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Im Osten nichts Neues #6: Дружба heißt Freundschaft. Gedanken zum 8. Mai

In sei­ner sechs­ten Kolum­ne schreibt Dani­el Heid­rich über ost­deut­sche Selbst­täu­schung, DDR-Pro­pa­gan­da und rus­si­sche Kriegs­füh­rung – gewohnt direkt und aus per­sön­li­cher Perspektive.

Daniel Heidrich wurde 1975 in Berlin-Köpenick geboren. Er ist ein erfolgreicher und meinungsstarker ostdeutscher Unternehmer. ebk-gruppe.com

Dani­el Heid­rich wur­de 1975 in Ber­lin-Köpe­nick gebo­ren. Er ist ein erfolg­rei­cher und mei­nungs­star­ker ost­deut­scher Unter­neh­mer. ebk-gruppe.com

„Wir wis­sen jetzt, dass wir kei­ne Euro­pä­er sein kön­nen, dass wir nicht imstan­de sind, uns in eine der west­li­chen Lebens­for­men zu pres­sen, die Euro­pa aus sei­nen eige­nen natio­na­len Prin­zi­pi­en her­aus geschaf­fen und erlebt hat, Prin­zi­pi­en, die uns fremd und zuwi­der sind.“ (Fjo­dor Michai­lo­witsch Dos­to­jew­ski, 1860)

Am 18. Novem­ber 1988 ver­bot die DDR die Aus­lie­fe­rung der Zeit­schrift Sput­nik, ein ins Deut­sche über­setz­tes Maga­zin aus der Sowjet­uni­on, das im Zuge von Glas­nost und Pere­stroi­ka fri­schen Wind in die Pres­se­land­schaft brach­te. Zu klar wur­de, dass „die Freun­de“ – allen vor­an Sta­lin – auch Mör­der waren. Die ost­deut­sche Selbst­täu­schung über Russ­land wur­de und wird nach der Wen­de ohne Zwang fort­ge­führt. Ein wah­rer Erfolg der DDR-Propaganda.

Mein Vater war der Chor­lei­ter des Erich-Wei­nert-Ensem­bles der NVA. Das Lied der Roten Fah­ne habe ich Dut­zen­de Male in mei­ner Kind­heit gehört. Ich kann es heu­te noch aus­wen­dig. „Ein Batail­lon trug eine rote Fah­ne, durch die­sen Krieg von Mos­kau nach Ber­lin, dass Frie­de sei und sie den Weg ihm bah­ne, hat sie sich selbst Unsterb­lich­keit ver­lie­hen. Vom roten Platz zog einst ein Batail­lon ins Feld …“ (Bodo Krautz, Joa­chim Werz­lau: „Eine rote Fah­ne“). Die Rote Armee war ver­hasst, wur­de bemit­lei­det und bewun­dert. Als die­se Armee abzog, waren wir Ost­deut­schen dank­bar. Dank­bar dafür, dass sie uns nicht über den Hau­fen schos­sen. So wie sie es eigent­lich immer taten. Heu­te wis­sen wir aus his­to­ri­schen Quel­len, dass die rus­si­schen Offi­zie­re in der DDR völ­lig fas­sungs­los dar­über waren, dass sie die Revo­lu­ti­on 1989 gesche­hen las­sen muss­ten (sie­he Kowal­c­zuk: „End­spiel“). Unse­re Freun­de saßen mit gela­de­nen Kalasch­ni­kows in den Kaser­nen und war­te­ten auf den Schieß­be­fehl. Unter ihnen Wla­di­mir Putin. Die „größ­te geo­po­li­ti­sche Kata­stro­phe des 20. Jahr­hun­derts“ (W. Putin) nahm in Ost­deutsch­land ihren Lauf.

Die Frie­dens­ar­mee des War­schau­er Pakts war nach Pots­dam und Jal­ta im Krieg mit Japan, Est­land, Litau­en, Lett­land, Chi­na, Ungarn, der Tsche­cho­slo­wa­kei und Afgha­ni­stan. Die Sowjet­uni­on war das ein­zi­ge Land der Neu­zeit, das kon­se­quent Ver­bün­de­te und Nach­barn über­fiel oder durch mili­tä­ri­sche Dro­hun­gen Inter­ven­tio­nen erzwang. Am Beginn des Zwei­ten Welt­kriegs war die Sowjet­uni­on ein Ver­bün­de­ter der Nazis und über­fiel Finn­land und Polen. Der Mas­sen­mord unter den pol­ni­schen Offi­zie­ren wird beim Ehren unse­rer Befrei­er völ­lig ver­ges­sen. Die Blut­spur der „Freun­de“ zog sich wei­ter fort. Süd­os­se­ti­en 1991, Trans­nis­tri­en 1992, Ost-Pri­go­rod­ny 1992, Abcha­si­en 1992, Tadschi­ki­stan 1992, Tsche­tsche­ni­en 1994, Dage­stan 1999, Tsche­tsche­ni­en 1999, Koso­vo 1999, Geor­gi­en 2008, Krim 2014, Syri­en 2015, Liby­en 2018, Mosam­bik 2019, Berg­ka­ra­bach 2020, Kasach­stan 2022, Ukrai­ne 2022. Die rus­si­sche Art des Krie­ges kos­te­te min­des­tens 250.000 Zivils­ten das Leben.

„Ja, aber die Amerikaner …“.

Uns „Ost­deut­sche“ umgibt den­noch eine gewis­se Melan­cho­lie, wenn wir an Russ­land den­ken. „Wir ken­nen die Rus­sen.“ Das ist die gro­ße Erzäh­lung. Ein gan­zes Volk lern­te Rus­sisch, aber außer достопримечательностей kann es kaum jemand wirk­lich spre­chen. „Wir“ wis­sen nichts über die Ver­än­de­rung in der rus­si­schen Gesell­schaft. Über das Kon­zept der Русский мир (Rus­si­sche Welt) und das Auf­lö­sen der Staa­ten, an deren Stel­le die Ord­nung der Groß­räu­me mit einem „Inter­ven­ti­ons­ver­bot raum­frem­der Mäch­te“ tritt. Carl Schmitt (1888-1985) ist die heu­ti­ge Grund­la­ge rus­si­scher Geo­po­li­tik. „Russ­lands Gren­zen enden nir­gend­wo.“ (Pla­kat mit W. Putin in Russ­land). „Müt­ter­chen Russ­land“ bedeu­tet nichts wei­ter als die len­ken­de Hand über alle Sla­wen­völ­ker und dar­über hin­aus zu sein. „Der gro­ße Bru­der“ ver­langt Gehor­sam vom klei­nen und legi­ti­miert maß­lo­se Gewalt, wenn er nicht pariert. „Die rus­si­sche See­le“, ein Gedan­ke der rus­si­schen Lite­ra­tur, wel­cher nichts wei­ter bean­sprucht als anders und dem Wes­ten über­le­gen zu sein. Die Men­schen­ver­ach­tung des rus­si­schen Sys­tems war den DDR-Bür­gern wohl­be­kannt und den­noch bis heu­te woh­ligno­riert. Ich den­ke, „wir“ Ost­deut­sche ver­wech­seln Russ­land per­ma­nent mit der UdSSR. Aus einer men­schen­ver­ach­ten­den Sta­tus-quo-Macht wur­de 2014 end­gül­tig ein revi­sio­nis­ti­scher Staat mit eben die­sen men­schen­ver­ach­ten­den Wur­zeln. Ich fin­de, man kann Russ­land nicht vor­wer­fen, eine Groß­macht mit einer Ein­fluss­zo­ne sein zu wol­len. Aber man kann uns Ossis vor­wer­fen, unter dem Deck­man­tel des Anti­ame­ri­ka­nis­mus das zu unterstützen.

Der Wes­ten wird mit den „Freun­den“ irgend­wann über­ein­kom­men. Als Fein­de ste­hen wir uns dann gegen­über, denn der Feind ist im Welt­bild Schmitts essen­zi­ell. Russ­land bekommt den Platz am Tisch der Gro­ßen, wel­cher ihm zusteht. Es wird eine Русский мир geben. Und obwohl мир Welt und Frie­den heißt, soll­ten gera­de wir Ost­deut­sche wis­sen, dass es in die­ser Welt kei­nen Frie­den gibt. Der Rest ist eine gro­ße Selbst­täu­schung. Der gro­ße Bru­der redet uns ein, dass wir schwach sind. Aber Schwä­che ist eine Entscheidung.

Am Tage der Über­nah­me in die Bun­des­wehr kam mein Vater mit der neu­en Uni­form nach Hau­se und sag­te zu mir: „Schau mal, ich bin jetzt mein eige­ner Feind“. Er sang ab sofort in Bun­des­wehr­ka­ser­nen und immer, wenn der Alko­hol in Strö­men floss, frag­ten die Offi­zie­re der Bun­des­wehr nach rus­si­schen Kriegs- und Kampf­lie­dern. Das Lied der roten Fah­ne fehl­te wohl nie. So sang und soff man sich das The­ma Sowjet­uni­on schön. Berauscht vom Wod­ka und vom „Ende der Geschich­te“ (Fran­cis Fuku­ya­ma). Stern­ha­gel­voll „Kat­ju­scha“ sin­gen und den Tag der Befrei­ung fei­ern, ist ja … im Osten nichts Neues.

 

„Im Osten nichts Neu­es“ von Dani­el Heid­rich: alle Kolum­nen auf einen Blick.

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