Das Netzwerk der gemeinnützigen Initiative DenkRaumOst hat es sich zum Ziel gesetzt, den Charme Ostdeutschlands – seine Schönheit, seine Potenziale und Innovationen – sichtbar zu machen. Hier startet seine mehrteilige Kolumne. Es beginnt Ira Roschlau, Gründerin und Geschäftsführerin der DenkRaumOst gUG, mit einem oft übersehenen Schatz: dem ostdeutschen Frohsinn.

Ira Roschlau hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Sprachwissenschaften, Germanistik sowie Personal- und Organisationsentwicklung studiert.
Ich komme gerade aus dem Skiurlaub – sechs Tage Kaiserwetter im tiefsten Österreich: Kärnten, Gletschergebiet auf 3.000 Metern, nahe Italien und Slowenien und mit vielen internationalen, vor allem osteuropäischen Skigästen. In der Bergbahn, die alle Wintersportwütigen auf die Mittelstation von 1.800 Metern bringt, steht man eng an eng in sechs Abteilen, die zusammen bestimmt 120 bis 150 Personen befördern. Die Abteile sind nur bis Brusthöhe abgetrennt, sodass eine laut singende Gruppe, die schon am Vortag bei der Talfahrt aufgefallen war, für alle zu hören ist. Einige sind noch müde und wundern sich über diese Singeswütigen am Morgen. Um den kostbaren Sonnentag nicht zu verpassen, sind wohl die meisten zeitiger als im Urlaub üblich aufgestanden.
Und plötzlich eine laute klare Stimme: „Guten Morgen an alle. We are the wake up team! Wir sind eine ostdeutsche Gute-Laune-Truppe. Bei uns kann man Lieder und gute Laune bestellen.“ Und gleich startete der Frühsport mit Hands up und Clap your hands, Festhalten am Nachbarn und Singen. Nun waren wohl wirklich alle wach und wunderten sich, warum sie zum Frühsport aufgerufen wurden, aber die Mehrheit machte gern mit. In den Gesichtern zeigte sich wirklich gute Laune. Man lächelte sich zu und reckte die Köpfe, wer wohl alles zu den lustigen Gesellen zählte.
Wow! Das ist ja spannend. Hatte er wirklich „ostdeutsch“ gesagt? Man traf sie wieder auf der Hütte und beim Après-Ski – die ganze Skiwoche. Der Frühsport und das Singen wurden zum Morgenritual, wenn man zur gleichen Zeit den Zug erwischte. Noch Tage später erzählte unsere Familie von diesem Erlebnis. Auf der Südseite der Alpen, im Ausland, wo niemand mehr in ost- und westdeutsch unterteilt, begegnet man plötzlich den Landsleuten, die zu Botschaftern ganz neuer Werte werden. Hätte es das vor fünf oder zehn Jahren so gegeben? Dass jemand explizit „ostdeutsch“ sagt? Und der Verkaufsschlager ist also gute Laune, Spaß, unsere Energie für euch alle – kommend aus Ostdeutschland. Bis vor Kurzem wurde unter „ostdeutsch“, oder wird sogar zum Teil noch immer, vor allem Jammerei verstanden. Nun also das Pendant zu den Karnevalisten aus dem Rheinland!? Das Schmunzeln und die Lieder waren jedenfalls ansteckend und es werden wohl viele Urlaubsgäste zu Hause von dieser ostdeutschen Gute-Laune-Truppe erzählen.
Wen auch immer die Gute-Laune-Truppe gewählt hat, „ostdeutsch“ scheint auch ein neues positives Bewusstsein zu werden. Seit dem Wahlsonntag wissen wir, dass in den Grenzen von Ostsee, Oder, Erzgebirge und Harz die Mehrheit der Menschen Veränderungen gewählt hat – weniger konservative Parteien. Für jeden, den das Ergebnis ängstigt, hier eine systemische Coachingfrage: Was ist das Gute im Schlechten?
Statt Veränderungsmüdigkeit zeigt sich Wille zur Veränderung und Spaß am Leben. Die Transformationstheorie weiß, dass mit diesen Phänomenen der Wandel bereits begonnen hat. Da hat sich jemand schon auf den Weg gemacht. Liegt genau darin bereits das nächste Potenzial verborgen?
Diese Geschichte ist beispielgebend für das, was wir nun regelmäßig mit Kolumnen einbringen wollen: eine neue, gern positiv konnotierte Perspektive auf die Andersartigkeit des Ostens. Vielleicht sind es ja Schätze, Perlen, ungeschliffene Diamanten und Potenziale, die es zu bergen, zu heben gilt.
Unser Motto: Neue Geschichten braucht das Land! Und wie man sieht, erzählt das Land diese selbst. Hier schreiben Menschen, die Ostdeutschland nicht nur kennen, sondern es auch gestalten, egal ob mit ost-, west- oder nicht- deutscher Herkunft.
Unsere gemeinnützige Gesellschaft hat seit 2023 viele Podiumsdiskussionen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten in Bezug auf Ostdeutschland an originellen Orten – etwa im Fußballstadion, in Theatern und Museen – durchgeführt. Einige der Protagonisten und Podiumsgäste werden hier ihre Sichtweisen und ihre Geschichten über den Denkraum Ost einbringen. Die Themenbreite reicht von Volkswirtschaft über Bildungswesen und ländlichen Raum bis hin zur Vielfalt des vermeintlichen Einheitsbildes des Ossis. Wir wollen die Schatztruhe füllen mit Potenzialen, die oft übersehen worden sind, weil sie von der falschen Seite betrachtet wurden. Mit ungeschliffenen Diamanten.
Der Osten ist erneut Experimentierfeld für die Zukunft. Während sich andere noch fragen, wie man mit Umbrüchen umgeht, wissen viele im Osten, wie es sich anfühlt. Denn das ist hier seit vier Jahrzehnten Alltag. Und darüber gibt es viel zu erzählen.
Freuen Sie sich auf die nächsten Gastbeiträge. Ich darf unter anderem ankündigen: Eilika von Anhalt, Dr. Katja Mittrenga, Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Prof. Dr. Susanne Schmidt, Gordon von Godin, Prof. Joseph Hoppe.
Die nächsten Live-Termine von DenkRaumOst
11. März 2025: Stadiongespräch An der Alten Försterei in Berlin: „Der Osten in den Medien“ |