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Interview mit Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey: „Unsere Stärke ist die große Branchenvielfalt“

Wirt­schaft + Markt (W+M) sprach mit Fran­zis­ka Gif­fey, Ber­lins Sena­to­rin für Wirt­schaft, Ener­gie und Betrie­be, über die Erwar­tun­gen an die neue Bun­des­re­gie­rung, die Aus­wir­kun­gen der US-Poli­tik auf die Ber­li­ner Wirt­schaft und Erfol­ge der Haupt­stadt in der Ansiedlungspolitik.

Franziska Giffey, Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe im Gespräch mit Frank Nehring und Matthias Salm vom Redaktionsnetzwerk Wirtschaft+Markt. Abbildung: W+M

Fran­zis­ka Gif­fey, Ber­lins Sena­to­rin für Wirt­schaft, Ener­gie und Betrie­be, im Gespräch mit Frank Neh­ring und Mat­thi­as Salm vom Redak­ti­ons­netz­werk Wirtschaft+Markt. Abbil­dung: W+M

W+M: Frau Giffey, welche Hoffnungen verbinden Sie als Berliner Wirtschaftssenatorin mit der neuen Bundesregierung?

Fran­zis­ka Gif­fey: Zunächst ein­mal bli­cke ich posi­tiv dar­auf, dass wir einen Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart haben, der einen star­ken Fokus auf die Stär­kung der Wirt­schaft legt und eine soli­de Grund­la­ge für die Regie­rungs­ar­beit der nächs­ten vier Jah­re bil­det. Wir brau­chen in die­sen her­aus­for­dern­den Zei­ten eine funk­tio­nie­ren­de und sta­bi­le Bun­des­re­gie­rung. Von die­ser erwar­te ich Pro­fes­sio­na­li­tät und ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen, das nach außen nicht von Streit geprägt ist. Wir ste­hen vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen und um die muss sich die neue Regie­rung von Tag eins an küm­mern. Ich sage ganz klar: Es geht in den kom­men­den Jah­ren um nicht weni­ger als den Erhalt unse­rer Demo­kra­tie. Die AfD hat in jüngs­ten Umfra­gen die CDU als stärks­te Par­tei über­holt. Das muss jedem Demo­kra­ten Sor­gen berei­ten. Des­halb muss die neue Bun­des­re­gie­rung das Ver­trau­en der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in das Funk­tio­nie­ren der Demo­kra­tie zurückgewinnen.

W+M: Finden sich aus Ihrer Sicht ausreichend sozialdemokratische und Berliner Themen im Koalitionsvertrag wieder? 

Fran­zis­ka Gif­fey: Jeder Koali­ti­ons­ver­trag ist ein Kom­pro­miss und das Ergeb­nis von inten­si­ven Ver­hand­lun­gen. So auch die­ser. Es ist klar, dass wir als Sozi­al­de­mo­kra­ten mit einem Wahl­er­geb­nis von 16 Pro­zent nicht 100 Pro­zent unse­rer Wün­sche durch­set­zen kön­nen. Trotz­dem ent­hält der Koali­ti­ons­ver­trag aus mei­ner Sicht sowohl vie­le sozi­al­de­mo­kra­ti­sche als auch Ber­li­ner Inhal­te. Ich selbst habe am Wirt­schafts­ka­pi­tel des Koali­ti­ons­ver­tra­ges mit­ge­wirkt. Wir haben dort wich­ti­ge The­men für Ber­lin plat­zie­ren kön­nen – für die Start-up-Metro­po­le Ber­lin, für die Inno­va­ti­ons­haupt­stadt Ber­lin, für die Kon­nek­ti­vi­tät am Flug­ha­fen BER. Auch die Grün­dungs­för­de­rung ins­be­son­de­re von Frau­en fin­det sich im Wirt­schafts­ka­pi­tel wie­der. Ich bin zuver­sicht­lich, dass Ber­lin von die­sem Koali­ti­ons­ver­trag pro­fi­tie­ren wird.


Ich bin zuver­sicht­lich, dass Ber­lin von die­sem Koali­ti­ons­ver­trag pro­fi­tie­ren wird.“


W+M: Ihr Brandenburger Amtskollege Daniel Keller betonte unlängst im W+M-Interview, dass Sie in den Verhandlungen auch die Positionen Brandenburgs vertreten haben. Wie gut läuft die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland?

Fran­zis­ka Gif­fey: Ber­lin und Bran­den­burg muss man als Wirt­schafts­re­gi­on zusam­men­den­ken. Das haben wir bereits zur Amts­zeit von Prof. Dr. Jörg Stein­bach als bran­den­bur­gi­schem Wirt­schafts­mi­nis­ter so gehand­habt und eng zusam­men­ge­ar­bei­tet und natür­lich set­zen wir mit Dani­el Kel­ler die­se Zusam­men­ar­beit fort. Schließ­lich sind wir gemein­sam die am stärks­ten wach­sen­de Regi­on Deutschlands.

W+M: Wo liegen die wirtschaftlichen Schnittmengen zwischen Berlin und Brandenburg?

Fran­zis­ka Gif­fey: Erst kürz­lich haben Dani­el Kel­ler und ich gemein­sam unse­re Wirt­schafts­för­der­ge­sell­schaft Ber­lin Part­ner besucht. Er hat sich dort über den Busi­ness Immi­gra­ti­on Ser­vice infor­miert, mit dem wir seit fast 20 Jah­ren die Unter­neh­men dabei unter­stüt­zen, aus­län­di­sche Fach­kräf­te nach Ber­lin zu holen. Das ist natür­lich auch für Bran­den­burg ein span­nen­des The­ma. Wir ver­fol­gen vie­le gemein­sa­me Inter­es­sen und Zie­le: in der Ener­gie­po­li­tik, bei der Was­ser­stoff­stra­te­gie, beim Flug­ha­fen BER, bei der För­de­rung von Start-ups und in der gemein­sa­men Inno­va­ti­ons­stra­te­gie unse­rer bei­den Län­der. Wir haben vie­le The­men, bei denen wir an einem Strang zie­hen und so die Metro­pol­re­gi­on ins­ge­samt stärken.

W+M: Die neue Bundesregierung will mit einem großes Investitionspaket die Wirtschaft ankurbeln. Wie kann Berlin davon profitieren und was steht auf der To-do-Liste der Hauptstadt?

Fran­zis­ka Gif­fey: Der Schwer­punkt die­ses Inves­ti­ti­ons­pa­kets liegt auf der Moder­ni­sie­rung der Infra­struk­tur in Deutsch­land. Und da haben wir ja mit dem Abriss und Neu­bau der Ring­bahn­brü­cke auf der A 100 in Ber­lin gera­de ein Bei­spiel erlebt, das bun­des­weit Schlag­zei­len gemacht hat. Klar ist: Eine funk­tio­nie­ren­de Infra­struk­tur ist essen­zi­ell für Ber­lin und Deutsch­land als Wirtschaftsstandort.

W+M: In welche Projekte könnten die Gelder konkret fließen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Wir müs­sen in den Aus­bau der Stre­cken­net­ze inves­tie­ren, zum Bei­spiel bei der Ver­län­ge­rung der U-Bahn von Rudow zum Flug­ha­fen BER. Da geht es nicht nur um eine schnel­le Ver­bin­dung für Flug­gäs­te. In der Flug­ha­fen­re­gi­on und ent­lang der Stre­cke ent­ste­hen Gewer­be­ge­bie­te, die es an den ÖPNV anzu­bin­den gilt. Das gilt auch für wei­te­re Lini­en in der Stadt: Die U8-Ver­län­ge­rung ins Mär­ki­sche Vier­tel oder der Lücken­schluss der U3 von Krum­me Lan­ke zum Mexi­ko­platz bei­spiels­wei­se, der jetzt gera­de gestar­tet ist. Unse­re Erfah­rung zeigt, dass die Wirt­schaft ent­lang der Tras­sen von U- und S-Bah­nen wächst. Die Grund­fra­ge bei all die­sen Inves­ti­tio­nen in die Infra­struk­tur muss des­halb lau­ten: Wo kön­nen wir damit auch wirt­schaft­lich einen Effekt erzielen?


Wir müs­sen in den Aus­bau der Stre­cken­net­ze investieren.”


W+M: Die Bundesregierung will zudem massiv die Verteidigungsfähigkeit des Landes erhöhen. Wird Berlin von diesen Investitionen ebenfalls profitieren und ist ein Ausbau der Rüstungsindustrie in der Stadt überhaupt politisch erwünscht?

Fran­zis­ka Gif­fey: Ber­lin kann sich die­sen Ent­wick­lun­gen nicht ver­schlie­ßen. Wir haben aktu­ell einen soge­nann­ten Pre-Seed Fonds für Deept­ech-Start-ups auf­ge­legt, um Aus­grün­dun­gen aus der Wis­sen­schaft schon in der Früh­pha­se zu unter­stüt­zen. Damit kann auch die Ent­wick­lung kom­ple­xer Tech­no­lo­gien finan­ziert wer­den. Für jun­ge Unter­neh­men und die Zulie­fer­indus­trie in Ber­lin ist vor allem der Dual-Use-Bereich inter­es­sant, also Güter, die sowohl zivil als auch mili­tä­risch ver­wen­det wer­den kön­nen. Dort wer­den in den nächs­ten Jah­ren gro­ße Inves­ti­ti­ons­sum­men flie­ßen und Arbeits­plät­ze ent­ste­hen. Ber­lin und die Metro­pol­re­gi­on kön­nen einen wich­ti­gen Bei­trag zur Sicher­heit unse­res Lan­des und Euro­pas leis­ten, das soll­ten wir unterstützen.

W+M: Die Investitionspakete sind auch eine Reaktion auf die veränderte politische Situation in den USA. Sie haben eine Task-Force USA gegründet. Wie sehr belastet die aktuelle US-Politik die Berliner Wirtschaft und was soll die Task-Force bewirken?

Fran­zis­ka Gif­fey: Wir wer­den ja nahe­zu täg­lich mit neu­en Ent­wick­lun­gen aus den USA für die glo­ba­le Wirt­schaft kon­fron­tiert, die natür­lich auch Aus­wir­kun­gen auf unse­re Ber­li­ner Unter­neh­men und Wirt­schaft haben. Ich habe des­halb die Task-Force USA ins Leben geru­fen, damit wir die Lage und die Aus­wir­kun­gen zusam­men mit den Wirt­schafts­ver­bän­den bes­ser ana­ly­sie­ren kön­nen und uns gemein­sam ein umfas­sen­des Bild von den Unter­neh­men in unse­rer Stadt und ihren Wirt­schafts­be­zie­hun­gen zu den USA machen kön­nen. Unse­re Fra­ge lau­tet: Wie stark sind die Unter­neh­men von den neu­en US-Zöl­len betrof­fen, wie haben sie vor­ge­sorgt und wie kön­nen wir helfen?


Unse­re Unter­neh­men wer­den nahe­zu täg­lich mit neu­en Ent­wick­lun­gen in der glo­ba­len Wirt­schaft konfrontiert.“


W+M: Wie relevant ist der US-Markt für Berliner Firmen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Die USA sind unser größ­ter Wirt­schafts­part­ner, sowohl was Inves­ti­tio­nen am Stand­ort Ber­lin als auch unse­ren Han­del angeht. Die Ber­li­ner Wirt­schaft lie­fert Güter in einem Wert von rund 1,6 Mil­li­ar­den Euro in die USA, von Fahr­zeu­gen und Maschi­nen, über Elek­tro­nik bis zu Phar­maer­zeug­nis­sen. Dar­un­ter sind gro­ße Namen wie Bay­er oder BMW, aber eben auch sehr vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men. Ich habe kürz­lich bei­spiels­wei­se das Ber­li­ner Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men Münz­prü­fer in Zehlen­dorf besucht. Sie stel­len Prüf­ge­rä­te her, die an Auto­ma­ten den Münz­ein­wurf über­prü­fen. Sol­che Unter­neh­men trifft die Zoll­po­li­tik der US-Regie­rung besonders.

W+M: Welche Hilfestellung kann die Berliner Politik leisten?

Fran­zis­ka Gif­fey: Wir wol­len mit der Task Force USA alle betrof­fe­nen Grup­pen mit­ein­an­der ver­net­zen: die Unter­neh­men, die IHK, Ber­lin Part­ner als Wirt­schafts­för­de­rer, die Unter­neh­mer­ver­bän­de und Gewerk­schaf­ten. Als Poli­tik müs­sen wir uns über­le­gen, wie wir in unse­rer Export­för­de­rung die Unter­neh­men bei der Diver­si­fi­zie­rung der Absatz­märk­te unter­stüt­zen kön­nen – bei­spiels­wei­se indem wir den asia­tisch-pazi­fi­schen Raum mehr in den Fokus neh­men. Dazu gehört Indi­en, eine extrem schnell wach­sen­de Wirt­schafts­re­gi­on mit einem gro­ßen Inter­es­se an Deutsch­land. Das müs­sen wir für die Ber­li­ner Wirt­schaft nutzen.

W+M: Werden die Beziehungen Berlins zu den USA unter der aktuellen Politik der Regierung Trump leiden?

Fran­zis­ka Gif­fey: Ber­lin pflegt seit Jahr­zehn­ten inten­siv sei­ne trans­at­lan­ti­schen Bezie­hun­gen und wir bau­en die­se gezielt aus. Im Bereich Health und Bio­tech haben wir unse­re Zusam­men­ar­beit mit Kali­for­ni­en und mit dem Medi­zin­stand­ort Bos­ton inten­si­viert und set­zen das unbe­irrt fort. Wir dür­fen die­se Koope­ra­tio­nen nicht auf­grund aktu­el­ler Ver­wer­fun­gen, die von der Trump-Admi­nis­tra­ti­on aus­ge­hen, kap­pen, son­dern müs­sen sie auf­recht­erhal­ten und stär­ken. Das ist auch der Wunsch unse­rer ame­ri­ka­ni­schen Part­ner. Wir wer­den des­halb unser Ber­li­ner Büro in New York sogar per­so­nell ver­stär­ken und unse­re Pro­gram­me für Inter­na­tio­na­li­sie­rung ausbauen.


Ber­lin pflegt seit Jahr­zehn­ten inten­siv sei­ne trans­at­lan­ti­schen Beziehungen.“


W+M: Trotz der von Unsicherheiten geprägten globalen Lage wachsen einige Branchen in Berlin weiterhin überdurchschnittlich. Welcher Wirtschaftszweig macht Ihnen besonders Hoffnung für die Zukunft?

Fran­zis­ka Gif­fey: Wir haben es geschafft, dass sich die Ber­li­ner Wirt­schaft elf Jah­re lang bes­ser als der Bun­des­durch­schnitt ent­wi­ckelt hat. Unse­re Stär­ke ist die gro­ße Bran­chen­viel­falt, der Mix aus Dienst­leis­tun­gen, Tou­ris­mus, Gas­tro­no­mie und Hotel­le­rie, dem pro­du­zie­ren­den Gewer­be, Indus­trie und der leben­di­gen Start-up- und Tech­sze­ne. In Ber­lin wur­den im letz­ten Jahr 500 Start-ups aus der Tau­fe geho­ben, im Schnitt wird alle 17 Stun­den ein neu­es Unter­neh­men gegrün­det. Unse­re Hoff­nungs­trä­ger hei­ßen Fin­tech, Gre­en­tech, Health­tech, KI, Deept­ech und die Games­wirt­schaft. Das för­dern wir ganz aktiv. Die­se Bran­chen blü­hen aber auch, weil wir als Stadt mit einer gro­ßen Kul­tur­sze­ne und mit unse­rer Krea­tiv­wirt­schaft für Grün­der ein attrak­ti­ver Stand­ort mit hoher Lebens­qua­li­tät sind.

W+M: Die Kulturszene allerdings beklagt aktuell sehr lautstark die Sparpolitik des Berliner Senats. Zu Recht?

Fran­zis­ka Gif­fey: Ich will die Sor­gen der Kul­tur­wirt­schaft nicht klein­re­den. Aber Ber­lin gibt immer noch über 900 Mil­lio­nen Euro im Jahr für die Kul­tur­för­de­rung und den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt aus, das ist mehr als im Wirt­schafts­etat zur Ver­fü­gung steht. Das ist in einer schwie­ri­gen Haus­halts­la­ge ein gro­ßes Bekennt­nis des Senats zur Ber­li­ner Kul­tur als wich­ti­gem Magne­ten für Tou­ris­mus und Talen­te aus aller Welt. Wich­tig ist: Zu den Spar­maß­nah­men muss es einen guten Abstim­mungs­pro­zess und eine trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Kul­tur­ak­teu­ren in der Stadt geben, damit gemein­sam Wege gefun­den wer­den können.

W+M: Welche Branchen haben denn in Berlin dennoch Anlass zur Klage?

Fran­zis­ka Gif­fey: Das Hand­werk und das Dienst­leis­tungs­ge­wer­be lei­den vor allem unter dem Fach­kräf­te­man­gel. Es feh­len 80.000 Fach­kräf­te und die­se Zahl wird in den kom­men­den Jah­ren auf­grund des demo­gra­fi­schen Wan­dels wei­ter stei­gen. Die IHK Ber­lin geht sogar von 400.000 in den nächs­ten zehn Jah­ren aus. Die Fach­kräf­te, die heu­te feh­len, sind vor 20 Jah­ren schlicht nicht gebo­ren wor­den, so muss man das lei­der sagen. Auf der ande­ren Sei­te haben wir über 200.000 Men­schen in der Stadt als arbeits­los gemel­det. Da müs­sen wir Wege fin­den, um die­se in Arbeit zu brin­gen. Gera­de das Hand­werk braucht drin­gend Fach­kräf­te. Die Zahl derer, die in Ber­lin ihren Meis­ter machen, ist seit Jah­ren rück­läu­fig, vor allem bei Frau­en sinkt der Anteil an der Zahl der Meis­ter­ab­schlüs­se. Hier set­zen wir unter ande­rem mit unse­rem För­der­pro­gramm Meis­ter­bo­nus an. Bei erfolg­reich bestan­de­ner Prü­fung bekom­men Ber­li­ner Meis­te­rin­nen und Meis­ter 5.000 Euro. Frau­en in män­ner­do­mi­nier­ten Beru­fen noch­mal 1.000 Euro zusätz­lich. Vie­le Hand­werks­be­trie­be in Ber­lin fin­den zudem kei­nen Nach­fol­ger. Des­halb för­dern wir die Ber­li­ner Nach­fol­ge­zen­tra­le, ein gemein­sa­mes Pro­jekt der Kam­mern und der Bürg­schafts­bank Ber­lin, die Unter­neh­men und poten­zi­el­le Nach­fol­ger zusam­men­führt. Die­se För­de­rung wer­den wir auch im nächs­ten Jahr fortsetzen.


Die Fach­kräf­te, die heu­te feh­len, sind vor 20 Jah­ren schlicht nicht gebo­ren worden.“


W+M: Geht es ohne Fachkräfte von außerhalb?

Fran­zis­ka Gif­fey: Das wird nicht funk­tio­nie­ren. Mit unse­rem Busi­ness Immi­gra­ti­on Ser­vice haben wir des­halb ein Instru­ment, um die Unter­neh­men bei der Inte­gra­ti­on von aus­län­di­schen Fach­kräf­ten zu unter­stüt­zen. Auch eine zügi­ge Ein­bür­ge­rungs­po­li­tik ist wich­tig für den Erhalt der Fach­kräf­te­ba­sis. Indem wir das Ein­bür­ge­rungs­ver­fah­ren in Ber­lin zen­tra­li­siert und digi­ta­li­siert haben, ist es uns gelun­gen, die Zahl der Ein­bür­ge­run­gen von frü­her jähr­lich 6.000 auf 22.000 im letz­ten Jahr zu stei­gern. Nicht, indem wir die Bedin­gun­gen für die Ein­bür­ge­rung ver­än­dert haben, son­dern indem die Pro­zes­se beschleu­nigt und ver­bes­sert wurden.

W+M: Die Berliner Wirtschaft durchläuft aktuell zahlreiche Transformationsprozesse. Gibt es Unternehmen, die für Sie in dieser Frage beispielhaft vorangehen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Da nen­ne ich ganz klar die BEW, die Ber­li­ner Ener­gie und Wär­me GmbH, die sich seit 2024 ja wie­der in Lan­des­be­sitz befin­det und für deren Rekom­mu­na­li­sie­rung ich mich stark ein­ge­setzt habe. Die­se Rekom­mu­na­li­sie­rung bie­tet für uns eine Rie­sen­chan­ce, die Trans­for­ma­ti­on in der Wär­me­ver­sor­gung der Stadt erfolg­reich zu gestal­ten. Dazu muss man wis­sen: Die CO2-Emis­sio­nen Ber­lins ent­ste­hen zu 50 Pro­zent in der Wär­me­ver­sor­gung. Wenn die Wär­me nicht kli­ma­neu­tral wird, kann Ber­lin nicht kli­ma­neu­tral wer­den. Das kommt aber einer indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on gleich. Wir spre­chen von einem Unter­neh­men, das zehn Heiz­kraft­wer­ke betreibt, in denen zu über 90 Pro­zent fos­si­le Brenn­stof­fe ein­ge­setzt wer­den. Die­se Heiz­kraft­wer­ke wer­den in den nächs­ten zehn Jah­ren kom­plett umge­baut, um sie für die Nut­zung von Wind- und Solar­ener­gie, für den Ein­satz von Was­ser­stoff, für Power-to-Heat-Anla­gen taug­lich zu machen. Der Inves­ti­ti­ons­auf­wand für die­se grund­le­gen­de Trans­for­ma­ti­on wird rund drei Mil­li­ar­den Euro betragen.

W+M: Berlin konnte im letzten Jahr 84 Unternehmensansiedlungen allein mit Hilfe des Wirtschaftsförderers Berlin Partner verwirklichen, 60 Prozent davon aus dem Ausland. Lässt sich der Erfolg fortsetzen und gibt es noch ausreichend Gewerbeflächen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Allein die von Ber­lin Part­ner beglei­te­ten Inves­ti­tio­nen von Unter­neh­men, ob neue Ansied­lun­gen oder Unter­neh­mens­er­wei­te­run­gen, belie­fen sich im letz­ten Jahr auf eine Rekord­sum­me von rund 1,1 Mil­li­ar­den Euro. Damit ist es uns seit 2021 und über­haupt erst zum zwei­ten Mal seit dem Mau­er­fall gelun­gen, ein Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men von über einer Mil­li­ar­de Euro zu erzie­len. Wir set­zen dar­auf, wei­ter­hin Unter­neh­men und Inves­ti­tio­nen in die Stadt zu holen. Es ist aller­dings auch rich­tig, dass wir in den letz­ten Jah­ren über 200 Hekt­ar Gewer­be­flä­che durch Umwid­mung ver­lo­ren haben. Des­halb haben wir einen Wirt­schafts­ent­wick­lungs­plan bis zum Jahr 2040 in enger Abstim­mung mit dem Ent­wick­lungs­plan Woh­nen beschlos­sen, mit dem wir Gewer­be­flä­chen vor allem für das pro­du­zie­ren­de Gewer­be gesi­chert haben. Dar­über hin­aus haben wir elf Zukunfts­or­te in der Stadt, zum Bei­spiel die Urban Tech Repu­blic in Tegel, den Wis­sen­schafts­stand­ort Adlers­hof, den Cle­an­tech-Park in Mar­zahn. Dort gibt es noch Flä­chen und Poten­zi­al für Ansied­lun­gen. Über Ber­lin Part­ner bie­ten wir Inves­to­ren und Grün­dern mit dem Ber­li­ner Wirt­schafts­at­las ein digi­ta­les Tool an, mit dem sich jedes Unter­neh­men über die vor­han­de­nen Stand­or­te in Ber­lin mit allen Rah­men­be­din­gun­gen und Ent­wick­lungs­plä­nen infor­mie­ren kann – sozu­sa­gen unse­ren digi­ta­len Zwil­ling für die Ber­li­ner Wirtschaft.

W+M: Die Berliner Wirtschaft bemängelt weiterhin zu viel Regulierung und Bürokratie. Wann kommt der versprochene Bürokratieabbau für die Unternehmen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Wir haben dar­auf reagiert und bau­en unse­ren Digi­ta­len Wirt­schafts­ser­vice DIWI kon­se­quent aus. Über 80 digi­ta­le Leis­tun­gen für die Wirt­schaft konn­ten im letz­ten Jahr schon genutzt wer­den und wir haben ste­tig neue digi­ta­li­siert, ange­fan­gen bei der Gewer­be­an­mel­dung über die Gast­stät­ten­er­laub­nis bis zur Aner­ken­nung von vie­len aus­län­di­schen Berufs­ab­schlüs­sen. Wir wol­len bis zum Ende die­ses Jah­res 300 digi­ta­le Dienst­leis­tun­gen für die Ber­li­ner Wirt­schaft anbie­ten, aktu­ell sind es schon über 260. Wir arbei­ten an einer Viel­zahl von Pro­jek­ten, zum Bei­spiel an der Mög­lich­keit, Dienst­leis­tun­gen der Ver­wal­tung über­all mit Pay­pal bezah­len zu kön­nen. Neh­men Sie das Bei­spiel Gas­tro­no­mie: Das Gast­stät­ten­recht in unse­rer Stadt stammt noch aus den 1970er-Jah­ren und muss drin­gend moder­ni­siert wer­den. Wo sind im Gast­stät­ten­ge­wer­be Geneh­mi­gun­gen wirk­lich nötig, wo kann auch Geneh­mi­gungs­fik­ti­on Pro­zes­se ver­ein­fa­chen? Ist die Sperr­stun­de aus den 1970er-Jah­ren in Zei­ten der Club­kul­tur noch zeit­ge­mäß? All die­se Fra­gen wer­den wir mit der Ber­li­ner Wirt­schaft bespre­chen und ein eige­nes moder­nes Gast­stät­ten­ge­setz für Ber­lin entwickeln.


Wir wol­len bis zum Ende des Jah­res 300 digi­ta­le Dienst­leis­tun­gen für die Ber­li­ner Wirt­schaft anbieten.“


W+M: Das Nachbarland Brandenburg hat gerade beim Vergaberecht einen großen Schritt zur Entbürokratisierung getätigt. Wird Berlin folgen?

Fran­zis­ka Gif­fey: Fakt ist: Wir müs­sen die Ver­ga­be­rechts­fra­gen und die Geneh­mi­gungs­pro­zes­se mas­siv ent­schla­cken. Dafür sind wir jetzt in Gesprä­chen. Ein gutes Bei­spiel, wo uns der Büro­kra­tie­ab­bau bereits gelun­gen ist, sehen wir beim Glas­fa­ser­aus­bau. Dort haben wir die Geneh­mi­gungs­pro­zes­se kom­plett digi­ta­li­siert. Zudem haben wir das Ver­fah­ren von einem Antrags- auf ein Anzei­ge­ver­fah­ren umge­stellt. Auch wegen die­ser Ver­ein­fa­chun­gen konn­ten wir in den letz­ten zwei Jah­ren die Glas­fa­ser­ab­de­ckung von 17 Pro­zent auf über 46 Pro­zent stei­gern. Bis 2028 wol­len wir eine 100-Pro­zent-Abde­ckung erreicht haben.

W+M: Braucht es für den Bürokratieabbau einen Kulturwandel in der Verwaltung?

Fran­zis­ka Gif­fey: Die wich­tigs­ten Vor­aus­set­zun­gen sind Aner­ken­nung und Wert­schät­zung auf bei­den Sei­ten. Bür­ger und Unter­neh­men sind kei­ne Stör­fak­to­ren im Tages­ab­lauf der Ver­wal­tung, son­dern das Ziel­ob­jekt ihrer Ser­vice­leis­tun­gen. Auf der ande­ren Sei­te ist Ver­wal­tung nicht per se über­flüs­sig oder unwil­lig, son­dern besteht aus vie­len enga­gier­ten Mit­ar­bei­ten­den, die einen wich­ti­gen Bei­trag dazu leis­ten, dass wir seit elf Jah­ren ein über­durch­schnitt­li­ches Wirt­schafts­wachs­tum haben. Mehr Aner­ken­nung und Wert­schät­zung wür­de ich mir auch gesamt­ge­sell­schaft­lich wün­schen. Und ich wün­sche mir, dass die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger bei aller Kri­tik auch etwas mehr stolz auf das sind, was in die­ser Stadt tag­täg­lich geleis­tet wird. Sie selbst sind die­se Stadt, die heu­te schon zu den drei füh­ren­den Inno­va­ti­ons­stand­or­ten in Euro­pa gehört – und wir arbei­ten dar­an, Num­mer eins zu werden.


Bür­ger und Unter­neh­men sind kei­ne Stör­fak­to­ren im Tages­ab­lauf der Verwaltung.“


W+M: Zum Abschluss eine Frage aus Sicht der ostdeutschen Wirtschaft: Gehört Berlin zum ostdeutschen Wirtschaftsraum?

Fran­zis­ka Gif­fey: Selbstverständlich.

W+M: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Die Fra­gen stell­ten Frank Neh­ring und Mat­thi­as Salm vom Redak­ti­ons­netz­werk Wirtschaft+Markt.

Fran­zis­ka Giffey

Fran­zis­ka Gif­fey ist seit 2023 stell­ver­tre­ten­de Bür­ger­meis­te­rin und Ber­li­ner Sena­to­rin für Wirt­schaft, Ener­gie und Betrie­be.  Zuvor war sie von 2010 bis 2015 Bezirks­stadt­rä­tin für Bil­dung, Schu­le, Kul­tur und Sport und von 2015 bis 2018 Bezirks­bür­ger­meis­te­rin von Ber­lin-Neu­kölln, dann von 2018 bis 2021 Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin. Von Dezem­ber 2021 bis zur Wie­der­ho­lungs­wahl in Ber­lin im Jahr 2023 übte sie das Amt der Regie­ren­den Bür­ger­meis­te­rin von Ber­lin aus. Sie war erst die zwei­te Frau in die­sem Amt in der Geschich­te der Hauptstadt.

Fran­zis­ka Gif­fey wur­de 1978 in Frank­furt (Oder) gebo­ren und wuchs im bran­den­bur­gi­schen Brie­sen auf. Ihr Abitur leg­te sie 1997 in Fürs­ten­wal­de ab. 2001 erwarb sie an der Fach­hoch­schu­le für Ver­wal­tung und Rechts­pfle­ge in Ber­lin den Titel der Diplom-Ver­wal­tungs­wir­tin. Außer­dem schloss sie ein Stu­di­um des Euro­päi­schen Ver­wal­tungs­ma­nage­ments mit dem Mas­ter of Arts ab. Seit 2007 ist sie Mit­glied der SPD.

 

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