Zum Jahreswechsel werden gern Wünsche und gute Vorsätze für mehr Bewegung und bessere Ernährung formuliert. Um bei Themen des gesellschaftlichen und politischen Lebens etwas zu bewegen, reichen Wünsche und Vorsätze allein aber nicht aus. Was es stattdessen braucht, weiß Frank Nehring. Ein Kommentar.
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, warum die meisten Ihrer Wünsche und guten Vorsätze nicht in Erfüllung gehen? Es sind unverbindliche Meinungsbekundungen, deren Umsetzung Sie nicht verfolgen müssen. Wünscht sich jemand wie der Spiegel-Online-Autor (Lage am Morgen) am 2. Januar 2025, „dass das Wahlergebnis Parteien zusammenführt, die wirklich miteinander regieren wollen und die eine ähnliche Vorstellung haben von dem, was die Bundesrepublik braucht, vor allem bei den Themen Wirtschaft und Sicherheit, innere wie äußere“, so wäre es toll, wenn der Wunsch in Erfüllung ginge. Wer aber glaubt, dass allein der Wunsch ausreicht, macht es sich zu einfach. Es braucht anstelle von Wünschen und Vorsätzen klare Ziele.
Ziele haben eine andere Qualität
Ziele müssen konkret und optimistisch formuliert sowie idealerweise schriftlich dokumentiert werden. Sie müssen erstrebenswert, realistisch und damit auch abrechenbar sein. Will ich also, dass die Bundestagswahlen erfolgreich ausgehen, sollte ich die richtige Partei wählen. Ich sollte mich im Vorhinein über die Programme und Ausführungen schlau machen und nicht aus einer Laune heraus oder aus Trotz meine Stimme verschenken. Das Ziel könnte lauten: „Ich werde am 23. Februar 2025 die richtige Partei gewählt haben und mich dabei gut fühlen. Ich habe mich nicht vom Mainstream leiten lassen, sondern auch Parteiprogramme gelesen und die Äußerungen von Spitzenpolitikern verfolgt.“ Wenn ich mich über jeden Eintrag bei X (vormals Twitter) aufrege und Elon Musk nicht mehr aushalte, kann ich mich auch bei X abmelden. Das Ziel könnte lauten: „Am 30. Januar 2025 habe ich meinen X-Account gekündigt und freue mich über meine Entschlossenheit im Jahr 2025.“
Wenn ich mich nicht mehr über jede Talkshow, jede unqualifizierte Meinungsäußerung in den Medien oder aus dem Mund von Politiker ärgern will, könnte ich folgender Empfehlung des US-amerikanischen Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftlers Reinhold Niebuhr (1892–1971) folgen: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht verändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Will ich meine Meinung stärker in die öffentliche Diskussion einbringen, genügt es nicht, diese am Stammtisch zu präsentieren. In einer parlamentarischen Demokratie sind die Parteien die Meinungsbildner. Wenn Sie Verantwortung übernehmen wollen, treten Sie einer Partei oder Organisation bei. Sie entscheiden.
Klare Ziele sind die Voraussetzung für klare Worte
Was im persönlichen Bereich gilt, ist auch für eine Bundesregierung von Belang. Mit klaren Worten der Regierungsparteien wurden wir in der jüngsten Vergangenheit regelrecht unterversorgt. Die Folge sind Unsicherheit und große Sorge, weil im Subtext „geheime“ oder keinerlei Ziele vermutet werden. Ein Beispiel: Die Stelle des Verteidigungsministers wird neu besetzt. Beim Amtsantritt macht dieser keine klaren Aussagen zu Zielen, nimmt stattdessen aber unpopuläre Worte wie „kriegstüchtig“ in den Mund. Das klingt zwar nach Klartext und wird belohnt, aber der Begriff besitzt keinerlei positive Konnotationen. Und doch ist Boris Pistorius seit seinem Amtsantritt im Januar 2023 der beliebteste Bundespolitiker. Mit weitem Abstand vor denen, die sich zutrauen, die nächste Bundesregierung anzuführen. Wenn die neue Bundesregierung nicht Klartext redet, wird sie scheitern wie die alte, denn die Herausforderungen für Deutschland bleiben gleich. Klare Ziele sind die Voraussetzung dafür.