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Der Osten als Avantgarde #7: Ost-Science-Fiction – mehr als nur Unterhaltung?

Das Netz­werk der gemein­nüt­zi­gen Initia­ti­ve Denk­Rau­mOst hat es sich zum Ziel gesetzt, den Charme Ost­deutsch­lands sicht­bar zu machen. In Teil sie­ben ihrer Kolum­ne zeigt Gor­don Frei­herr von Godin, Direk­tor des DDR Muse­ums in Ber­lin, wie Sci­ence-Fic­tion in der DDR die Fan­ta­sie beflü­gelt und gesell­schaft­li­che Rea­li­tä­ten gespie­gelt hat.

Gordon Freiherr von Godin ist Direktor des DDR Museums in Berlin-Mitte. Abbildung: Gordon Freiherr von Godin

Gor­don Frei­herr von Godin. Abbil­dung: DDR Muse­um, Ber­lin 2025

„Welt­all Erde Mensch“ ist der Name des Buches, wel­ches mei­ne Mama und vie­le ande­re zu ihrer Jugend­wei­he in den 60er-Jah­ren in der DDR beka­men. Auf dem Umschlag ein futu­ris­tisch anmu­ten­des Bild einer Welt­raum­sta­ti­on rie­si­gen Aus­ma­ßes. Dass die Illus­tra­tio­nen von DDR-Künst­lern nicht nur im Sci­ence-Fic­tion-Bereich auch heu­te noch in den höchs­ten Tönen gelobt wer­den, hängt auch mit der Über­zeich­nung von iko­nen­haf­ten, spek­ta­ku­lä­ren Zukunfts­wel­ten zusammen.

Haben wir nicht heu­te, dank Inter­net, die Mög­lich­kei­ten, alles und sofort zu beant­wor­ten? Haben wir dadurch viel­leicht das Träu­men und das Zukunfts­den­ken ver­ges­sen? Wel­che Visio­nen über die Zukunft haben wir noch? Das Gen­re ist im Ver­gleich zur Früh­zeit der 50er- und 60er-Jah­re ziem­lich ein­ge­ros­tet. SF ist bei Wei­tem nicht tot, aber so rich­tig lebendig?

Der Schock im Wes­ten über den ers­ten Satel­li­ten im All am 4. Okto­ber 1957 war jeden­falls ganz enorm. Die Jugend der End-50er- und 60er-Jah­re soll­te schon früh ler­nen, dass die Wis­sen­schaft im All den Fort­schritt bedeu­tet und am Ende der Sieg über die west­li­che Welt war­tet. Das „Interkosmos“-Programm der Sowjet­uni­on soll­te es auch ande­ren befreun­de­ten Natio­nen ermög­li­chen, ins All zu flie­gen. Der ers­te Mensch im All war dann auch 1960 der sowje­ti­sche Offi­zier Juri Gaga­rin, und der ers­te Deut­sche im All kam aus dem Osten und hieß Sig­mund Jähn.

Buch „Weltall Erde Mensch“. Abbildung: DDR Museum, Berlin 2025

Buch „Welt­all Erde Mensch“. Abbil­dung: DDR Muse­um, Ber­lin 2025

Die Uto­pie, den Welt­raum für alle Men­schen, egal wel­cher Natio­na­li­tät, fried­lich zu nut­zen, war bereits in den Anfän­gen zum Schei­tern ver­ur­teilt. Der Kampf um die Vor­macht­stel­lung im Welt­all kenn­zeich­ne­te den Kal­ten Krieg und fraß auch dort unglaub­li­che Res­sour­cen – auf bei­den Sei­ten. Die fried­li­che Nut­zung war erst in den 90er-Jah­ren wie­der im Fokus. Jedoch war auch die Uto­pie im Film recht weit. Schaut man sich heu­te zum Bei­spiel den DEFA-Strei­fen „Eolo­mea” von 1972 an, so sieht man eine Film­tech­nik, die sich nicht hin­ter ande­ren ver­ste­cken muss­te. Die Orbi­tal­sta­ti­on hieß „Mar­got“, wie die Minis­te­rin für Erzie­hung. Die Sta­ti­on ist rie­sig, die Arbeit mit Minia­tu­ren sicht­bar und doch nicht auf­fäl­lig. Die Lan­dung des Raum­glei­ters auf der Sta­ti­on ist tech­nisch auf dem Stand der Zeit. Inhalt­lich ging es um eine Wis­sen­schaft­le­rin, die das Abhan­den­kom­men von Fracht­schif­fen in der Nähe der Orbi­tal­sta­ti­on auf­klä­ren muss. Gemischt mit einer Lie­bes­ge­schich­te ist der Film heu­te sehenswert.

Weit­aus kom­ple­xer war das Leben hier auf der Erde im Bereich von For­schung und Wis­sen­schaft. Die DDR ver­stand sich trotz weni­ger Ener­gie­res­sour­cen als ein Land des tech­ni­schen Fort­schritts. Um hier auch die Grund­la­ge bei der Jugend zu schaf­fen, gab es reich­lich Fut­ter. So ent­stan­den cir­ca 500 Sci­ence-Fic­tion-Roma­ne in den 40 Jah­ren des Bestehens. Und auf­grund von stän­di­gem Papier­man­gel lagen die Erst­auf­la­gen nie über 50.000 Stück. Häu­fig waren sie auf zehn bis zu 15.000 Exem­pla­re limi­tiert und somit auch rasch im Land des Lesens ausverkauft.

Poli­ti­sche Absich­ten und Ein­fluss­nah­me gab es auch in die­sem Gen­re. So haben eini­ge Roma­ne den Klas­sen­kampf in die Zukunft ver­setzt und den Kom­mu­nis­mus samt Vor­stu­fe als futu­ris­ti­schen Sie­ger dar­ge­stellt. Man konn­te in der spä­te­ren Ära aber auch fest­stel­len, wie zum Bei­spiel die Über­wa­chung von Gesell­schaf­ten kri­ti­siert wur­de, oft unter­schwel­lig, wie so häu­fig in der DDR-Kunst­sze­ne. Haupt­the­ma der Ost-Sci­ence-Fic­tion blieb der Welt­raum mit sei­nen offe­nen, wei­ten Wel­ten, den außer­ir­di­schen Lebens­for­men und der Aus­ein­an­der­set­zung der Men­schen mit diesen.

Das Gen­re Sci­ence-Fic­tion war in der DDR-Lite­ra­tur aller­dings recht schmal besetzt. West­li­te­ra­tur war ver­bo­ten und dadurch nicht mas­sen­taug­lich, eher nur ver­ein­zelt zu lesen. So muss­ten sich die Lieb­ha­ber mit dem pol­ni­schen Autor Sta­nis­law Lem und den bekann­tes­ten sowje­ti­schen SF-Schrift­stel­lern, Ser­gei Snegow und den Gebrü­dern Stru­gatz­ki, begnü­gen. Das tat jedoch dem Fan-Sein kei­nen Abbruch. Die limi­tier­ten Auf­la­gen waren häu­fig vergriffen.

In der DDR gab es eine Autoren­schaft um Ange­la und Karl­heinz Stein­mül­ler, Karl-Heinz Tuschel, Gün­ther Krup­kat, Wolf Weit­brecht, Jür­gen Brink­mann. Die Uto­pien waren alle­samt durch­strömt von Beschrei­bun­gen der gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen, immer – und das ist wich­tig – sys­tem­kon­form, das heißt, durch­aus auch poli­tisch fein mit der poli­ti­schen Füh­rung der DDR. Waren Sci­ence-Fic­tion-Roma­ne nicht gemäß den Vor­stel­lun­gen der Par­tei, so wur­den sie ein­fach nicht gedruckt. Ein Ver­bot war dann schon über­flüs­sig. Was man mit Sicher­heit behaup­ten kann, ist jedoch, dass die meis­ten Roma­ne kei­ne Uto­pien einer kom­mu­nis­ti­schen Gesell­schafts­ord­nung dar­stell­ten. Man kann noch heu­te gut Roma­ne wie zum Bei­spiel „Andy­mon. Eine Welt­raum-Uto­pie“ von Ange­la und Karl­heinz Stein­mül­ler aus dem Jahr 1982 lesen. Die­ser Roman ist nicht von poli­ti­schen Paro­len durch­setzt, son­dern viel­mehr geprägt von Mensch­lich­keit, von Ent­wick­lun­gen und den Her­aus­for­de­run­gen von Gesell­schaf­ten unter­schied­lichs­ter Prä­gun­gen. Also alles in allem durch­aus aktu­el­le Lern­the­men des Ostens im Pro­zess von Iden­ti­täts­fin­dung und Wei­ter­ent­wick­lung einer Gesellschaft.

Was bleibt also von der Ost-Sci­ence-Fic­tion? Es ist wie auf allen Ebe­nen der Kunst dem Betrach­ter über­las­sen, was er aus der Uto­pie der Wer­ke macht. Die Nut­zung steht ihm frei, die Bücher fin­den sich auf Jahr­märk­ten und auf Kleinanzeigen.de, die DEFA-Stif­tung packt vie­les kos­ten­frei in den You­tube-Kanal, die Kunst ist gegen Ein­tritt in nam­haf­ten Muse­en wie dem Bar­be­ri­ni oder dem MINSK zu sehen.

Abseits von Kon­sum und Ablen­kung fin­det also der Inter­es­sier­te den Weg zurück, ganz sicher!

Die nächs­ten Live-Ter­mi­ne von DenkRaumOst

denkraumost.de/events

 

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