Südthüringen ist eine klassische Industrieregion. Über viele Jahre garantierten hier Automobilzulieferer, Metallindustrie, Maschinenbau oder die Glasindustrie wirtschaftliches Wachstum. Nun treffen die aktuellen wirtschaftlichen Krisen auch die Städte südlich des Rennsteigs. Matthias Salm vom Redaktionsnetzwerk Wirtschaft + Markt beleuchtet die wirtschaftliche Entwicklung und Zukunftsperspektiven dieser Region Ostdeutschlands.
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Südthüringen ist die Region südlich des Rennsteigs, Abbildung: Thüringer Tourismus GmbH, Guido Werner
Industrie und Handwerk im Süden Thüringens: Sie standen einst für berühmte Marken und Produkte, deren Ruf weit über die Grenzen des Thüringer Walds hinausreichte. Ostdeutschlands Jugend fuhr über Jahrzehnte auf Simson-Mopeds durch die Republik. Allein der Kult-Roller Simson Schwalbe wurde über zwanzig Jahre lang in Suhl gefertigt. Kinder von der Ostsee bis zum Erzgebirge spielten mit Modelleisenbahnen oder Teddybären aus der Spielzeugstadt Sonneberg. Handwerklich gefertigter Christbaumschmuck aus Lauscha wurde in alle Welt exportiert. Oberhof und Zella-Mehlis waren und sind das Mekka des Wintersports. Jagd- und Sportwaffen kamen aus Suhl, das schon im 17. Jahrhundert als Waffenkammer Europas galt – Industrie, Handwerk und Tourismus in Südthüringen blicken auf eine lange und traditionsreiche Geschichte zurück.
Südthüringen – das ist grob gesagt die Region südlich des Rennsteigs. Sie umfasst die heutigen Landkreise Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg und Hildburghausen sowie die kreisfreie Stadt Suhl. Eine vielfältige Industrieregion: Im Jahr 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie, lag der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung im Landkreis Schmalkalden-Meiningen bei 30 Prozent, im Landkreis Hildburghausen bei 31 Prozent und im Landkreis Sonneberg gar bei 37 Prozent. Zu den 1.600 Industriebetrieben zählen laut einer Auflistung der IHK Südthüringen 350 Hersteller von Metallerzeugnissen, 150 Produzenten von Nahrungs- und Futtermitteln, 120 Unternehmen der Glasindustrie, jeweils 110 Kunststoffhersteller und Maschinenbauer sowie 90 holzverarbeitende Betriebe.
Südthüringen ist aber auch eine Region im Wandel, die die Herausforderungen der Demografie und der Transformation der Wirtschaft zu meistern hat. In den letzten zehn Jahren ging die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis Hildburghausen um drei Prozent und im Landkreis Sonneberg um sieben Prozent zurück, so die IHK. Lediglich im Landkreis Schmalkalden-Meiningen nahm sie um zwei Prozent zu.
„Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Region erweist sich gegenwärtig als schwierig“, so Robin Kraska, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der IHK Südthüringen. Sie hinkt seit 2018 der gesamten Entwicklung Thüringens hinterher, das sich als Bundesland wiederum selbst schlechter entwickelt hat als Deutschland insgesamt.
Zwischen 2012 und 2022 als aktuellstem Wert der amtlichen Statistik nahm das Bruttoinlandsprodukt im Landkreis Schmalkalden-Meiningen preisbereinigt um zwei Prozent zu. Im Landkreis Hildburghausen kam es zu einem Rückgang um 19 Prozent und im Landkreis Sonneberg um elf Prozent. Zum Vergleich stieg das Thüringer BIP im selben Zeitraum um zehn Prozent. Südthüringen profitierte lange von kostengünstiger Produktion in arbeitsintensiven Industriezweigen. In der Grenzregion zu Franken nahm dies manch bayerischer Mittelständler zum Anlass, jenseits der Landesgrenze zu investieren. In Zeiten explodierender Energiepreise und des Fachkräftemangels schwindet der Standortvorteil aber zusehends.
Automobilindustrie unter Druck
Allen voran die Automobilzulieferindustrie leidet. Die Automotive-Branche der Region zog ihren Gewinn aus der Nähe zu den Autoländern Sachsen und Bayern, der Automobilproduktion in Eisenach und den Anstrengungen Thüringens, die Batterieindustrie am Erfurter Kreuz anzusiedeln. Nun treffen die multiplen Krisen der deutschen Autobauer auch die Zulieferer am Rennsteig.
Allen voran die Kleinstadt Brotterode-Trusetal im Landkreis Schmalkalden-Meiningen mit ihren knapp 6.000 Einwohnern. Nacheinander verließen die Grammer AG und 2024 der Scheinwerferhersteller Marelli Automotive Lighting den Standort. Nach 78 Jahren lief dort im März der letzte Scheinwerfer vom Band. Seither suchen die Brotteroder nach einem neuen Investor. Der Kunststoffhersteller für Autoinnenverkleidungen, die BOS Plastics Systems, will sich ebenfalls zurückziehen. Die Profilrollen-Werkzeugbau GmbH in Neuhaus-Schierschnitz im Kreis Sonneberg, die Führungsschienen für Auto-Panoramadächer produziert, plant aus Kostengründen nach China abzuwandern und auch der Kunststoffspritzgießer Moldtecs GmbH baut an seinem Standort in Sonneberg Stellen ab.
Trotz aller Rückschläge expandieren aber auch Unternehmen in der Automobilbranche: Die bayerische Lion Smart GmbH, Teil der Schweizer Holding Lion E-Mobility AG, investierte mehrere Millionen in ein neues Werk in Hildburghausen. 2023 weihte das Unternehmen die Produktionsstätte für elektrische Energiespeicher und Lithium-Ionen-Batteriesystemtechnik ein. Jährlich können dort rund 4,8 Millionen Batteriezellen montiert werden. Die Batterie des Typs LION SE09 ist eine Hochvoltbatterie für den Automobilbau ebenso wie für den maritimen Verkehr.
Hohe Energiekosten fordern Glasindustrie heraus
Nicht nur die Automobilindustrie im Thüringer Wald wird gegenwärtig kräftig durchgerüttelt. Zu den energieintensiven Industrien in Südthüringen gehört auch die Glasindustrie. In Schleusingen und im Lauschaer Ortsteil Ernstthal betreibt beispielsweise die bayerische Wiegand-Glas Holding GmbH, eines der ältesten Unternehmen der Glasindustrie und nach eigenen Angaben Produzent von einem Viertel der deutschen Produktion von Glasbehältern, zwei seiner drei thüringischen Werke.
Das Unternehmen hat mit dem Bau eines neuen Glaswerks mit zwei Schmelzwannen in Schleusingen und der Erweiterung einer Schmelzwanne im Glaswerk Ernstthal in den letzten Jahren erhebliche Investitionen getätigt. In Schleusingen werden täglich 3,5 Millionen Glasflaschen produziert, vor allem Nahrungsmittelgläser. In Lauscha sind es 1,3 Millionen Glasbehälter, insbesondere Individual- und Kleinserien. Doch Wiegand ist wie die gesamte Thüringer Glasindustrie mit der Umstellung auf strombetriebene E-Schmelzwannen finanziell und produktionstechnisch stark herausgefordert. Nach Angaben des Unternehmens benötigen alleine die Energieversorger fünf bis zehn Jahre Vorlauf, um den nötigen Strom dafür zur Verfügung stellen zu können.
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Heinz-Glas gehört zu den großen Glasproduzenten in Südthüringen. Abbildung: Heinz-Glas GmbH & Co. KGaA
Auch die ebenfalls aus Bayern stammende Heinz-Glas GmbH & Co. KGaA, laut eigenen Angaben einer der Weltmarktführer in der Herstellung und Veredelung von Glasflakons für die Parfüm- und Kosmetikindustrie, betreibt in Südthüringen eine Tochtergesellschaft – die SP Spezialglas Piesau GmbH in Neuhaus am Rennweg mit rund 280 Beschäftigten. Das Unternehmen investiert mit Förderung des Bundes rund 60 Millionen Euro in den historischen Standort, der bereits 1622 im Glasmacherdorf Piesau gegründet wurde, um die Produktion von einer gasbefeuerten Wanne auf zwei Elektrowannen umzustellen.
Bekannte Lebensmittelmarken aus der Region
Zu den unverzichtbaren Standbeinen der Wirtschaft in Südthüringen zählt die Nahrungsmittelindustrie. Hier schrieb der Nougathersteller Viba Sweets GmbH aus Floh-Seligenthal im letzten Jahr überraschende Schlagzeilen. Der Marktführer im deutschen Nougatriegel-Markt übernahm die angeschlagenen Süßwarenhandelsketten Hussel, Arko und Eilles. Mit nun insgesamt 190 Filialen ist die Viba Sweets GmbH somit der größte Süßwarenfilialist Deutschlands.
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Thüringer Waldquell gehört zu den beliebtesten Mineralwassern in Ostdeutschland, Abbildung: Thüringer Waldquell GmbH
Die 1990 als MBO gegründete Fleisch- und Wurstwaren Schmalkalden GmbH Thüringen, die über 30 Filialen in Süd- und Westthüringen betreibt, investierte 2024 sieben Millionen Euro in den Ausbau ihrer Produktion. Ebenfalls in Schmalkalden erzielte die Thüringer Waldquell GmbH, Teil der hessischen Hassia-Gruppe, 2023 mit ihren Marken Thüringer Waldquell, Vita Cola und Rennsteig einen Umsatz von 54,3 Millionen Euro. Jeder dritte Thüringer kauft der Marktforschung zufolge das Mineralwasser aus Schmalkalden.
Die niedersächsische Fuchs-Gruppe betreibt in Schönbrunn, einem Ortsteil der Gemeinde Schleusegrund, ein Werk zur Gewürzabfüllung für den Lebensmitteleinzelhandel. Zudem werden in Schönbrunn Dosen, Streuaufsätze und diverse Verschlussarten hergestellt. Die im Jahr 2006 gegründete Astaxa GmbH in Ritschenhausen bei Meiningen wiederum ist auf dem Segment der vorgekochten Hülsenfrüchte für die Lebensmittelindustrie sowie für Großhändler europaweit die Nummer eins. Ihre Produktpalette umfasst Linsen, Erbsen, Bohnen und Kichererbsen, getrocknete Kräuter, Tees und getrocknete Früchte.
Tourismus mit Potenzial
Eine der größten Investitionen der letzten Jahre gab es allerdings nicht in der Industrie, sondern im Tourismus der Rennsteig-Region. Im Wintersportzentrum Oberhof investierte die Family Hotel Oberhof GmbH aus Österreich rund 70 Millionen in das Hotel Grand Green Oberhof. Im Herbst 2022 eröffnete das 4-Sterne-Haus mit kindgerechter Ausstattung, Spa- und Saunawelten und Gourmetküche.
An Gästen dürfte es nicht mangeln. Oberhof ist als Wettkampfstätte der Biathleten und Rennrodler auch ein Magnet für Sportfans. Der diesjährige Biathlon-Weltcup lockte rund 58.000 Besucher in die Stadt, die hinter Erfurt und Weimar die drittbeliebteste Tourismus-Destination im Freistaat ist. Insgesamt schlummert im Tourismus aber noch ungenutztes Potenzial. Wegen der relativen Stärke der Industrie steht der Tourismus als Wirtschaftsfaktor eher im Schatten. So trägt das Gastgewerbe laut der IHK in Suhl lediglich ein Prozent des steuerbaren Umsatzes und drei Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen zur Wirtschaftskraft Südthüringens bei.
Suhl in der Transformation
Simson-Krafträder rollen in Suhl schon seit 2003 nicht mehr vom Band. Die Firma Simson & Co. hatte seit dem 19. Jahrhundert dort erst Waffen, dann Fahrräder und Automobile produziert. Ab 1962 baute Simson in der damalig kleinsten Bezirkshauptstadt der DDR nur noch Mopeds und Roller. Mittlerweile ist aber selbst die immer noch rentable Ersatzteilproduktion der Meyer-Zweiradtechnik GmbH nicht mehr in Suhl, sondern in Meiningen ansässig.
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Gewehre wie die Repetierbüchse Jaeger NXT von Haenel stehen für die Waffenstadt Suhl, Abbildung: C. G. Haenel GmbH
Anders sieht es bei der Waffenstadt Suhl aus. Schon im 17. Jahrhundert fertigten die Suhler Büchsenmacher für Europas Armeen Gewehre und Pistolen, später auch Jagdwaffen für den Adel. Die Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH unterhält heute noch auf dem Friedberg eine der modernsten Fertigungsanlagen für Jagdwaffen in Europa. Merkel exportiert heute in über 40 Länder und beschäftigt mehr als 120 Mitarbeitende. Die C.G. Haenel GmbH hat sich hingegen auf großkalibrige Jagd- und Sportwaffen, Sportgewehre sowie Präzisions- und Sturmgewehre für Behörden und das Militär spezialisiert. Haenel gehört zur Merkel-Gruppe, die wiederum Teil eines staatlichen Rüstungskonzerns aus Abu Dhabi ist.
Als Bezirkshauptstadt war Suhl zu DDR-Zeiten stark gewachsen. Seit 1990 befindet sich die Stadt in einem Schrumpfungsprozess. Der führte zu einen Rückbau der Plattenbau-Siedlungen am Stadtrand und in der Infrastruktur. Wirtschaftlich bleibt Suhl aber ein Standort der Feinmechanik, des Metallbaus und des Maschinenbaus mit einer Exportquote der Industrie von 25 Prozent.
Die Feinmess Suhl GmbH ist beispielsweise einer der ältesten Hersteller von Messwerkzeugen in Deutschland. Die Schweizer Cicor Gruppe hat Anfang des Jahres die Suhler Profectus GmbH, einen Dienstleister für die Herstellung von elektronischen Baugruppen und Systemen für Industrieelektronik und Medizintechnik, übernommen. Die Schaeffler Industrial Drives AG & Co. KG produziert mit rund 160 Beschäftigten in der Stadt vor allem lineare und rotative Motoren sowie die zugehörigen Elektronikbaugruppen, die Zwerrenz Automatisierungstechnik GmbH ist ein führendes Unternehmen in der Herstellung hochmoderner Automatisierungslösungen und die Paragon Electronic GmbH liefert Produkte in den Bereichen Sensorik und Akustik für den Fahrzeugbau.
Eine gute Nachricht erreichte Ende 2024 die insolvente Suhler CDA GmbH. Als Suhler CD-Werk schrieb das Unternehmen einst Geschichte als eine der ersten Neugründungen nach der Wende und galt lange Zeit als größter unabhängiger Hersteller optischer Medien in Europa. Nach mehrmaligen wirtschaftlichen Turbulenzen und finanziellen Schwierigkeiten nach dem Ausstieg eines Investors wurden nun Teilbereiche des Mikrooptikgeschäfts von der Advanced Micro-optics Technologies GmbH, einem Hightech-Unternehmen aus Singapur, übernommen.
3.000 Studierende in Schmalkalden
Schmalkalden ist nicht nur Sitz wichtiger Lebensmittelbetriebe, sondern auch Hochschulstandort. An der Hochschule Schmalkalden sind 3.000 Studierende in Studiengängen in Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Wirtschaftsrecht und Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben. Der größte industrielle Arbeitgeber des Landkreises ist aber die Sofidel Germany GmbH in Wernshausen, ein italienischer Hersteller von Hygiene- und Toilettenartikeln aus Zellstoff, Papier und Pappe mit 850 Beschäftigten. 15 Kilometer östlich von Schmalkalden beschäftigt die Rennsteig Werkzeuge GmbH in Steinbach-Hallenberg 350 Menschen, bei der Arnold AG, einem Hersteller von Metallerzeugnissen ebenfalls in Steinbach-Hallenberg, sind 340 Beschäftigte in Lohn und Brot.
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Touristisch reizvoll: Fachwerkhäuser in Schmalkalden mit dem Historicum-Zinnfigurenmuseum. Abbildung: Thüringer Tourismus GmbH, Wolfgang Benkert
Kulturelles Zentrum Meiningen
Die Theaterstadt Meiningen ist das kulturelle Zentrum Südthüringens. Aber der ehemaligen Residenzstadt kommt auch wirtschaftliche Bedeutung zu. Größter Industrie-Arbeitgeber der Stadt ist die Adtran Networks SE. Sie investierte 2023 zehn Millionen Euro in eine neue Produktions- und Logistikhalle. Das Unternehmen wurde 1994 unter dem Namen ADVA Optical Networking als kleines Start-up von ehemaligen Mitarbeitern des Mikroelektronik-Unternehmens Robotron Meiningen gegründet. Seit 2023 trägt es den heutigen Namen. Adtran Networks SE entwickelt offene Übertragungstechnik, die die Einführung von leistungsfähigen Cloud- und Mobilfunkdiensten ermöglicht.
Auch andere Meininger Unternehmen haben in den letzten drei Jahren erheblich investiert: Das Familienunternehmen Meininger AKP Produktions-GmbH & Co. KG hat etwa 2022 für 10,5 Millionen Euro einen neuen Fertigungsstandort errichtet. Ein Jahr später wurde für weitere 13 Millionen Euro ein neues Steinwerk in Betrieb genommen. Die AKP Meiningen stellt Arbeitsplatten von der klassischen Schichtstoffplatte über Massivholzplatten bis hin zur Stein-Arbeitsplatte her. Weitere erfolgreiche Industriebetriebe in der Stadt sind die Lemuth GmbH, ein führender Anbieter von hochautomatisierten Anlagen für den Fensterbau, die Miwe GmbH, die seit über 30 Jahren in Meiningen mit rund 130 Beschäftigten Backstationen für Bäckereibetriebe in aller Welt herstellt, und die Nanoplus Nanosystems and Technologies GmbH, ein führender Hersteller von Halbleiterlasern für die Gasmesstechnik.
Sonneberg: Vom Spielzeug zum Wasserstoff
Sonneberg trägt bis heute den Beinamen Spielzeugstadt. Um 1900 zählte man über 2.000 kleine Manufakturen in der Stadt. Zu DDR-Zeiten lieferte das Kombinat „VEB Sonni Sonneberg“ in Spitzenzeiten täglich bis zu 10.000 Puppen und 6.000 Plüschtiere sowie Modelleisenbahnen in alle Welt. Einige Unternehmen wie der Modellbahnhersteller Piko haben den wirtschaftlichen Umbruch und die Zerschlagung des Kombinats nach der Wende überlebt. Doch mittlerweile geben in Sonneberg Unternehmen der Glas- oder der Kunststoffindustrie den Takt an: Etwa die Sonnplast Solutions GmbH mit 250 Beschäftigten, ein Hersteller hochpräziser technischer Spritzgussteile aus thermoplastischen Kunststoffen, oder die Sauer GmbH & Co. KG in Föritztal, ein Produzent von Verpackungen aus Kunststoff, mit 290 Beschäftigten. Beim Kunststoffverarbeiter Gramß in Spechtsbrunn sollen 21,6 Millionen Euro in zwei neue Hallen für Produktion und Lagerhaltung sowie die Modernisierung des Maschinenparks fließen. Das Unternehmen produziert Kunststoffverschlüsse und -dosen unter anderem für die Kosmetik- und Pharmaindustrie.
Die Industriebetriebe im Landkreis Sonneberg arbeiten stark exportorientiert. Der Anteil der Ausfuhren liegt bei nahezu 40 Prozent. Als einziger Landkreis in Südthüringen hat sich Sonneberg der Europäischen Metropolregion Nürnberg angeschlossen, einem Regionalverbund für Wirtschaft und Kultur, dem 23 Landkreise und elf kreisfreie Städte angehören. Mit dem Gewerbe- und Industriegebiet „H2Region Thüringen/Franken“ will Sonneberg zudem den Anschluss an das Wasserstoff-Zeitalter herstellen. Bereits ansässig ist das Hyson-Institut für Angewandte Wasserstoffforschung Sonneberg. Es forscht unter anderem zur CO2-Abscheidung mittels Wasserstoff im Rahmen des Projekts Grüner Kalk sowie zur Nutzung von Elektrolysesauerstoff zur weiterführenden Spurenstoffelimination in Kläranlagen.
Industrie am Lauf der Werra
Die ehemalige Residenzstadt Hildburghausen am Oberlauf der Werra, einst Kapitale des Kleinstaats Sachsen-Hildburghausen, ist heute Standort der Metallverarbeitung, der Glas-, Porzellan- und Möbelherstellung sowie die Holzverarbeitung. Größtes Unternehmen im Landkreis ist aber ein Autozulieferer: Die Nidec GPM GmbH in Auengrund produziert mit 750 Beschäftigten konventionelle Wasserpumpen für Verbrennungsmotoren ebenso wie Technologie für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Die Lewell Kartonagen GmbH errichtete 2023 in Eisfeld nahe der Landesgrenze zu Bayern ihren zweiten europäischen Produktionsstandort. Ebenfalls in Eisfeld sitzt mit Harry’s Feintechnik GmbH ein Hersteller von Rasierklingen mit 430 Beschäftigten. In Eisfeld investierte im Jahr 2024 außerdem die CutMetall Recycling Tools Germany GmbH zwölf Millionen Euro in neue Produktionskapazitäten für die Herstellung von Bauteilen für Recyclingmaschinen.
Gute Verbindungen nach Bayern
Mit den Anbindungen an die Autobahn A4 in Ostwestrichtung sowie über die Autobahnen A73 in Richtung Nürnberg und A71 in Richtung Würzburg ist Südthüringen inklusive des längsten Straßentunnel Deutschlands, dem Rennsteigtunnel, an das Fernstraßennetz angeschlossen. Allerdings stören die Durchfahrtsbeschränkungen für bestimmte Gefahrguttransporte in der Tunnelkette der A 71 die örtliche Wirtschaft. Sie fordert seit geraumer Zeit eine Lockerung dieser Regelungen.
Mit dem Regionalverkehr der Deutschen Bahn und der Südthüringen-Bahn erreichen Reisende aus Südthüringen die ICE-Haltepunkte Eisenach, Erfurt, Gotha, Lichtenfels und Würzburg. Etwas gemächlicher, so beschreibt es Südthüringer IHK, ist die Verbindung von Eisenach über Meiningen bis nach Neuhaus am Rennweg, die durch das Werratal verläuft. Die Südthüringer Wirtschaft setzt sich zudem dafür ein, dass die Verbindung zwischen Eisfeld/Hildburghausen und dem fränkischen Coburg reaktiviert wird.
Hinsichtlich der Breitbandversorgung weist eine aktuelle Standortanalyse der IHK Südthüringen die Verfügbarkeit von schnellem Internet im Landkreis Hildburghausen als Standortvorteil aus. In den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen und Sonneberg bestehen hingegen noch erhebliche Defizite.
Südthüringen
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Ein Beitrag des Redaktionsnetzwerks Wirtschaft + Markt.