Ausgerechnet in der DDR wurde mit „Mosaik“ einer der erfolgreichsten deutschen Comics geboren – obwohl das Genre verpönt war. Schöpfer Hannes Hegen wäre in diesem Jahr 100 geworden. Matthias Friskes Buch über die Digedags geht bereits in die vierte Auflage.

Wandmalerei in der Waldowallee 15 in Berlin-Karlshorst. Abbildung: OTFW Berlin, Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0
Comics wie Donald Duck oder Batman galten in der DDR als Schundliteratur, die die Jugend verdirbt. Solche Bildgeschichten aus dem Westen wurden in der Schule schnell konfisziert. Umso ironischer ist es, dass ausgerechnet in der DDR eine der erfolgreichsten deutschen Comic-Reihen entstand. 1955 wurde der Grafiker Johannes Hegenbarth alias Hannes Hegen beauftragt, eine „Bilderzeitschrift“ als Alternative zu den „Schmutzheften“ aus dem Kapitalismus zu entwickeln. Ende dieses Jahres erschien die erste Ausgabe des „Mosaik“.
Die Digedags erobern die Republik
Als sozialistische Antwort auf westliche Comics intendiert, erdachte Hegen im Auftrag der Staatsführung die Kobolde Dig, Dag und Digedag und schickte sie auf abenteuerliche Reisen: ins Alte Rom, den Orient, ins Mittelalter oder den Wilden Westen. Die Geschichten verbinden Abenteuerlust und Witz mit Wissensvermittlung und begeisterten damit auf Anhieb die junge Zielgruppe. Der Zeichenstil ist detailreich und fast dokumentarisch – Hegen legte großen Wert auf historische Genauigkeit, was das Mosaik auch pädagogisch wertvoll machte. Mit einer Auflage von bis zu 660.000 Exemplaren und rund 2,5 Millionen Lesern zählte die Publikation zu den erfolgreichsten der DDR. Sie wurde ab 1965 in die Bundesrepublik, nach Österreich und später auch in weitere Länder exportiert. Das Mosaik ist unter den heute noch erscheinenden deutschen Comiczeitschriften die älteste – es hat die Wende überlebt und seine Heimat inzwischen in Westberlin. Insgesamt wurden seit 1955 unglaubliche 293 Millionen Hefte gedruckt, 91 Millionen mit den Digedags.
Nach 20 Jahren und 223 Heften war jedoch plötzlich Schluss und die Helden im Mosaik waren plötzlich nicht mehr die Digedags, sondern die Abrafaxe. Unter den Fans löste das nicht nur Enttäuschung aus, sondern auch wüste Spekulationen über die Gründe. Diese Gerüchte veranlassten den Theologen und Mosaik-Fan Matthias Friske, sich auf Spurensuche zu begeben. Resultat ist das vorliegende Buch, das mittlerweile in vierter Auflage vorliegt.
Informativ und unterhaltsam beleuchtet es den Werdegang der Digedags. Als Grund für ihr plötzliches Ende stellt sich heraus, dass sich Hegen mit dem Verlag Neues Leben einfach nicht über die künftige Ausrichtung einigen konnte, daraufhin die Zusammenarbeit beendete und als Rechteinhaber seine Figuren mit in den Ruhestand nahm. Friske schildert diese Hintergründe mit Akribie und Anschaulichkeit. Darüber hinaus gewährt er spannende Einblicke in die Entstehung des Mosaiks und des kreativen Team dahinter.
Obwohl die Digedags durch Länder und Zeiten reisten und Wissen über fremde Kulturen und alternative Lebensentwürfe vermittelten, gelang es Hegen meist, sein Werk unpolitisch zu halten. Zwar bezweifelten die Kulturwächter manches Mal die erzieherische Tauglichkeit für den Sozialismus, doch als enormer Publikumserfolg hatte das Mosaik Freiheiten. Nichtsdestotrotz reisten die Figuren Ende der 1950er-Jahre auf Anweisung plötzlich zum Planeten „Neos“, wo ein sozialistischer Musterstaat gegen Feinde von außen verteidigt werden musste. Nachdem 1957 von der Sowjetunion mit dem Sputnik der erste künstliche Erdsatellit ins All geschossen wurde – als erster Mensch im All folgte 1961 Juri Gagarin –, hatten sich generell weite Teile der DDR-Kinderliteratur dem Thema Weltraum zu widmen.
Überraschendes Comeback
Das Buch bereitet ein wichtiges Kapitel deutscher Kulturgeschichte auf. Zahlreiche Abbildungen, nicht nur aus dem Mosaik, sondern auch aus dem weiteren Comic-Universum, machen die Erzählung sehr anschaulich. Die Geschichte der Digedags ist übrigens noch längst nicht auserzählt. In Hegens Nachlass (er starb 2014) wurden kürzlich zwei lange verschollene Manuskripte entdeckt, die von den ehemaligen Mosaik-Zeichnern Ulf Graupner und Steffen Jähde zu neuen Heften verarbeitet wurden. Das erste erscheint im Juni 2025 unter dem Titel „Duell an der Newa“ und knüpft an eine bereits bekannte Episode um den deutschen U-Boot-Pionier Wilhelm Bauer an.
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