachelor of Arts abschloss. |