Bis zum Jahr 2030 stehen in Sachsen mehr als 10.000 Unternehmen zur Übergabe an. Davon sind laut einem Gutachten des Freistaats aus dem Jahr 2023 rund 132.000 Arbeitsplätze betroffen. Im Jahr 2021 war jeder zehnte Selbstständige in Sachsen bereits 65 Jahre und älter. Ein Beitrag von Wirtschaft+Markt.

Die Suche nach Nachfolgern in Sachsens Mittelstand betrifft bis 2030 rund 33.000 Familienunternehmen. Abbildung: Maximilian Scheffler, Unsplash
In Sachsens Mittelstand steht ein Generationenwechsel bevor. Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für den Chefsessel betrifft bis zum Jahr 2030 rund 33.000 der circa 134.500 Familienunternehmen im Land. Besonders relevant für die sächsische Wirtschaftskraft sind wegen der hohen Zahl an betroffenen Arbeitsplätzen (rund 40.500) die rund 6.700 nachfolgesuchenden Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Allerdings wird nicht jedes Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen tatsächlich einen Übernehmer finden. Die Zahl der tatsächlich übergabefähigen Unternehmen zwischen Vogtland und Lausitz wird auf etwas mehr als 10.000 geschätzt. Mehrheitlich finden sie sich im Handel, im Verkehr und in der Gastronomie (3.120).
Auch die sächsischen Kammern wissen um die Bedeutung gelungener Nachfolgelösungen für den Erhalt des Mittelstands im Freistaat. Knapp 40 Prozent der bei den drei sächsischen Handwerkskammern gelisteten Unternehmerinnen und Unternehmer haben die Altersgrenze von 55 Jahren überschritten. Besonders hoch ist die Zahl der Übergabekandidaten im Elektro- und Metallgewerbe. Die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHK) haben die Zahl der über Fünfundfünfzigjährigen Unternehmer ebenfalls ermittelt. Laut Auswertung betrifft es im Kammerbezirk Leipzig 25 Prozent aller gelisteten Betriebe, im Kammerbezirk Dresden 32 Prozent und im Kammerbezirk Chemnitz 43 Prozent. Als besonders überaltert gilt die Unternehmerschaft im Erzgebirgskreis und in Plauen.
Sächsische Wirtschaft kleinteilig geprägt
Die sächsische Wirtschaft ist wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern kleinteilig geprägt. 87,4 Prozent der Unternehmen agieren mit weniger als zehn Beschäftigten, weitere zehn Prozent mit weniger als 50 Beschäftigten. Über ein Viertel der Unternehmen haben ihren Sitz in den beiden Metropolen Leipzig und Dresden. Dort fallen dementsprechend in den kommenden Jahren auch die meisten Nachfolgen an. Allerdings wiegt die hohe Anzahl der ausscheidenden Unternehmenslenker im Erzgebirgskreis oder in Mittelsachsen aufgrund der dort negativen demographischen Entwicklung weitaus schwerer.
Das Gutachten legt zudem nahe, dass Nachfolger in Sachsen vor allem im privaten und im beruflichen Umfeld gefunden werden. Nachfolgebörsen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem die Diskrepanz zwischen dem Versuch der Übergebenden, möglichst viel Anonymität zu wahren, und dem Wunsch der Nachfolger nach größtmöglicher Transparenz wird in Nachfolgebörsen wie nexxt-change bisher nicht ausreichend aufgelöst. Auch das ist ein Ergebnis des Gutachtens „Unternehmensnachfolgen im Freistaat Sachsen, 2017-2030“, das die Kienbaum Consultants International GmbH im Auftrag des Freistaats erstellt hat.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Kontakt bei nur 28 Prozent der befragten externen Nachfolger über eine Börse zustande kam. 72 Prozent nutzten private oder berufliche Netzwerke, Empfehlungen im Bekanntenkreis, von Beschäftigten oder Kunden. Zudem beschränkt sich die Nachfolgesuche oft auf Sachsen. Rund 70 Prozent der Nachfolgerinnen und Nachfolger stammten gar aus derselben Kommune wie das Unternehmen. Eine weitere Erkenntnis: Familienangehörige wollen die Tradition des Unternehmens fortsetzen. Betriebsinterne Nachfolger schätzen den vorhandenen Kundenstamm und das Vertrauensverhältnis zum ehemaligen Inhaber. Externe Nachfolger interessiert vor allem das Entwicklungspotenzial des Unternehmens.

Die IHK Dresden bewirbt das Thema Unternehmertum verstärkt auf Social Media und bietet Sprechtage und Beratungen dazu an. Abbildung: IHK Dresden
Wichtige Aufgabe für sächsische Kammern
„Die Nachfolgefrage ist seit 2010 eine drängende Frage in Sachsen, insbesondere weil die Generation der Nachwendegründer in den Ruhestand tritt“, sagt Grit Fischer, Leiterin der Geschäftsstelle Dresden der IHK. Die Dresdner IHK hat noch einmal gezielt Unternehmen ermittelt, deren Inhaber über 58 Jahre sind und deren Betrieb mindestens einen Mitarbeitenden beschäftigt. „Zudem haben wir die Unternehmen aussortiert, in denen ein Gesellschafter oder Geschäftsführer zur Nachfolge bereitstünde. Dann bleiben 6.700 Unternehmen, in denen die Nachfolgefrage in den kommenden Jahren akut wird“, so Fischer. Sie plädiert dafür, das Thema Unternehmertum schon in den Schulen in den Fokus zu rücken, um bei jungen Menschen frühzeitig das Interesse für eine spätere Unternehmerkarriere zu wecken. Die IHK Dresden selbst bewirbt das Thema verstärkt auf Social Media, bietet Sprechtage und Beratungen an. Dazu wurde mit „Folgerichtig“ ein Nachfolgenetzwerk für die Region Dresden gegründet. Zudem beteiligen sich die sächsischen Kammern an den „Sächsischen Aktionstagen Unternehmensnachfolge“, die in diesem Jahr vom 16. bis 20. Juni von allen sächsischen Industrie-und Handelskammern sowie Handwerkskammern organisiert werden.
Robert Hentschel, Abteilungsleiter Mitgliederbetreuung bei der IHK zu Leipzig, verweist auf die fehlende Tradition der Unternehmensnachfolge in Sachsen. „In Westdeutschland sind Unternehmen schon über mehrere Generationen fortgeführt worden. In Sachsen ist es oft die erste Nachfolge“, so Hentschel. Im Kammerbezirk Leipzig stehen vor allem im Handel, in der Gastronomie, in der Industrie und im Baubereich Unternehmen zur Nachfolge an. Nicht in allen Branchen sind die Erfolgsaussichten gleich gut. „In der Gastronomie beispielsweise gibt es viele neue urbane Konzepte. Da versuchen sich Gründer lieber mit einer Neugründung als mit der Übernahme einer Traditionsgaststätte“, erklärt Hentschel. Zudem haben stationärer Handel und Gastronomie während der Coronapandemie viele Beschäftige und potenzielle Nachfolgende verloren. Die IHK Leipzig unterstützt den Nachfolgeprozess vor allem mit umfangreichen Beratungsleistungen. „Die Nachfolgeberatung ist besonders komplex, weil viele rechtliche und steuerliche Aspekte zu beachten sind“, betont Hentschel.
Die Erfahrungen aus Dresden und Leipzig teilt auch Franca Heß, Referatsleiterin Starthilfe und Unternehmensförderung bei der IHK Chemnitz. Sie sieht ebenfalls Schwierigkeiten bei der Nachfolge im Handel und in der Gastronomie: „Beim Verarbeitenden Gewerbe hingegen besteht eine konstante Nachfrage.“ Auch für Wohnungsverwaltungen, Bildungseinrichtungen und im Onlinehandel finden sich Interessenten, oft in Form von Unternehmenszukäufen. „Wir beobachten aber auch vermehrt Unternehmer, die eigene Beschäftigte langfristig auf die Nachfolge vorbereiten“, sagt Heß. Sie würde begrüßen, wenn man diese Form der Nachfolge zusätzlich mit einer Art Startbonus fördern würde. Die IHK Chemnitz selbst begleitet unter dem Slogan „Fortsetzung folgt” die Unternehmen mit Sprechtagen und persönlichen Beratungen. „Die Unternehmer suchen heute eher spezielle, auf sie zugeschnittene Einzelberatungen als größere Informationsveranstaltungen“, so Heß.
Sächsischer Meilenstein würdigt Erfolge
Auch die Bürgschaftsbank Sachsen engagiert sich in der Unternehmensnachfolge. Mit der Verleihung des Unternehmerpreises „Sächsischer Meilenstein“ würdigt sie zusammen mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft seit 2011 gelungene Nachfolgen in kleinen und mittelständischen Unternehmen aller Branchen. 2024 erhielten so unter anderem Thomas Günther, Tino Münzner und Christian Schreiter den Preis für die Übernahme der IMK Engineering GmbH in Chemnitz. Dank einer frühzeitigen Planung konnten sie den Inhaberwechsel erfolgreich schultern. Das Chemnitzer Maschinenbauunternehmen, einst aus der SDAG Wismut hervorgegangen, bedient als Entwickler von Sondermaschinen Kunden in ganz Europa und erzielte unter der neuen Führung zuletzt ein Wachstum bei Mitarbeitenden und Umsatz.
Alt-Inhaber Frank Herrmann hatte das Unternehmen in der Umbruchphase der Deutschen Einheit gegründet. Von vier Angestellten beim Start wuchs die IMK Engineering im Laufe der Jahre auf 50 Beschäftigte an. Zum ursprünglichen Geschäftsfeld Bergbaumaschinen gesellten sich die Bereiche Wehrtechnik: Fahrlader, Raupenbagger, Krantechnik, Muldenkipper, Bohrgerät und Sonderfahrzeuge für den militärischen Bereich – all das konzipieren und entwickeln die Sachsen für diverse Großkunden.
„Ich wollte, dass das Unternehmen in meinem Sinne fortgeführt wird“, sagt Herrmann. Die Nachfolgefrage ging er deshalb frühzeitig an, auch weil eine Lösung innerhalb der Familie nicht möglich war: „Ich wollte nicht noch mit 70 Jahren Unternehmer sein, nur weil ich nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen habe.“ Über einen Zeitraum von sieben Jahren führte Herrmann seine Nachfolger in die Leitungsfunktion ein. Die drei neuen Gesellschafter waren etwa zur gleichen Zeit vor rund 15 Jahren als Maschinenbauer zur IMK gekommen. Franca Heß von der IHK Chemnitz begleitete die Nachfolge: „Der Alt-Inhaber Frank Herrmann hat während der sieben Jahre nicht nur als Chef, sondern als Berater in dem Übergabeprozess der Firma IMK fungiert. Letztendlich haben die drei engagierten Mitarbeiter das Unternehmen übernommen und führen es zielstrebig weiter.“
Informationen für Nachfolgesuchende in Sachsen
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Ein Beitrag des Redaktionsnetzwerks Wirtschaft+Markt.