Im Jahr 2023 waren über 43.000 Unternehmerinnen und Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern älter als 55 Jahre. Für sie gilt es, sich rechtzeitig und gezielt auf die Unternehmensnachfolge vorzubereiten. Nicht immer lässt sich die Nachfolge in der eigenen Familie regeln. In solchen Fällen hilft die Nachfolgezentrale MV bei der Suche. Ein Beitrag von Wirtschaft + Markt.
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W+M-Report: Unternehmensnachfolge in Ostdeutschland. Abbildung: W+M
Genaue Zahlen, wie viele Unternehmen aktuell zur Nachfolge in Mecklenburg-Vorpommern anstehen, lassen sich nur annähernd ermitteln, denn amtliche Statistiken existieren nicht. Laut KfW-Mittelstandsatlas 2024, eine repräsentative Regionalauswertung der KfW-Bankengruppe basierend auf Daten des KfW-Mittelstandspanels, sind die Inhaber mittelständischer Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern im Durchschnitt 53 Jahre alt. 49 Prozent der Inhaber sind 50 Jahre und älter. 18 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen planen in den kommenden fünf Jahren in Mecklenburg-Vorpommern eine Nachfolgelösung, das sind drei Prozent mehr als im bundesdeutschen Durchschnitt.
Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung schätzt, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 52 von 1.000 Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern zur Nachfolge anstehen. Und nach Berechnungen der Wirtschaftskammern im Land waren im Jahr 2023 über 43.000 Unternehmer und Unternehmerinnen in Mecklenburg-Vorpommern älter als 55 Jahre.
Nachfolgezentrale unterstützt bei der Suche
Erster Ansprechpartner für Nachfolgesuchende und Nachfolgeinteressierte im Land ist die Nachfolgezentrale MV. Sie ist ein gemeinsames Projekt der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, der Steuerberaterkammer MV und der Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern. Bei letzterer ist das Projekt auch organisatorisch angesiedelt.
Die Nachfolgezentrale MV hilft bei der Vermittlung und Kontaktanbahnung zwischen Unternehmern und Unternehmerinnen sowie Nachfolgeinteressierten. „Dazu haben wir eine eigene Software für den Matching-Prozess entwickelt“, sagt Frank Bartelsen. Der Bankfachwirt leitet das 2019 gestartete Projekt. „Am Ende entscheiden aber immer unsere Mitarbeiter über das Matching.“ Das Nachfolgeportal MV nimmt dabei Suchaufträge an und begleitet die Unternehmensinhaber unter Einbindung von Experten beim Matching-Prozess. In 95 Prozent der Fälle, schätzt Bartelsen, kommt es nach der Vermittlung zu einem persönlichen Kontakt zwischen den Unternehmern und potenziellen Nachfolgern.
Die Nachfolgezentrale MV erhebt zunächst wichtige Daten zum Unternehmen. Dazu gehören Angaben wie Standort, Übergabezeitraum, Umsatz der letzten drei Jahre, Mitarbeiterzahl und natürlich die Preisvorstellungen. Im Gegensatz zu vielen kommerziellen Plattformen, die sich auf Großunternehmen konzentrieren, richtet sich die Nachfolgezentrale MV an den gesamten Mittelstand. Bartelsen sieht auch Vorteile gegenüber dem bundesweiten Portal nexxt-change, das auf der Basis von Inseraten arbeitet. „Die sind bei Unternehmern aber weniger beliebt“, weiß Bartelsen. Für die Nachfolgesuchenden seien das Vertrauensverhältnis und die Vertraulichkeit im Suchprozess besonders wichtig.
Handwerksbetriebe in MV auf Nachfolgesuche
Mitte Januar 2025 waren knapp über 2.000 Nutzer im Portal registriert, wobei rund drei Viertel davon Nachfolgeinteressierte waren. Insbesondere im Handwerk ist in Mecklenburg-Vorpommern der Bedarf an Nachfolgelösungen groß. Etwas mehr als 40 Prozent der angebotenen Unternehmen stammen aus dem Handwerk inklusive Baugewerbe.
In der Rangliste folgen Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor und dem Handel. Auf der Seite der Interessenten überwiegt die Nachfrage nach Betrieben des Dienstleistungsgewerbes (47,4 Prozent). Das Interesse an Handwerksbetrieben ist dagegen mit 37 Prozent geringer ausgeprägt (Stand Mitte Januar 2025). „Das Handwerk nimmt in der Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns einen sehr breiten Raum ein. Es gibt auch Übernahmeinteressierte, aber die Nachfrage ist eher selektiv“, hat Bartelsen festgestellt.
Weitere Auffälligkeiten aus der Statistik des Nachfolgeportals: Die registrierten Anbieter sind im Durchschnitt 61 Jahre alt. Die zu übergebenden Unternehmen sind eher klein, die durchschnittliche Beschäftigtenzahl liegt bei neun. Bei den Nachfolgerinteressierten überwiegen eindeutig männliche Bewerber. 84 Prozent der registrierten Nutzer sind männlich. „Es gibt deutlich weniger übernahmeinteressierte Frauen. Da besteht Nachholbedarf im Land, diese Zielgruppe direkt anzusprechen.“ Regional stehen die meisten Unternehmen im Landkreis Rostock (79), in der Stadt Rostock (78) und im Landkreis Ludwigslust-Parchim (75) zur Nachfolge an, die wenigsten in der Landeshauptstadt Schwerin (30).
Im Durchschnitt sind die potenziellen Nachfolger 45 Jahre alt und haben zu 15 Prozent bereits unternehmerische Erfahrung. „Die Mehrheit der Nachfolgeinteressierten sind berufserfahrene Angestellte, die sich selbstständig machen wollen. Da stehen oft beeindruckende Karrieren in Konzernen dahinter. Es sind hingegen selten junge Menschen in ihren Zwanzigern, die auf diese Weise den Schritt in die Selbstständigkeit wagen,“ bilanziert Frank Bartelsen. 22 Prozent der Interessenten stammen nicht aus Mecklenburg-Vorpommern. „Da stehen aber zum Teil persönliche Beziehungen zum Land Mecklenburg-Vorpommern hinter dem Übernahmewunsch“, weiß der Leiter der Nachfolgezentrale.
Nachfolgezentrale wird zum Exportschlager
Die Nachfolgezentrale MV startete im Sommer 2019. Seither hat sie nahezu 10.000 Kontaktanbahnungen durchgeführt und rund 1.500 persönliche Kontakte vermittelt. Insgesamt konnten bis Ende November 2024 76 Übergaben vermittelt werden. Dazu gehörten beispielsweise die R-T-Logistik GmbH & Co. KG in Lübesse oder das „Hotel am Markt“ in Altentreptow. Eine Nutzerbefragung ergab: Über 95 Prozent der befragten Nachfolgeinteressierten und 94 Prozent der Unternehmen halten eine Fortführung der Nachfolgezentrale MV für sehr wichtig. Für den Erfolg spricht auch, dass das Projekt mittlerweile Lizenznehmer in Berlin und Brandenburg gefunden hat.
Ein gutes Beispiel für die Vermittlungstätigkeit ist die Möwe Teigwarenwerk GmbH. Möwe wurde im Jahre 1952 unter dem Namen VEB Mecklenburger Teigwarenwerk gegründet. 1991 wurde das Werk durch die Treuhand privatisiert und an den niederländische Konzern CSM verkauft. Jedoch schon nach acht Jahren drohte die Schließung. Drei damalige Manager übernahmen das Teigwarenwerk in einem Management-Buyout (MBO). 2001 kaufte der Birkel-Konzern das Werk in Waren (Müritz).
2011 stand der Betrieb erneut vor dem Aus. Wolfgang Sengewisch, einer der drei ursprünglichen Ausgründer, sprang ein zweites Mal in die Bresche. Anfang der 2020er-Jahre begann er mit der Nachfolgesuche für den Industriebetrieb mit 45 Beschäftigten. Die Schwierigkeit: Für Wettbewerber aus der Ernährungswirtschaft war das Unternehmen zu klein, für Finanzinvestoren die Renditeaussichten zu unattraktiv. Zudem herrschte ein Investitionsstau im Unternehmen.
Im Herbst 2022 kam es mithilfe der Nachfolgezentrale MV zum Kontakt mit Mirko Bröcker. Der frühere Start-up-Gründer plante, nach mehreren Jahren als angestellter Geschäftsführer in der Pharmaindustrie in Vorpommern wieder eigenständiger Unternehmer zu werden. Die üblichen Due-Diligence-Prüfungen führte Mirko Bröcker selbst durch. Der vorhandene Investitionsstau wurde in den Preisvorstellungen berücksichtigt. Es verblieben aber steuerliche Risiken, die sich mittels eines Steuerberaters minimieren ließen.
Im Herbst 2023 übernahm Mirko Bröcker die alleinige Geschäftsführung. Wolfgang Sengewisch zog sich nach zwei Wochen zurück. Dieser harte Schnitt erleichterte den Mitarbeitenden die Umstellung auf die neuen Gegebenheiten. Um die finanzielle Situation des Unternehmens zu verbessern, leitete Mirko Bröcker schnell erste Maßnahmen wie Preisanpassungen auf der Kundenseite und Neuverhandlungen von Konditionen mit Lieferanten ein. Das Design der Verpackungen erhielt eine Auffrischung, Social-Media-Präsenz und Sportsponsoring warben nun für Möwe Teigwaren.
Auch andere Unternehmen konnten mithilfe der Nachfolgezentrale MV fortgeführt werden, etwa das ABS Werbestudio aus Rostock. Inhaber Martin Parey fand mit Kay Giertz und der neu gegründeten Gesellschaft Baltic Print & Service innerhalb eines Jahres einen passenden Nachfolger. Dieser machte sich ebenfalls aus einer Führungsposition in einem Konzern heraus selbstständig. Einen anderen Weg beschritt die Form Nord GmbH, ein Planungs- und Designbüro mit Sitz in Schwerin. Das Unternehmen besaß große Erfahrung in den Bereichen Energieanlagen, Verkehrsbauten und seniorengerechte Bauten. In diesem Fall stellte die Nachfolgezentrale MV den Kontakt zu einem Unternehmen, der Elektro- und Energieanlagenbau GmbH (EEB) in Barnin, her. Die EEB erweiterte mit der Übernahme der Nord Form GmbH ihr Portfolio im Zuge ihrer Wachstumsstrategie.
Herausforderungen und Hindernisse
Nicht jede Vermittlung führt naturgemäß zum Erfolg. Oft scheitern Verhandlungen am Kaufpreis. „Die Verkäufer unterliegen gewissen Zwängen, da der Verkaufspreis in der Regel Teil der Altersvorsorge ist“, erklärt Frank Bartelsen. „Auf Seiten der potenziellen Nachfolger setzt hingegen im Laufe konkreter Verhandlungen manchmal die Angst vor der eigenen Courage ein.“ Aktuell herrscht zudem angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein schwieriges Klima für Nachfolgen. „Es fehlt an Optimismus. Das erschwert die Nachfolge“, bedauert Projektleiter Bartelsen. Gerade potenzielle Nachfolger, die in guten Arbeitsverhältnissen stehen, warten nun länger eine optimale Lösung ab, bevor sie zugreifen.
Infos für Nachfolgesuchende in Mecklenburg-Vorpommern
Nachfolgezentrale MV In Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern in Mecklenburg-Vorpommern bietet die Nachfolgezentrale MV auch regelmäßig Beratungssprechtage in den Kammerbezirken an. Termine gibt es auf der Website. Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern Die Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern bietet auf ihrem Portal eine Checkliste zur Nachfolge und einen Unternehmenswertrechner an. |
Ein Beitrag des Redaktionsnetzwerks Wirtschaft + Markt.