In seiner siebten Kolumne schreibt Daniel Heidrich über den Vermögensunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. Er beschreibt fehlende Chancen des vermeintlich abgehängten Landes zwischen Elbe und Oder und plädiert für Zuwanderung.

Daniel Heidrich wurde 1975 in Berlin-Köpenick geboren. Er ist ein erfolgreicher und meinungsstarker ostdeutscher Unternehmer. ebk-gruppe.com
Für Ostdeutschland und die Ostdeutschen gibt es im aktuellen politischen Klima keine Möglichkeit, die Wirtschaft der Zukunft anzusiedeln. Das Ergebnis wird eine dauerhafte Dienstleitungsgesellschaft mit einer nationalen Logik sein, in der Vermögensaufbau fast unmöglich ist.
In den nächsten 20 bis 30 Jahren wird das Ostdeutsche verschwinden. Damit verschwinden auch die Repräsentationslücke und die Ungerechtigkeit der Nachwendejahre. Was nicht verschwinden wird, ist der Vermögensunterschied im Land zwischen Elbe und Oder. Die Löhne erklären den riesigen Unterschied im Nettovermögen nicht. Der Anteil an Sozialhilfeempfängern im Osten ist mittlerweile geringer als in so manchen Westgebieten. Die Renten sind angeglichen. Der Osten ist längst nicht mehr so abgehängt, wie er sich selbst gern darstellt.
Den wesentlichen Unterschied zur alten Bundesrepublik machen bei der Höhe des Vermögens Immobilien- und Betriebsvermögen aus. Das sind die Vermögensarten, die einen erheblichen Teil der (West-)Deutschen hat reich werden lassen.
Der Wert einer Immobilie errechnet sich aus den zu erwartenden Erträgen zukünftiger Mieteinnahmen. Er gründet ebenfalls auf der Nachfrage dieses knappen Gutes. Die Inflation der letzten Jahre hat eine Menge Kapital auf diesen Markt fließen lassen. Die Folgen sind allen Großstädtern und Bewohnern wirtschaftlich starker Regionen bekannt. Grob kann man sagen: Wohnungsmieten +100 Prozent, Kaufpreise +200 Prozent. Der ländliche Osten ist von dieser Entwicklung fast ausgenommen. Die Kaltmieten in einer topsanierten Stadt wie Görlitz liegen aktuell zwischen vier und acht Euro pro Quadratmeter. Die Grundstückspreise in Gegenden wie Ostsachsen oder der Prignitz stehen still. Das heißt, sie fallen realwirtschaftlich ins Bodenlose. Es ist eigentlich unmöglich, wirtschaftlich sinnvoll in diese Gegenden zu investieren. Ein gebautes Haus ist im Moment des Einzuges ein abgeschriebener Vermögensgegenstand. Der Ruf nach Vermögensgleichheit und der damit implizit unterstellten Ungerechtigkeit ist ein Ruf der volkswirtschaftlich Ahnungslosen. Gerade dieser als abgehängt beschriebene Raum weist eine hohe Eigentumsquote bezüglich selbst genutzten Wohneigentums aus. Diese Eigentumsquote wäre normalerweise der Beginn von Vermögen und einer Erbschaftsfolge, welche das Vermögen der nächsten Generation durch eine zweite vermietete Immobilie deutlich anhebt. Die Vermögensgegenstände sind halt nur wertlos, weil es für sie keine nachhaltige Nachfrage gibt. Das abgehängte Ostdeutschland ist eigentlich eine einzige riesige, stille Immobilienreserve. Wenn da nicht der zweite Faktor wäre.
Analog zur Wertlosigkeit der Grundstücke ist die Bewertung der Unternehmen im Osten ebenfalls sehr gering. Vereinfacht gesagt, liegt das an der geringen Exportquote dieser Unternehmen. Das hat zwei Ursachen. Auf der Flucht vor den Russen flohen die Unternehmer östlich der Elbe in den Westen. Baupläne und Restvermögen inklusive. Man hatte sich schuldig gemacht im Dritten Reich. Im Westen bekamen sie eine neue Chance. Im Osten nur die Verachtung der Kommunisten. Die DDR-Planwirtschaft hat dann den Rest ruiniert. Die zweite Ursache waren die überhöhten Löhne nach der Währungsunion. Sie verhinderten jede Wettbewerbsfähigkeit mit Polen oder Tschechien. Was übrig blieb, war eine transferabhängige Dienstleistungsgesellschaft. Der deutsche Staat tat eigentlich alles, um diesen Nachteil wettzumachen. Er investierte Unsummen in die Infrastruktur und federte die sozialen Härten durch Transferleistungen ab. Ein optischer Vergleich zwischen Görlitz und Krefeld kann es deutlicher nicht beschreiben. Der Gedanke staatlicher Investitionen ist jedoch, dass private Investitionen folgen. Und die blieben in den oben beschriebenen Gegenden aus. Überall da, wo BMW, AMD, Porsche, Tesla etc. investierten, entstanden blühende Landschaften und mit ihnen entstand Vermögen. Ich wohne in Schöneiche bei Berlin (nähe Tesla). Die Ossiquote der Eigentümer ist wirklich hoch. Wir werden unseren Kindern ein ordentliches Vermögen in Immobilien hinterlassen. Der Grund: Die Nachfrage nach Grund und Boden ist ungebrochen. Und hier liegt das Problem des Ostens. Zuwanderung ist die einzige Lösung. Abwanderung das Ende des Vermögens. Menschen mit einem hohen Bildungsgrad sind die Basis für wertvolle Unternehmen. Wertvolle Unternehmen sind die Basis für Nachfrage am Mietmarkt. Das aktuelle gesellschaftliche Klima des Ostens ist aber menschen-, innovations- und damit vermögensfeindlich. Wer permanent die Eliten anfeindet, darf auch nicht „Ungerechtigkeit“ brüllen, wenn diese partout nicht zu einem ziehen wollen.
Wirtschaft ist Psychologie. Investieren ist Vertrauen in die Zukunft. Es war die Aufgabe des Staates, die Infrastruktur herzurichten. Nun ist es die Aufgabe der Ostdeutschen, den privaten Investoren die Hand zu reichen. Den eigenen Brass gegen den Westen abzulegen und Zuwanderung zu ermöglichen.
Die Alternative wäre eine lokale Verteilungswirtschaft mit hoher Anfälligkeit zur Korruption, die massiv auf westliche Zuwendung angewiesen ist. Die Alternative wäre also das politische und wirtschaftliche Modell Ungarns. Ein Leben voller Zerrissenheit, Nationalismus, Stolz, Selbstmitleid und einem dauerhaften Opfermythos. Ein Leben zwischen den Welten, weder Ost noch West, wäre … im Osten nichts Neues.
„Im Osten nichts Neues“ von Daniel Heidrich: alle Kolumnen auf einen Blick.