In seinem Buch „Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört“ legt Volker Weiß eine scharfsinnige Analyse der ideologischen Strategien der Neuen Rechten vor. Er widmet sich auch deren vereinnahmender Umdeutung von Begriffen aus DDR und Wende.
Der Titel ist bewusst doppeldeutig gewählt: Er spielt mit dem Begriff der DDR, zielt aber auf eine dystopische Vision ab – ein autoritäres, völkisches, demokratiefeindliches Deutschland, das sich gegen die Moderne wendet. Weiß zeigt, wie rechte Akteure historische Narrative gezielt umdeuten, um demokratische Grundwerte zu untergraben und den westlichen Liberalismus durch eine autoritäre Gegenmoderne zu ersetzen. Dabei wird deutlich, wie ähnlich sich AfD, Putin und Trump in der Wahl ihrer Mittel und Methoden sind. Im Zentrum steht die sogenannte „Resignifikation“: Begriffe wie Freiheit, Volk, Nation oder Antifaschismus werden neu besetzt und mit autoritären, antiwestlichen Inhalten gefüllt. Dies geschieht etwa bei der Verdrehung des Nationalsozialismus zur „linken Bewegung“, in der nostalgischen Aufladung von Ostpreußen oder in der Neudeutung von Putins Russland als Hüter „abendländischer Werte“.
Das Buch schildert eindrucksvoll, wie Geschichte zur politischen Kampfzone wird – und wie die extreme Rechte daran arbeitet, eine eigene, revisionistische Lesart des 20. Jahrhunderts zu etablieren. Deren Ziel ist nicht Erinnerung oder Aufarbeitung, sondern Machtgewinn über Deutung und Identität. So werden alte Mythen mit neuen Feindbildern verbunden: gegen den Liberalismus, gegen die EU, gegen queere Lebensweisen und gegen die offene Gesellschaft. Russland wird dabei zunehmend zur Projektionsfläche für eine autoritäre Gegenmoderne, für konservative Sehnsüchte nach Ordnung, Stärke und Tradition – was zu seltsamen Allianzen zwischen westlichen Rechten und dem Kreml führt.
Eine wichtige Funktion übernimmt dabei der Osten Deutschlands, der zum Gegenentwurf des als dekadent verunglimpften Westens hochstilisiert wird. Weiß beobachtet eine strategische Besetzung „ostdeutscher Authentizität“, etwa durch die Verwendung entsprechender Symbole, Begriffe und Objekte (zum Beispiel Trabbi, Simson, Braunkohle, Broiler). Der Osten wird damit nicht nur sozialpolitisch, sondern auch kulturell als Alternativmodell zur westdeutschen Republik inszeniert. Rechte Akteure verwenden bewusst geschichtsbeladene Begriffe wie „Ermächtigungsgesetz“ oder „Schutzwall“, um aktuelle Politik (etwa Pandemiemaßnahmen) mit NS- und DDR-Repression gleichzusetzen. Mit Slogans wie „Wende 2.0“ oder „Wir sind das Volk“ wird zudem die DDR-Opposition vereinnahmt, obwohl sich die Zielrichtung vehement unterscheidet. „Simson statt Lastenrad“ – mit solchen Parolen habe es die Neue Rechte geschafft, Teile der aufkeimenden Ostidentität rechts zu besetzen.
Der Autor bringt für sein Werk nicht nur Sachkenntnis mit, sondern auch langjährige Erfahrung mit der Thematik. Volker Weiß ist Historiker und Publizist. Seit zwei Jahrzehnten schreibt er über die extreme Rechte in Deutschland – unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Spiegel Online und Jungle World. Diese Qualifikation merkt man seinem Buch an. Überaus versiert, mit analytischer Tiefe versehen und historisch fundiert entlarvt er mit journalistischer Präzision rechte Geschichtspolitik als strategische Desinformation und legt dar, warum sich Politik und Gesellschaft gegen derartige Umdeutungen entschieden verteidigen müssen. Ein Buch, das viel wichtiger ist, als es sein sollte.
BUCHTIPP:
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