Anlässlich des morgen beginnenden 14. Ostdeutschen Energieforums in Leipzig fordern die ostdeutschen Unternehmerverbände in einem Positionspapier eine klare Kurskorrektur in der Energiepolitik – mit weniger Bürokratie, verlässlichen Rahmenbedingungen und sinkenden Strompreisen. Wir veröffentlichen das Papier in ganzer Länge.

Das 14. Ostdeutsche Energieforum gibt Impulse für eine mittelstandsfreundliche Energiepolitik. Abbildung: MajaFoto, Depositphotos
„Der Mittelstand ist das Rückgrat der ostdeutschen Wirtschaft. Unsere Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, bilden aus, investieren regional und sichern den sozialen Zusammenhalt – insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Regionen. Sie sind nicht nur ökonomischer Motor, sondern auch gesellschaftlicher Kitt.
Doch eine inkonsistente Energiepolitik wird zunehmend zu einer Belastung für den Mittelstand und gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung – nicht nur in Ostdeutschland. Überregulierung, sprunghafte Kurswechsel, unklare Förderperspektiven und dauerhaft hohe Energiepreise untergraben das Vertrauen der Unternehmen in die politischen Rahmenbedingungen. Statt langfristiger Planungssicherheit dominieren Verunsicherung und bürokratische Überforderung – gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen, die keine spezialisierten Stabsabteilungen unterhalten.
Wir setzen uns für eine Energiepolitik ein, die sich an der wirtschaftlichen Praxis orientiert, unternehmerisches Handeln ermöglicht und auf regionale Stärken setzt. Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich dort, wo Verantwortung getragen wird – in den Unternehmen vor Ort – und braucht Rahmenbedingungen, die der Realität des Mittelstands gerecht werden: kalkulierbare Kosten, unternehmerische Freiräume und konkrete Umsetzbarkeit. Die folgenden Handlungsfelder beschreiben aus Sicht der ostdeutschen Unternehmerinnen und Unternehmer die zentralen Stellschrauben einer mittelstandsfreundlichen Energiepolitik.
- Bezahlbare Energiepreise für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sichern
- Erneuerbare Energien mit dem Mittelstand ausbauen
- Planungssicherheit und Investitionsschutz gewährleisten
- Digitalisierung als Schlüssel zur intelligenten Energiewende begreifen
- Infrastruktur- und Netzausbau smart gestalten
- Bürokratische Prozesse vereinfachen und beschleunigen
- Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren Energien als Standortfaktor verstehen
- Energiepolitik europäisch denken
- Investitionsmodelle technologieoffen an CO2-Einsparung oder Primärenergieverbrauch orientieren
Unser Fazit: Die Energiewende braucht Investitionen, Mut und Vertrauen in den Mittelstand. Doch ohne bezahlbare Energie, verlässliche Regeln, schlanke Verfahren und ein digital tragfähiges Fundament wird der Umbau zum Risiko für ganze Regionen.
Unsere Botschaft: Wer den Mittelstand erhalten will, muss ihm Perspektiven geben. Wer die Energiewende will, muss ihn einbinden. Wir stehen bereit – zum Dialog, zur Umsetzung, zur Verantwortung. Lassen Sie uns gemeinsam ins Gespräch kommen – beim Ostdeutschen Energieforum und darüber hinaus.
Was jetzt zu tun ist: Unsere Forderungen für eine mittelstandsfreundliche Energiepolitik
1. Bezahlbare Energiepreise für den Mittelstand sichern
Hohe Energiepreise gehören zu den größten Standortrisiken für ostdeutsche Unternehmen. Während Großverbraucher von Ausnahmeregelungen profitieren, trägt der Mittelstand die volle Last von Netzentgelten, Stromsteuer und CO2-Kosten. Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen – besonders in energieintensiven Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe, der Lebensmittelverarbeitung oder der IT-Infrastruktur – steht dadurch auf dem Spiel. Ohne verlässliche Preisstrukturen verlieren Investitionen ihre Planungssicherheit, Innovationen werden ausgebremst und Arbeitsplätze gefährdet.
Was jetzt zu tun ist: Einführung eines mittelstandsgerechten Strompreises mit Preiskappung analog Industriestrompreis, angelehnt an die europäischen Durchschnittspreise. Reform der Netzentgeltsystematik, Abbau bürokratischer Kostenbestandteile im Energiepreis, Stärkung regionaler Energieversorgung.
2. Erneuerbare Energien mit dem Mittelstand ausbauen
Der Umbau des Energiesystems gelingt nur, wenn die Unternehmen vor Ort daran beteiligt werden – nicht nur als Dienstleister, sondern als aktive Mitgestalter. Doch vielerorts wird der Mittelstand bei Flächenvergabe, Netzanschlüssen und Direktvermarktung übergangen. Dabei sind gerade kleine und mittlere Unternehmen Träger regionaler Wertschöpfungsketten und Garanten langfristiger Verantwortung vor Ort. Ohne ihre Beteiligung bleibt der Ausbau der Erneuerbaren ein Projekt von wenigen – statt eines Gewinns für viele.
Was jetzt zu tun ist: Beteiligung des Mittelstands an alternativen Energieerzeugungslagen wie Wasserkraft, Wind- und Solarprojekten erleichtern, lokale Stromgemeinschaften ermöglichen, Mieterstrom und Direktliefermodelle stärken, Genehmigungsverfahren digitalisieren und beschleunigen.
3. Planungssicherheit und Investitionsschutz gewährleisten
Viele mittelständische Unternehmen wollen klimafreundlich investieren – doch sie scheitern an häufig wechselnden Vorgaben, unklaren Förderkonditionen und auslaufenden Regelungen. Wer heute in neue Technik investiert, muss sicher sein können, dass sich die politischen Spielregeln nicht morgen ändern. Fehlt diese Sicherheit, wird nicht investiert – und die notwendige Transformation verschoben.
Was jetzt zu tun ist: Langfristige Bestandsgarantien für Investitionen, rechtssichere Übergangsregelungen bei Gesetzesänderungen, einfache Vorab-Prüfung durch Behörden, branchenspezifische Transformationspfade anerkennen. Wegfall von Förderungen und hin zu planbaren Investitionsmodellen. Stärkung einer europäischen Produktion von Anlagenkomponenten.
4. Digitalisierung als Schlüssel zur intelligenten Energiewende begreifen
Energieversorgung, Verbrauchssteuerung, Netzstabilität, Eigenversorgung, Flexibilität – all das funktioniert im zukünftigen Energiesystem nur noch digital. Doch der Smart-Meter-Rollout stockt, digitale Förderstrukturen fehlen und viele Unternehmen wissen nicht, welche Technologie tatsächlich wirtschaftlich steuerbar ist. Digitalisierung ist kein technisches Extra, sondern Voraussetzung für die Energiewende.
Was jetzt zu tun ist: Smart-Meter-Infrastruktur beschleunigen, digitale Schnittstellen standardisieren, Echtzeitabrechnungen ermöglichen, ohne dabei kleine und mittelständische Unternehmen zu benachteiligen, Energiemanagementsysteme verstärkt in KMU fördern.
5. Infrastruktur- und Netzausbau smart gestalten
Ostdeutschland ist Vorreiter beim Ausbau der Erneuerbaren – doch Stromleitungen, Umspannwerke und Wasserstoffnetze halten nicht Schritt. Viele Regionen kämpfen mit Netzengpässen, langen Anschlussfristen und fehlenden Kapazitäten. Der geplante Wasserstoffhochlauf droht ebenfalls an mangelnder Anbindung zu scheitern – vor allem in strukturschwächeren Regionen.
Was jetzt zu tun ist: Ostdeutschland bei Netzausbau priorisieren, lokale Netze ertüchtigen, Anschlusskosten fair verteilen, Industrie-Cluster mit H2-Infrastruktur verbinden, Speicherlösungen fördern.
6. Bürokratische Prozesse vereinfachen und beschleunigen
Die Transformation der Energieversorgung verlangt schnelle Entscheidungen – doch viele Prozesse in der Verwaltung sind überlastet, analog oder realitätsfern. Für KMU wird der Zeit- und Ressourcenaufwand zur Hürde: Förderanträge, Genehmigungen, Nachweispflichten oder Berichtspflichten binden Kapazitäten, die im betrieblichen Alltag fehlen.
Was jetzt zu tun ist: Belastungsmoratorium bis 2026, Einführung eines vereinfachten KMU-Verfahrens, digitale Förderanträge und Verwendungsnachweise, Energie-Meldepflichten vereinheitlichen und reduzieren.
7. Versorgungssicherheit auch mit Erneuerbaren Energien als Standortfaktor verstehen
Netzstabilität und Versorgungssicherheit sind zentrale Voraussetzungen für betriebliche Entscheidungen. Gerade ländliche Regionen in Ostdeutschland haben häufig keine belastbaren Stromnetze – Spannungsschwankungen, Redispatch-Maßnahmen und Netzabschaltungen sind reale Standortnachteile. Wenn Regionen nicht sicher mit Energie versorgt werden können, investieren Unternehmen dort nicht.
Was jetzt zu tun ist: Stromverfügbarkeit in Regionalplanung berücksichtigen, Ausfallrisiken sichtbar machen (z. B. Energieverfügbarkeits-Scores), Eigenversorgung fördern, resiliente Gewerbestandorte aufbauen.
8. Energiepolitik europäisch denken
Viele Herausforderungen der Energiewende lassen sich nur gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn lösen: vom Strombinnenmarkt über grenzüberschreitende Netze bis zur gemeinsamen Rohstoff- und Versorgungssicherheit. Nationale Alleingänge verhindern Synergien und führen zu neuen Abhängigkeiten. Gerade Ostdeutschland mit seiner Grenzlage profitiert von einer offenen, strategisch abgestimmten Energiepolitik.
Was jetzt zu tun ist: Grenzüberschreitende Erneuerbaren-Projekte fördern, EU-Emissionshandel verlässlich ausgestalten, Klimageld zügig einführen, Versorgungssicherheit über europäische Rohstoff- und Technologiepolitik stärken und auf eine Verschärfung der EU-Vorgaben verzichten.
9. Investitionsmodelle technologieoffen an CO2-Einsparung oder Primärenergieverbrauch orientieren
Staatliche Investitionsmodelle im Energie- und Baubereich dürfen sich nicht länger an pauschalen Standards, Einzelmaßnahmen, komplizierten Rahmenbedingungen oder einzelnen Technologien orientieren. Entscheidend muss sein, welchen tatsächlichen Beitrag ein Projekt zur Reduktion der CO2-Emissionen und des Primärenergieverbrauchs leistet.
Was jetzt zu tun ist: Jedes Investitionsmodell im Baubereich muss an nachweisbare CO2-Einsparungen und den Primärenergieverbrauch gekoppelt werden. Fördermittel sind dort einzusetzen, wo die größte klima- und energiepolitische Wirkung erzielt wird.
Rüdiger Lorch, Präsident UV Berlin e.V., Dr. Burkhardt Greiff, Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Präsident UV Brandenburg-Berlin e.V., Matthias Kunze, Präsident UV Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin e.V., Frank Oestreich, Präsident UV Rostock-Mittleres Mecklenburg e.V., Dietrich Enk, Präsident UV Sachsen e.V. , Jürgen Sperlich, Präsident UV Sachsen-Anhalt e.V., Axel Metzner, Präsident UV Thüringen e.V.”