Nicht viel ist aus der DDR geblieben. „Unser Sandmännchen“ aber hat überlebt. Als so bekannte wie beliebte Fernsehfigur wird es heute 65 Jahre alt und wir gratulieren auf das Herzlichste. Was als einfache Gutenachtgeschichte begann, ist zu einem Stück deutscher Fernseh- und Kulturgeschichte geworden.
Seit sechseinhalb Jahrzehnten bringt er Kinderaugen zum Leuchten, obwohl er sie doch eigentlich müde machen sollte: Der Sandmann alias „Unser Sandmännchen“. Nahezu jeden Abend präsentiert er den Kleinsten spannende Geschichten. Dabei ist auch seine eigene Geschichte alles andere als langweilig. Denn der Gute-Nacht-Botschafter ist ein Stück deutscher Fernseh- und Kulturgeschichte, das über zwei geteilte Staaten hinweg und bis in die Gegenwart Generationen begleitet hat.
Der Ursprung des Sandmanns: Vom Radio ins Fernsehen
Was die wenigsten noch wissen: Seinen ersten Auftritt hatte der beliebte Sandstreuer gar nicht im Fernsehen, sondern im Radio. Bereits 1956 ging er in der DDR über den Äther. Seinen Einstand im TV lieferte er gut drei Jahre später: Am 22. November 1959 begann im Deutschen Fernsehfunk, dem DFF, eine neue Ära des Schlafengehens.
Die Idee dahinter war so einfach wie effektiv: Ein kleiner, weißbärtiger Mann mit Zipfelmütze kommt auf verschiedenste Arten ins Bild geflogen und schickt den Kindern noch einen „Abendgruß“, eine Gutenachtgeschichte in Form eines kurzen Films, bevor er ihnen Sand in die Augen streut und eine gute Nacht wünscht. Dabei dauerte es etwas, bis der Protagonist so aussah, wie man ihn heute kennt. Erste Entwürfe sahen noch leicht horrorartig aus; die Gestalt wurde immer weiter an die Bedürfnisse des Publikums angepasst. Schon bald war das Sandmännchen fester Bestandteil der Abendroutine vieler Familien.
Kontroversen und politische Bezüge in der Anfangszeit
Nicht immer lief es dabei ganz ohne Aufregung. Bereits die erste Folge sorgte für Proteste, als der Sandmann am Ende der Folge an einer Straßenecke einschlief. Zahlreiche Kinder hatten daraufhin so viel Mitleid, dass sie ihm per Brief ihre Betten angeboten haben. Und als die Figur in einer Episode mit einem Heißluftballon ankam, gab es Ärger mit der Obrigkeit. Der Grund: Zwei Tage zuvor waren zwei Familien mit einem solchen aus dem Staat geflohen.
Generell konnte sich der Sandmann, obgleich eine Kindersendung, dem politischen Umfeld seiner Zeit nicht gänzlich entziehen und erzählte nicht nur von fernen Ländern und Märchen, sondern auch von sozialistischen Idealen. Der kleine Mann mit der Zipfelmütze landete in Pionierlagern und besuchte die Nationale Volksarmee. Aber im Kern blieb die Sendung frei von Ideologien und bescherte ihrem Klientel angenehme Nächte.
Das Ende der DDR und die Zukunft des Sandmanns
1989 verschwand die DDR. Als Gerüchte aufkamen, der allabendliche Gast würde mit verschwinden, formierte sich eine gigantische Protestwelle. Der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl versicherte daraufhin, der Sandmann würde weiterstreuen. Und das tat er dann auch.
Dabei ging die Figur auch mit der Zeit und passte sich an – nicht nur durch neue Geschichten, sondern auch durch technische Innovationen. So wurde der klassische, mit aufwendiger Stop-Motion-Technik umgesetzte Puppentrick auch mit moderner Computeranimation kombiniert.
Ein Kulturerbe für die ganze Familie
Mit seinen 65 Jahren auf dem Buckel ist „Unser Sandmännchen“ nicht nur eine Kindersendung – es ist ein kulturelles Erbe. Eine Ikone, die Kinder generationsübergreifend begleitet hat und es immer noch tut. In einer Welt, die sich ständig verändert, bietet der Sandmann ein vertrautes Ritual und eine Quelle der Geborgenheit. Technologie und Medien mögen sich weiterentwickeln. Sand bleibt immer gleich.