Es ist ein stetes Hin und Her, ein Auf und Ab: Der Bau des am 9. November 2007 vom Bundestag beschlossenen Freiheits- und Einheitsdenkmals vor dem Humboldt-Forum in Berlin bleibt in der Schwebe. Die sogenannte Einheitswippe soll an die friedliche Revolution erinnern, die zur deutschen Einheit führte.
Bleiben wir zu Beginn vorsichtig optimistisch: Die Einheitswippe wird frühestens 2026 fertiggestellt. Das sagte die Kulturstaatssekretärin Claudia Roth in der BZ. Die Zeitung hatte Anfang Dezember dieses Jahres nachgefragt, wie weit der geplante Bau des Denkmals auf der Museumsinsel vor dem Berliner Stadtschloss – dem Humboldt-Forum – mittlerweile fortgeschritten ist. Denn zu sehen ist von der Einheitswippe dort leider noch nichts, bis auf den Sockel, der das Denkmal künftig tragen soll. Das Projekt könnte also 2026 abgeschlossen werden – weniger als 20 Jahre nach seinem Start. Die Sache hat aber mindestens einen Haken.
Eine 150-Tonnen-Wippe für 1.400 Personen
Bereits 1998 brachten Politiker, Bürgerrechtler und Städteplaner die Idee eines Denkmals zur Würdigung der Leistungen und des Mutes einzelner Bürger, die zum Mauerfall und zur deutschen Einheit führten, auf den Weg. Das Projekt gewann über die kommenden Jahre Anhänger und gipfelte in der Entscheidung des Bundestages, ein Denkmal errichten zu lassen. Das war am 9. November 2007.
Anfang 2009 wurde ein offener Wettbewerb zur Gestaltung des Denkmals ausgerufen, der wegen Unstimmigkeiten in der Jury aber nach kurzer wieder abgebrochen wurde. Ein zweiter Wettbewerb im gleichen Jahr führte zu drei gleichrangigen Entwürfen, die mit Preisen ausgezeichnet wurden. Im April 2011 schließlich verkündete die Jury den Gewinner: „Bürger in Bewegung“ vom Planungsbüro Milla & Partner in Zusammenarbeit mit der Choreografin/Tänzerin Sasha Waltz. Bei diesem Entwurf handelt es sich um eine begehbare Schale mit einer Grundfläche von gut 700 m2 (circa 50 x 14 m) und einem Gewicht von 150 t, die Platz für knapp 1.400 Personen bietet. Der maximale Höhenunterschied der Schale soll einen Meter betragen. Eine große Wippe eben.
Bei Berliner Bauprojekten gilt Murphys Gesetz
Das Planungsbüro entwickelte den Entwurf bis Ende 2013 zur Baureife weiter und die zuständige Bauaufsichtsbehörde erteilte im Oktober 2015 die Baugenehmigung. Es hätte also 2016 losgehen können. Hätte. Denn das Vorhaben wurde gestoppt. Die Gründe waren Naturschutzauflagen (Umsiedlung von Fledermäusen) und Auflagen des Denkmalschutzes.
Nach politischem Hin und Her gab das Plenum des Bundestages am 1. Juni 2017 schließlich wieder grünes Licht für den Bau, damit das Denkmal zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 eingeweiht werden könnte. Gebaut wurde trotzdem nicht. Im Laufe des Jahres 2018 verhinderten unklare Grundstücks- und Finanzierungsfragen den Start des Projekts. Ende 2018 wurde der Bauantrag wieder freigegeben. Wegen verschiedener Probleme (wieder Fledermäuse), anderer vorrangiger Bauvorhaben usw. verschob sich der Baubeginn aber erneut: bis Mitte Mai 2020.
Fertigstellung ungewiss, aber Kosten steigen weiter
In der Folge wurde immerhin die Sockelkonstruktion bis Ende 2021 fertiggestellt. Es fehlte also nur noch die Wippe. Das Planungsbüro Milla & Partner hatte die dafür notwendige Konstruktion bei dem nordrhein-westfälischen Metallbauunternehmen Rohlfing in Auftrag gegeben. Bis Dezember 2023 waren laut Berliner Zeitung 85 Prozent des Stahlgerüstes fertig und auch bezahlt – mit Geldern des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), das die nötigen Beträge an Milla & Partner überwiesen hatte, die damit die Metallbauer bezahlten. Dummerweise war das Metallbauunternehmen aber in finanzielle Schieflage geraten und musste im Februar 2024 Insolvenz anmelden. Durch das überwiesene Geld des BBR ist das Metallgerüst eigentlich im Besitz des Bundes.
Eigentlich. Denn Rohlfing gibt die fertiggestellten Teile der Konstruktion nicht frei. In der Zwischenzeit musste auch das Planungsbüro Milla & Partner im Juli 2024 Insolvenz anmelden. Den erfolgreichen Teil des Unternehmens hat die Werbeagentur Jung von Matt gekauft. Den Rest wickeln Insolvenzverwalter ab. Durch die so entstandenen rechtlichen Unklarheiten bezüglich des Besitzes kann der Bau der Wippe nicht weitergehen. Die Kulturstaatssekretärin Claudia Roth sah sich deshalb gezwungen, einen Wirtschaftsprüfer einzuschalten, der die Angelegenheit aufklären soll.
Dabei ist es bis jetzt geblieben. Schuldige werden gesucht, Insolvenzverfahren abgewartet und niemand fühlt sich so richtig verantwortlich. Es bleibt alles in der Schwebe … Nicht zu vergessen: Die veranschlagten Baukosten stiegen über die Jahre von anfänglichen circa elf Millionen Euro auf mehr als 14 Millionen im April 2016 (Tagesspiegel) auf aktuell über 17 Millionen Euro. Laut der Berliner Zeitung liegt dem Haushaltsausschuss des Bundestages mittlerweile ein Antrag über weitere 4,7 Millionen Euro zur Fertigstellung des Projekts vor. Wird dieser bewilligt, könnte das Projekt noch fertiggestellt werden. Könnte. Vielleicht zum 20-jährigen Jubiläum des Beschlusses am 9. November 2027?