Rotkäppchen-Sekt ist eines der bekanntesten Produkte aus der DDR. Die Marke hat die Wende nicht nur überlebt, sondern sich auch zum Marktführer entwickelt. Entgegen den Klischees brachte die DDR-Planwirtschaft zahlreiche innovative Entwicklungen hervor – darunter Spitzentechnologien, die bis heute weltweit genutzt werden.

Mehr als zwölf Millionen Patentschriften befinden sich im Bestand der Zentralen Patentbibliothek des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen. Sie war die größte öffentliche technische Spezialbibliothek der DDR. Abbildung: Commons Wikimedia, Bundesarchiv, Bild 183-1986-0910-005 / CC-BY-SA 3.0
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war nicht nur ein Staat geprägt von Planwirtschaft, staatlicher Kontrolle und politischen Spannungen, sondern auch ein Ort, an dem zahlreiche Erfindungen entstanden. Trotz der Isolierung vom Westen und der Fokussierung auf Schwerindustrie und militärische Forschung gab es in vielen Bereichen innovative Entwicklungen. Zahlreiche Erfindungen aus der DDR fanden nicht nur im eigenen Land Anwendung, sondern wurden auch international beachtet.
Vom Atombunker zur Tiefkühlpizza
Einst wurden seine Maschinen genutzt, um Atombunker zu tarnen – heute sorgen sie für die perfekte Kühlung von Pizza. Dieter Mosemann zählt zu den produktivsten Erfindern der DDR: Er meldete 71 Patente an und leitete die Entwicklungsabteilung des volkseigenen Betriebs (VEB) Kühlautomat. Das Unternehmen spezialisierte sich auf Gefriertechnik, insbesondere für die russische Fischfangflotte, und erzielte einen beeindruckenden Tagesumsatz von fast einer Million Mark.
Nach der Wende wurde der VEB Kühlautomat vom Unternehmen Grasso übernommen, einem Spezialisten für Kältetechnik und Tochtergesellschaft des multinationalen GEA-Konzerns. GEA ist bekannt für Anlagen in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, darunter Melkmaschinen und Kühlhallen. Die von Mosemann und seinem Team entwickelten Kältemaschinen sind heute in den Vertriebszentren großer Lebensmittelhändler im Einsatz. Sie stehen exemplarisch für DDR-Innovationen, die trotz aller Herausforderungen nach der Wiedervereinigung erfolgreich im Westen integriert wurden.
Vorgaben für Forschung und Entwicklung
Das DDR-System förderte offiziell die Wissenschaft und Technik. Die staatlichen Forschungsinstitute und Universitäten waren verpflichtet, zur Stärkung der Volkswirtschaft beizutragen. Allerdings unterlagen Forschung und Entwicklung auch strengen politischen Vorgaben. Die staatliche Planung lenkte die Forschung in bestimmte Richtungen, oft mit dem Fokus auf Schwerindustrie und militärische Anwendungen. Die Isolation der DDR führte zu einer verstärkten Suche nach eigenen Lösungen und zur Entwicklung von Ersatzstoffen. Die DDR verfügte allerdings über gut ausgebildetes wissenschaftliches Personal.
Berühmte Erfindungen aus der DDR
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen entstanden zahlreiche bemerkenswerte Erfindungen, zum Beispiel:
- Malimo: Dieser strapazierfähige Stoff, entwickelt von Heinrich Mauersberger, war ein echter Exportschlager der DDR. Er fand sowohl in der Bekleidungsindustrie als auch in der Raumfahrt Anwendung.
- Dederon: Ein weiteres Beispiel für einen erfolgreichen DDR-Stoff war Dederon. Dieses Kunstfasergemisch wurde für die Herstellung von Kleidung und technischen Textilien verwendet.
- Künstliche Bandscheiben: Die Entwicklung einer künstlichen Bandscheibe war ein medizinischer Meilenstein und zeigte die hohe Kompetenz ostdeutscher Orthopäden.
- Trabant: Obwohl oft belächelt, war das bekannteste Produkt der DDR nicht nur ein Auto, sondern auch ein Symbol des Alltags. Der Trabant war ein Ergebnis der Notwendigkeit: Ein einfach zu produzierendes und robustes Fahrzeug für die Massen.
- Elektronik: Die DDR hatte eine gut entwickelte Elektronikindustrie. Besonders in den Bereichen der Messtechnik und der Automatisierungstechnik gab es beachtliche Erfolge.
Von etwa 1974 bis 1978 entwickelte die Arbeitsgemeinschaft „Station Junge Techniker“ im brandenburgischen Finsterwalde sogar ein Elektrofahrzeug – den Elsist. Das „Elektrische-Sicherheits-Stadtauto“ verfügte über zwei ausrangierte 40-Volt-Motoren, die eine Leistung von je 2,5 kW hatten. So brachte es das Fahrzeug auf eine Gesamtleistung von 16 PS. Die Reichweite betrug 50 km und die Höchstgeschwindigkeit 55 km/h. Der Elsist erhielt erst 1987 seine Straßenzulassung, aber nur unter der Voraussetzung, dass der Lehrmeister Erhard Neubert keine Weiterentwicklung betreibt.
Das Patentsystem: Unterschiede und Entwicklung
Das Patentsystem der DDR war eng an die politische und wirtschaftliche Ideologie des Sozialismus gebunden. Erfindungen, die für die Volkswirtschaft von Bedeutung waren, wurden bevorzugt behandelt. Allerdings war die internationale Anerkennung von DDR-Patenten schwierig, da die DDR kein Mitglied der internationalen Patentorganisation war. Es gab viele Unterschiede zum westlichen Patentsystem. Unter anderem erhielten Erfinder statt Patenten in der Regel nur einen Erfinderlohn. Dieser war jedoch oft gering und an strenge Kriterien gebunden.
Die Wiedervereinigung Deutschlands stellte für die ostdeutsche Wirtschaft eine gewaltige Herausforderung dar. Die Umstellung von einer planwirtschaftlich geprägten auf eine marktwirtschaftlich ausgerichtete Produktion erforderte tiefgreifende Veränderungen. Gleichzeitig bot sie auch Chancen, die Potenziale ostdeutscher Erfindungen zu nutzen. Dafür gab es verschiedene positive Voraussetzungen:
- Grundlagenforschung: Viele ostdeutsche Forschungsinstitute hatten in bestimmten Bereichen wie der Materialforschung oder der Biotechnologie weltweit anerkanntes Know-how. Dieses Wissen bildete die Grundlage für innovative Unternehmen und Produkte im vereinigten Deutschland.
- Spezialisierte Technologien: Die DDR hatte sich in einigen Nischenbereichen wie der Messtechnik oder der Automatisierungstechnik spezialisiert. Diese Technologien fanden auch nach der Wende Anwendung und trugen zur Stärkung der deutschen Industrie bei.
- Patente und Lizenzen: Einige ostdeutsche Erfindungen waren durch Patente geschützt. Diese Patente konnten nach der Wende vermarktet werden, was zu Einnahmen für ostdeutsche Unternehmen führte.
- Qualifizierte Arbeitskräfte: Die DDR verfügte über einen großen Pool an Ingenieuren und Technikern, die nach der Wende in westdeutschen Unternehmen oder neu gegründeten ostdeutschen Firmen beschäftigt wurden.
Herausforderungen und Blick in die Zukunft
Die jahrzehntelange Planwirtschaft in der DDR hatte zu einer Veraltung der Technologien und Produktionsverfahren geführt. Die Umstellung auf moderne, marktwirtschaftliche Standards war ein langwieriger und kostenintensiver Prozess. Hinzu kam, dass die ostdeutschen Unternehmen kaum Erfahrung mit Marktmechanismen und Kundenbedürfnissen hatten. Die Integration in den westdeutschen Markt war daher schwierig und erforderte tiefgreifende Veränderungen. Bürokratische Hürden und rechtliche Unsicherheiten erschwerten die Transformation der staatlichen Betriebe in private Unternehmen. Zudem mussten sich die ostdeutschen Unternehmen einem harten Wettbewerb mit etablierten westdeutschen und internationalen Unternehmen stellen. Dieser Wettbewerb war oft ungleich, da die ostdeutschen Unternehmen in vielen Bereichen nicht konkurrenzfähig waren.
Die Auswirkungen von DDR-Erfindungen auf die deutsche Wirtschaft nach der Wiedervereinigung waren ambivalent. Einerseits trugen sie dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Andererseits wurden viele Potenziale nicht ausgeschöpft, da die Transformationsprozesse oft mit Schwierigkeiten verbunden waren. Langfristig betrachtet haben DDR-Erfindungen jedoch dazu beigetragen, die Innovationskraft Deutschlands zu erhöhen. Viele ostdeutsche Unternehmen haben sich erfolgreich am Markt etabliert und tragen heute zur technologischen Führung Deutschlands bei.
Eine ausführliche Liste mit Markennamen und Produkten in der DDR findet sich hier.
Zum Thema „Erfindungen in der DDR“ hat der MDR Sachsen – Das Sachsenradio hier eine Folge im Podcast „Exquisit“ veröffentlicht.
Eine Dokumentation zum Thema „Damals in der DDR: Erfindungen Marke Eigenbau“ vom MDR ist hier abrufbar.