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Frank Nehring: Vorwort zu „Denke ich an Ostdeutschland ...“

Frank Neh­ring, Grün­der des Ost­deut­schen Wirt­schafts­fo­rums (OWF) und Chef­re­dak­teur von Wirtschaft+Markt, ist Her­aus­ge­ber des Sam­mel­ban­des „Den­ke ich an Ost­deutsch­land ...“. Er möch­te zu Ver­ge­wis­se­rung, Ver­stän­di­gung und Ver­söh­nung bei­tra­gen. Hier erscheint sein Vor­wort zum Sam­mel­band online.

Frank Nehring, Gründer des Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF) und Chefredakteur von Wirtschaft+Markt, ist Herausgeber des Sammelbandes „Denke ich an Ostdeutschland ...“. Er möchte zu Vergewisserung, Verständigung und Versöhnung beitragen. Hier erscheint sein Vorwort zum Sammelband online.

Frank Neh­ring, Grün­der des Ost­deut­schen Wirt­schafts­fo­rums (OWF) und Chef­re­dak­teur von Wirtschaft+Markt, ist Her­aus­ge­ber des Sam­mel­ban­des „Den­ke ich an Ostdeutschland ...“.

Lan­ge Zeit – bis 1990 – habe ich nicht an Ost­deutsch­land gedacht. Ich leb­te 37 Jah­re in der DDR, das ein rich­ti­ges Land war, ein eigen­stän­di­ger Staat. Den Aus­druck „Ost­deutsch­land“ kann­te ich eher als ein her­ab­wür­di­gen­des Schimpf­wort aus dem Wes­ten. Das blieb es auch nach dem Bei­tritt der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik zur Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Ich war froh, dass von nun an die Rede von den neu­en Bun­des­län­dern war. Mich als Ber­li­ner aus dem Osten hat das zwar immer etwas weni­ger bewegt, aber immerhin.

Heu­te sind die neu­en Län­der nicht mehr wirk­lich neu. Aber der Begriff Ost­deutsch­land hat eine Renais­sance erlebt. Der Osten hat es in sich. Für man­chen ist er immer noch ein Gebiet, in dem man die Demo­kra­tie nicht ver­steht, wo die Rech­ten zu Hau­se und alle mehr oder weni­ger unzu­frie­den sind. Für mich ist das der Osten nie gewe­sen. Ost­deutsch­land ist mei­ne Hei­mat, mei­ne erleb­te Ver­gan­gen­heit, mei­ne Gegen­wart und mei­ne Zukunft.

Die Ver­gan­gen­heit scheint mir per­sön­lich unbe­wäl­tigt auf­grund zu gerin­ger his­to­ri­scher Distanz und des­halb oft fehl­ge­deu­tet, unver­stan­den und erklä­rungs­be­dürf­tig. Des­halb den­ke ich immer häu­fi­ger über Ost­deutsch­land nach. Ich habe auf vie­le Fra­gen kei­ne Ant­wort und will doch erklären.

Für den Osten war die „Wie­der­ver­ei­ni­gung“ etwas Neu­es, aber es war auch der Bei­tritt zu etwas Altem. Heu­te wird oft beklagt, dass der Osten so wenig Neu­es in die alte Bun­des­re­pu­blik ein­brin­gen durf­te, und ver­langt, das nach­zu­ho­len. Dass wir das selbst tun müs­sen, hat sich noch nicht über­all herumgesprochen.

Manch einer fühlt sich in sei­ner Opfer­rol­le wohl und hat doch so wenig ver­stan­den. Gera­de der Osten kann die Zukunft gestal­ten, viel­leicht ist das sogar sei­ne Rol­le im ver­ein­ten Deutsch­land. Im Jahr 2016 habe ich die Idee des Ost­deut­schen Wirt­schafts­fo­rums (OWF) erst­mals umge­setzt. Ich woll­te wis­sen, ob sich noch jemand für die Zukunft der ost­deut­schen Wirt­schaft inter­es­siert oder ob wir uns alle nur noch als Bran­den­bur­ger, … , als Deut­sche oder gar Euro­pä­er ver­ste­hen. Die Ent­wick­lung des OWF zur größ­ten Wirt­schafts­kon­fe­renz in Ost­deutsch­land mit hoch­ran­gi­gen Ver­tre­tern aus der Bun­des- und Lan­des­po­li­tik, aus der Wirt­schaft und der Wis­sen­schaft hat mit wich­ti­gen The­men und zukunfts­ge­rich­te­ten Debat­ten bewie­sen, dass sehr wohl ein Inter­es­se dar­an besteht, mit Opti­mis­mus und Selbst­be­wusst­sein auf die Gegen­wart zu schau­en und über die Zukunft zu sprechen.

Heu­te reden wir viel von Trans­for­ma­ti­on. Der Osten kennt seit 1990 über­haupt nichts ande­res. Ob wir des­halb kom­pe­ten­ter, resi­li­en­ter oder erfah­re­ner sind, möch­te ich nicht bewer­ten. Trans­for­ma­ti­on braucht kla­re und gute Zie­le. Die Umset­zung darf auch manch­mal weh­tun, wenn sie denn vor­wärts­bringt. Tut sie es nicht, sucht sich die Unzu­frie­den­heit ihren Raum. Auf der Stra­ße, in der fal­schen Par­tei oder sonst wo.

Weil das so ist und mei­ne Mei­nung nur eine von vie­len ist, freue ich mich über die Idee zu die­sem Buch, die mein Sohn Robert hat­te. Ich freue mich auch über den Zuspruch der vie­len Autoren. Die Viel­falt ihrer Bei­trä­ge und ihre unter­schied­li­chen Bio­gra­fien machen die­sen Sam­mel­band 35 Jah­re nach dem Mau­er­fall zu einem Zeitdokument.

Frank Neh­ring
Juli 2024

 

BUCHTIPP:

„Denke ich an Ostdeutschland ...“

In der Bezie­hung von Ost- und West­deutsch­land ist auch 35 Jah­re nach dem Mau­er­fall noch ein Kno­ten. Die­ser Sam­mel­band will einen Bei­trag dazu leis­ten, ihn zu lösen. Die 60 Autorin­nen und Autoren geben in ihren Bei­trä­gen wich­ti­ge Impul­se für eine gemein­sa­me Zukunft. Sie zei­gen Chan­cen auf und skiz­zie­ren Per­spek­ti­ven, scheu­en sich aber auch nicht, Her­aus­for­de­run­gen zu benen­nen. Die „Impuls­ge­be­rin­nen und Impuls­ge­ber für Ost­deutsch­land“ erzäh­len Geschich­ten und schil­dern Sach­ver­hal­te, die auf­klä­ren, Mut machen sowie ein posi­ti­ves, kon­struk­tiv nach vorn schau­en­des Nar­ra­tiv für Ost­deutsch­land bilden.

„Den­ke ich an Ost­deutsch­land ... Impul­se für eine gemein­sa­me Zukunft“, Frank und Robert Neh­ring (Hgg.), PRIMA VIER Neh­ring Ver­lag, Ber­lin 2024, 224 S., DIN A4.

Als Hard­co­ver und E-Book hier erhältlich.

 

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