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Gesellen auf der Walz: Wo ein deutsch-deutsches Miteinander noch problemlos gelingt …

Hand­wer­ker auf der Walz tref­fen sich im rumä­ni­schen Her­mann­stadt, wo deut­sche Geschich­te, euro­päi­sche Kul­tur und per­sön­li­che Frei­heit auf­ein­an­der­tref­fen. Dr. Andre­as H. Apelt, Publi­zist, Schrift­stel­ler und Beauf­trag­ter des Vor­stan­des Deut­sche Gesell­schaft e.V., zeigt in sei­ner Repor­ta­ge pas­send zum Tag der Deut­schen Ein­heit, wie jun­ge Gesel­len Brü­cken zwi­schen Ost und West schla­gen – jen­seits von Kli­schees, Vor­ur­tei­len und Grenzen.

Wandergesellen aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Abbildung: Dr. Andreas H. Apelt

Wan­der­ge­sel­len aus ver­schie­de­nen Regio­nen Deutsch­lands. Abbil­dung: Dr. Andre­as H. Apelt

„Da muss man Deutsch­land schon ver­las­sen, um sich als Deut­scher zu begrei­fen. Da spielt dann das gan­ze Ost-und-West-Gere­de kei­ne Rol­le mehr.” Das sagt Mat­ze, ein gebür­ti­ger Ber­li­ner Zim­mer­manns­ge­sel­le. Er sagt es auf einem gera­de gezim­mer­ten Holz­dach im rumä­ni­schen Hermannstadt/Sibiu, 1.400 km von der Hei­mat ent­fernt, und lacht. Dabei zeigt er vom First des alten, sie­ben­bür­gisch-säch­si­schen Bür­ger­hau­ses hin­un­ter in den Hof. Dort ste­hen ein gutes Dut­zend Gesel­len. Es sind Wan­der­ge­sel­len, die sich aus allen Tei­len Deutsch­lands auf­ge­macht haben, um hier in dem 800 Jah­re alten, einst von deut­schen und luxem­bur­gi­schen Sied­lern gegrün­de­ten Ort an der Restau­rie­rung ein­ma­li­ger kul­tur­his­to­ri­scher Klein­ode teilzuhaben.

Wandergesellen statt Akademiker

Die Gesel­len sehen mar­tia­lisch aus, merk­wür­di­ge Gestal­ten mit eigen­tüm­li­chen Anzü­gen, die sie als Kluft bezeich­nen, und gro­ßen Hüten. Sie tra­gen wei­ße Lei­nen­hem­den, die sie Stau­den und Bin­der, die sie Ehr­bar­keit nen­nen. Sie schei­nen aus der Zeit gefal­len zu sein. Und sie sind es auch, irgend­wie, mit ihrem Ver­zicht auf moder­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Han­dys sind tabu. Schon das wür­de gleich­alt­ri­ge Zeit­ge­nos­sen zur Ver­zweif­lung trei­ben. Für die Gesel­len ist es Nor­ma­li­tät. Und ein Stück der Frei­heit, nicht jeder Marot­te nach­zu­lau­fen, egal, ob sie aus Bre­men, Ber­lin, Chem­nitz, dem All­gäu, der Pri­g­nitz, dem Baye­ri­schen Wald oder dem Huns­rück kom­men. Gemein­sam betrei­ben sie dafür eine Schau­werk­statt, in der ein stän­di­ges Schmie­de­feu­er brennt, schwe­re Häm­mer auf glü­hen­de Eisen nie­der­fah­ren, Holz­bal­ken auf Hobel­bän­ken bear­bei­tet und Stein­qua­der beschla­gen wer­den. Hier zei­gen sie ihr Kön­nen, repa­rie­ren Tür­schlös­ser, tisch­lern Fens­ter­lä­den, behau­en neue Schluss­stei­ne oder laden Kin­der aus sozi­al benach­tei­lig­ten Fami­li­en zu klei­nen Schmie­de- oder Tisch­ler­work­shops ein. Für Wochen wer­den die Gesel­len so Mit­glie­der der Stadt­ge­sell­schaft, deren eth­ni­sche Mehr­heits­ver­hält­nis­se sich längst ver­scho­ben haben. Spä­tes­tens seit­dem eine gro­ße Zahl deut­scher Bewoh­ner Anfang der 90er-Jah­re gen Wes­ten auf­brach. Zuvor bil­de­ten sie gemein­sam mit Ungarn, Rumä­nen und Roma eine span­nen­de, zuwei­len auch kon­flikt­rei­che, inter­kul­tu­rel­le und inter­re­li­giö­se Mischung, die für Viel­völ­ker­staa­ten Süd­ost­eu­ro­pas typisch ist.

Evangelische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt (Sibiu), Siebenbürgen.

Evan­ge­li­sche Stadt­pfarr­kir­che in Her­mann­stadt (Sibiu), Sie­ben­bür­gen. Abbil­dung: Dr. Andre­as H. Apelt

Deutsch-deutsches Miteinander im Herzen Rumäniens

Wan­der­ge­sel­len sind gut orga­ni­sier­te Brü­cken­bau­er. Räum­lich bau­en sie Brü­cken in jene Land­stri­che, die sich so oft all­ge­mei­ner Auf­merk­sam­keit ent­zie­hen. Aber es sind auch Brü­cken der Zeit, die in die Ver­gan­gen­heit rei­chen. Denn ihre Arbeit ist ein Stück „Wie­der­gut­ma­chung“ für den Weg­gang der rumä­ni­en-deut­schen Hand­wer­ker wäh­rend und vor allem nach dem Ende der Ceaușes­cu-Dik­ta­tur. Und damit ein Stück Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschich­te von Men­schen und ihren Schick­sa­len. Par­al­le­len zur Dik­ta­tur­ge­schich­te ihrer Eltern und Groß­el­tern ent­de­cken die Gesel­len mit ost­deut­scher Vita alle­mal. Sie machen ein Vier­tel der am Pro­jekt betei­lig­ten Hand­wer­ker aus und scheu­en sich nicht vor unan­ge­neh­men Fra­gen. Frei nach dem Sprich­wort „Gemein­sam­kei­ten ent­deckt man in der Fer­ne“ bau­en die Gesel­len deutsch-deut­sche Brü­cken. Mit den deut­schen Sie­ben­bür­gern gibt es ohne­hin kei­ne Pro­ble­me. Bei der gemein­sa­men Arbeit tau­schen die Gesel­len Erfah­run­gen aus, lösen schwie­ri­ge Auf­ga­ben und ler­nen sich gegen­sei­tig schät­zen. Es scheint das Mit­ein­an­der auf exter­ri­to­ria­lem Gebiet beson­ders gut zu gedei­hen. Das bewei­sen die erfolg­rei­chen Bau­stel­len der Ver­gan­gen­heit, sei es an der Evan­ge­li­schen Kir­che, der Syn­ago­ge, den alten Bür­ger­häu­sern oder ande­ren kul­tur­his­to­ri­schen Orten und Objekten.

Doch fach­sim­peln die jun­gen Hand­wer­ker nicht nur in Gesprächs­run­den und Work­shops, son­dern dis­ku­tie­ren auch über poli­ti­sche Ent­wick­lun­gen. Inter­es­san­ter­wei­se spie­len Ost-West-Befind­lich­kei­ten oder die sonst übli­che Kul­ti­vie­rung klas­si­scher Vor­ur­tei­le im fer­nen Rumä­ni­en gar kei­ne Rol­le mehr. Dahin zu fra­gen wird eher als Beläs­ti­gung empfunden.

„Wir sind doch alle gleich“, behaup­ten sie und schla­gen sich aner­ken­nend auf die Schul­tern. Nur, wenn sie über Deutsch­land reden, stößt es manch einem bit­ter auf. So berich­tet ein Ham­bur­ger Tisch­ler, wie ihm in Meck­len­burg viel Abnei­gung ent­ge­gen­schlug, weil die neu­en Arbeits­kol­le­gen fürch­te­ten, der wan­dern­de Gesel­le woll­te den Ost­deut­schen die Arbeit weg­neh­men. Anders die Argu­men­te im Wes­ten. Der Mau­rer aus Pir­na erzählt, wie er in einer Bau­fir­ma im Breis­gau gefragt wur­de, ob er auch wirk­lich Ecken mau­ern kön­ne, so, als wür­den im Osten die Leu­te nichts von anspruchs­vol­ler Arbeit ver­ste­hen. Ungläu­big schüt­teln die Gesel­len die Köp­fe. Eini­ge machen böse Bemer­kun­gen. Gesel­len sind nun mal Gesel­len, sie sind kei­ne Aka­de­mi­ker und pfei­fen auf „poli­ti­cal cor­rect­ness“. Sie gehor­chen ihrem Gefühl, das kein Gegen­ein­an­der zulässt, und stem­men sich not­falls gegen die Zeit­läu­fe. Dabei fol­gen sie uralten Ritua­len, die das Mit­ein­an­der sichern. Die­se Ritua­le, gefärbt durch Erbe und Tra­di­ti­on, wider­setz­ten sich schon immer den Zwän­gen, Vor­schrif­ten und Ein­schrän­kun­gen von Frei­heits­rech­ten. Kein Wun­der, wenn die bei­den deut­schen Dik­ta­tu­ren das „Vaga­bun­die­ren“ ver­bo­ten. Gemeint war die Walz, jene seit 500 Jah­ren nach­weis­ba­re Wan­der­schaft, die die jun­gen Hand­wer­ker aus ihrer hei­mat­li­chen Umge­bung ver­bannt und sie für min­des­tens drei Jah­re und einen Tag „in alle Her­ren Län­der“ ver­streut. Nähern dür­fen sie sich der alten Hei­mat nur bis auf 50 Kilo­me­ter. Schon des­halb suchen sie das Wei­te, das Beson­de­re, das Andere.

Sehr bewusst schlos­sen sie sich der Ein­la­dung der Deut­schen Gesell­schaft e.V. an, dem ers­ten nach dem Mau­er­fall gegrün­de­ten gesamt­deut­schen Ver­ein, der sich das Zusam­men­wach­sen des Lan­des auf die Fah­nen geschrie­ben hat­te. Von ihr stammt die Idee, die gemein­sam mit dem ört­li­chen Gesel­len­ver­ein erst­mals 2007 im sie­ben­bür­gi­schen Her­mann­stadt rea­li­siert wur­de. Damals war Her­mann­stadt euro­päi­sche Kul­tur­haupt­stadt, und kein Gerin­ge­rer als Bun­des­prä­si­dent Horst Köh­ler eröff­ne­te im Bei­sein des Ober­bür­ger­meis­ters von Her­mann­stadt und spä­te­ren rumä­ni­schen Staats­prä­si­den­ten Klaus Johan­nes die Gesellenherberge.

Handwerk statt Handy: In einer Schauwerkstatt reparieren Gesellen Türschlösser, tischlern Fensterläden und behauen Schlusssteine. Abbildung: Dr. Andreas H. Apelt

Hand­werk statt Han­dy: In einer Schau­werk­statt repa­rie­ren Gesel­len Tür­schlös­ser, tisch­lern Fens­ter­lä­den und behau­en Schluss­stei­ne. Abbil­dung: Dr. Andre­as H. Apelt

Eine einmalige Erfolgsgeschichte!

Was zunächst nur für 2007 geplant wur­de, hat sich als eine ein­ma­li­ge Erfolgs­ge­schich­te eta­bliert. Zum Erfolg zählt auch die Aus­zeich­nung mit dem Euro­päi­schen Kul­tur-Award. Soll­ten 2026 erneut die not­wen­di­gen Mit­tel von Spen­dern und Spon­so­ren zusam­men­kom­men, kann die Deut­sche Gesell­schaft e.V. mit dem Pro­jekt auf ein 20-jäh­ri­ges Jubi­lä­um schau­en. Inter­es­sen­ten wer­den schon jetzt gesucht.

Hilf­reich war, dass Her­mann­stadt am Zib­in auf eine lan­ge hand­werk­li­che Tra­di­ti­on zurück­bli­cken kann, galt sie doch als Stadt der Zünf­te. Schon vor Jahr­hun­der­ten war sie eine Hoch­burg der wan­dern­den Gesel­len. Und die machen sich nun, nach den ers­ten Vor­bo­ten 2003, seit 2007 regel­mä­ßig auf den Weg. Nir­gend­wo sonst in Euro­pa fin­det man im Som­mer eine so gro­ße Zahl von Wan­der­ge­sel­len. Die Gesel­len kom­men inzwi­schen aus Frank­reich, wo sie Com­pa­gnons hei­ßen, aus Eng­land, Skan­di­na­vi­en, Öster­reich und der Schweiz. Und natür­lich aus Deutsch­land. Berüh­rungs­ängs­te ken­nen sie nicht. Schnell rela­ti­viert sich manch deutsch-deut­sche Ver­stim­mung im euro­päi­schen Chor. Nutz­nie­ßer sind am Ende alle.

Wan­der­ge­sel­len arbei­ten für Kost und Logis, nicht für Wohl­stand. Denn am liebs­ten ist ihnen die Frei­heit. Ein Begriff, den sie mit eige­nen Vor­stel­lun­gen fül­len. So sind schon gut ein Dut­zend Gesel­len nach ihrer Walz aus­ge­rech­net in Rumä­ni­en geblie­ben. Es sind moder­ne Aus­stei­ger, die den deut­schen Ver­hält­nis­sen den Rücken keh­ren und sich in den alten deut­schen Sied­lungs­ge­bie­ten Sie­ben­bür­gens nie­der­las­sen. Dort erwer­ben sie die leer­ste­hen­den Höfe der Sie­ben­bür­ger Sach­sen, die ihr Land ver­lie­ßen. Es sind roman­ti­sche Dör­fer in einer grü­nen, hüge­li­gen Land­schaft, beschützt von mäch­ti­gen Kir­chen­bur­gen, die einst als Schutz gegen die Tür­ken gebaut wur­den. Auf den stau­bi­gen Dorf­stra­ßen spie­len die Kin­der zwi­schen den frei lau­fen­den Kühen, Scha­fen und Hun­den. Eini­ge Dör­fer haben weder Kana­li­sa­ti­on noch Was­ser, nur die Pum­pe oder den Brun­nen im Hof. Trotz­dem arran­gie­ren sich die Neu­en mit den Bedin­gun­gen, dafür gibt es kaum Vor­schrif­ten, kei­ne Gän­ge­lei­en, kei­ne fest­ge­fah­re­nen Struk­tu­ren, kei­ne Büro­kra­tie, die die Luft zum Atmen nimmt, kei­ne ver­bit­ter­ten Beam­ten, kei­ne Mei­nungs­ma­cher, die erklä­ren, was sie zu den­ken und zu sagen haben. Rumä­ni­en bie­tet mehr: ein offe­nes Land mit neu­gie­ri­gen Men­schen und unge­wohn­ten Chan­cen, nicht ver­knö­chert, ver­staubt oder schwer­fäl­lig, denn irgend­wie geht immer was.

Dafür gibt es, ins­be­son­de­re für die deut­schen Hand­wer­ker, vol­le Auf­trags­bü­cher, eine hohe Aner­ken­nung ihrer Arbeit und die Ein­bet­tung in ein ein­ma­li­ges Stück deut­scher und euro­päi­scher Kulturgeschichte.

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