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Tom Hanks in Eisenhüttenstadt oder wie sich eine sozialistische Stadt neu erfinden muss

Im Dezem­ber 2011 wur­de Eisen­hüt­ten­stadt ein wenig auf­ge­rüt­telt. Der Grund war Schau­spie­ler Tom Hanks. Seit sei­nem Besuch hat sich in der klei­nen ost­deut­schen Indus­trie­stadt eini­ges getan. Dr. Tobi­as Leh­mann, der selbst aus der Stadt kommt, hat die Ent­wick­lung unter die Lupe genommen.

Tom Hanks, hier auf einer Filmpremiere im November 2021 in Los Angeles, hat Eisenhüttenstadt in den Jahren 2011 und 2015 besucht. Abbildung: Image Press Agency, Depositphotos

Tom Hanks, hier auf einer Film­pre­mie­re im Novem­ber 2021 in Los Ange­les, hat Eisen­hüt­ten­stadt in den Jah­ren 2011 und 2014 besucht. Abbil­dung: Image Press Agen­cy, Depositphotos

Er stand wirk­lich da, Tom Hanks. „Ich konn­te nicht spre­chen, so geschockt war ich“, erin­nert sich Kath­rin Henck an den Tag, als Tom Hanks mit zwei Freun­den in Tou­ris­mus­bü­ro der Stadt auf­tauch­te, in dem sie damals arbei­te­te. Kurz zuvor hat­te ein Bekann­ter des Hol­ly­wood­stars bei der Geschäfts­füh­re­rin des ört­li­chen Frem­den­ver­kehrs­am­tes eine pri­va­te Stadt­füh­rung gebucht. Der ame­ri­ka­ni­sche Schau­spie­ler, der sich zu die­ser Zeit für Dreh­ar­bei­ten in Deutsch­land auf­hielt, mach­te einen pri­va­ten Abste­cher in die „ers­te sozia­lis­ti­sche Stadt“, wie sie in der DDR genannt wurde.

Zwei Stun­den lang ließ sich Hanks – mit Hut und Bril­le – uner­kannt durch die archi­tek­to­nisch inter­es­san­ten Wohn­blocks in der Innen­stadt füh­ren. „Fan­tas­tisch“, so beschrieb er die Tour spä­ter gegen­über loka­len Medi­en. Und nach sei­ner Rück­kehr in die USA plau­der­te er sogar mit Talk­show-Mode­ra­tor David Let­ter­man vor einem Publi­kum von rund acht Mil­lio­nen Zuschau­ern über sei­ne Ein­drü­cke von dem, was er „Iron Hut City“ nann­te. „Er hat wirk­lich Wer­bung für unse­re Stadt gemacht, das ist unglaub­lich“, sagt Kath­rin Henck eupho­risch. Eisen­hüt­ten­stadt rück­te in den Fokus der Medi­en – so posi­tiv wie seit zwan­zig Jah­ren nicht mehr.

Das Friedrich-Wolf-Theater in Eisenhüttenstadt wurde schon mal als Spielfilmkulisse genutzt. Abbildung: Tobias Lehmann

Das Fried­rich-Wolf-Thea­ter in Eisen­hüt­ten­stadt wur­de schon mal als Spiel­film­ku­lis­se genutzt. Abbil­dung: Tobi­as Lehmann

Sozialistische Stadt inmitten eines großen Stahlwerks

Eisen­hüt­ten­stadt liegt im Osten Deutsch­lands, nahe der pol­ni­schen Gren­ze, und wur­de in den 1950er-Jah­ren von der DDR als sozia­lis­ti­sche Modell­stadt errich­tet. Und in vie­ler­lei Hin­sicht ist die Geschich­te die­ser Stadt die Geschich­te Ostdeutschlands.

Lan­ge Zeit gab es nichts Gutes zu berich­ten über die sozia­lis­ti­sche Mus­ter­stadt, die ein­ein­halb Auto­stun­den von Ber­lin ent­fernt liegt. Im Jahr 1950 wur­de der Grund­stein für das Eisen­hüt­ten­kom­bi­nat Ost gelegt. Dane­ben wur­de eine Wohn­sied­lung für die Arbei­ter errich­tet. Ursprüng­lich hieß die Stadt Sta­lin­stadt, doch im Zuge der Ent­sta­li­ni­sie­rung wur­de 1961 der Name in Eisen­hüt­ten­stadt geän­dert. Die Ein­hei­mi­schen nen­nen sie oft nur lie­be­voll „Hüt­te“.

Aus Eisen­hüt­ten­stadt strömt noch immer das Flair des sozia­lis­ti­schen Klas­si­zis­mus. Obwohl vie­le Fens­ter mit Bret­tern ver­na­gelt und die Stra­ßen rela­tiv leer sind, haben die gro­ßen Wohn­blocks einen Ein­druck von der frü­he­ren Grö­ße der Stadt bewahrt.

Die Stadt ist geräu­mig, grün und selt­sa­mer­wei­se voll von öffent­li­chen Uhren. Von der Haupt­ein­kaufs­stra­ße aus, der ehe­ma­li­gen Lenin­al­lee, die inzwi­schen zur Lin­den­al­lee umbe­nannt wur­de, kann man das gro­ße Stahl­werk sehen, das für den Auf­stieg und Nie­der­gang der Stadt so wich­tig war.

Die alte stalinistische Stadt schrumpft

Nach der deut­schen Ein­heit ver­lie­ßen vie­le die Stadt, weil sie ihre Arbeit in den Stahl­wer­ken ver­lo­ren. Bis 1989 leb­ten 52.000 Men­schen in der Stadt, heu­te sind es weni­ger als 25.000. Die Stadt hat mit einer Poli­tik des „Rück­baus“ reagiert – gan­ze „Plat­ten­bau­kom­ple­xe“ wur­den abge­ris­sen. Die inner­städ­ti­schen Wohn­blocks aus den 1950er-Jah­ren wur­den (und wer­den) saniert und restau­riert. Die­ses ein­zig­ar­ti­ge Archi­tek­tur­ensem­ble ist das größ­te Denk­mal­schutz­ge­biet Deutschlands.

Im Jahr 1989 beschäf­tig­te das Stahl­werk 12.000 Men­schen. Fast jede Fami­lie war in irgend­ei­ner Wei­se mit ihr ver­bun­den. Nach dem Fall der Ber­li­ner Mau­er wur­de das Werk pri­va­ti­siert. Heu­te beschäf­tigt es nur noch 2.500 Mit­ar­bei­ten­de, sodass vie­le Eisen­hüt­ten­städ­ter zum ers­ten Mal von Arbeits­lo­sig­keit betrof­fen sind.

Da ist es nicht ver­wun­der­lich, dass die jun­gen Leu­te auf der Suche nach Arbeit in Scha­ren weg­ge­zo­gen sind. Das Durch­schnitts­al­ter in Eisen­hüt­ten­stadt lag in der Blü­te­zeit der 1950er-Jah­re bei Anfang 20. Jetzt geht es auf die 50 zu und mehr als die Hälf­te der Bevöl­ke­rung ist über 60.

Heu­te kann man in Eisen­hüt­ten­stadt T-Shirts und Ther­mo­be­cher mit dem Auf­druck „Eisen­hüt­ten­stadt“ kau­fen. Und das ist erst der Anfang. „Für das Frem­den­ver­kehrs­amt war der kur­ze Zwi­schen­stopp eines Hol­ly­wood­stars wie ein Lot­to­ge­winn“, sagt Ben Kaden, Autor eines Eisen­hüt­ten­stadt-Blogs, der dort bis 2015 für einen alter­na­ti­ven Blick auf die Stadt plä­dier­te. Er glaub­te aller­dings nicht, dass der Besuch von Tom Hanks eine nach­hal­ti­ge Wir­kung haben wer­de: „Sein Besuch wird ledig­lich dafür sor­gen, dass die Men­schen auf die Exis­tenz der Stadt auf­merk­sam werden.“

Auf Geschichte bauen

Für Eisen­hüt­ten­stadt war der Besuch ein­deu­tig eine lehr­rei­che Erfah­rung. „Tom Hanks hat uns gezeigt, was die Besu­cher sehen wol­len. Wir müs­sen uns auf unse­re DDR-Geschich­te kon­zen­trie­ren. Dar­in sehe ich unser Poten­zi­al“, sagt Kath­rin Henck.

Infol­ge der Wen­de woll­ten vie­le Bür­ger nicht, dass die Stadt zu einem rie­si­gen DDR-Frei­licht­mu­seum wird. Jetzt scheint es ein viel­ver­spre­chen­der Weg zu sein, Tou­ris­ten in die Stadt zu locken. Teil der offi­zi­el­len Stadtfüh­rung könn­te dann auch ein Besuch des Stahl­werks sowie des Muse­ums „Uto­pie und All­tag in der DDR“ sein. Dort wur­de gera­de eine neue Son­der­aus­stel­lung mit dem Titel „Frem­de Freun­de. Völ­ker­freund­schaft zwi­schen Ide­al und Wirk­lich­keit“ eröff­net, die das kolo­nia­le Erbe Deutsch­lands und des­sen Bedeu­tung für die sozia­lis­ti­sche Gemein­schaft Eisen­hüt­ten­stadts zeigt.

Aber auch das total ver­fal­le­ne ehe­ma­li­ge Hotel Lunik gehört zur Innen­stadt und zum Erbe der sozia­lis­ti­schen Plan­stadt. Die Innen­räu­me des Hotels kön­nen inzwi­schen auch besich­tigt wer­den. Die gan­ze Stadt scheint tat­säch­lich ein ein­zig­ar­ti­ges Frei­luft­mu­se­um zu werden.

Das ehemalige DDR-Hotel „Lunik“ in Eisenhüttenstadt ist denkmalgeschützt und ein Wahrzeichen der Stadt. Abbildung: Tobias Lehmann

Das ehe­ma­li­ge Hotel „Lunik“ in Eisen­hüt­ten­stadt ist denk­mal­ge­schützt und ein Wahr­zei­chen der Stadt. Abbil­dung: Tobi­as Lehmann

„Eisen­hüt­ten­stadt hat viel zu bie­ten“, betont Blog­ger Ben Kaden und nennt als Bei­spiel „die wenig bekann­te Tat­sa­che, dass die Ber­li­na­le 2012 Eisen­hüt­ten­stadt als zusätz­li­chen Außen­stand­ort genutzt hat, um Kunst­in­ter­es­sier­te in die Stadt zu brin­gen“. Es ent­steht jedoch der Ein­druck, dass Eisen­hüt­ten­stadt nicht adäquat reprä­sen­tiert wird und sich unter Wert ver­kauft. Wir kon­zen­trie­ren uns zu wenig auf die Tou­ris­ten, die das sozia­lis­ti­sche Leben haut­nah erle­ben wol­len, oder auf die Bür­ger der Stadt, die sich gern an die Ver­gan­gen­heit erin­nern und ihre Erin­ne­run­gen tei­len wol­len. Ande­re wol­len sich mit Gleich­ge­sinn­ten aus­tau­schen. Dass die­se Erin­ne­run­gen manch­mal nost­al­gisch und roman­tisch ver­klärt wer­den, lässt sich an einem Ort wie Eisen­hüt­ten­stadt wohl nicht verhindern.

Nicht schön, aber ...

Kath­rin Henck weiß, dass der Tou­ris­mus kein Selbst­läu­fer ist. Attrak­tio­nen wie Fach­werk­häu­ser oder Schlös­ser gibt es hier nicht. Aber sie sagt selbst­be­wusst: „Wir sind nicht schön, aber wir sind inter­es­sant.“ Mit oder ohne Tom Hanks. Obwohl er ihr bei sei­nem letz­ten Besuch ver­spro­chen hat­te, dass er wie­der­kom­men würde.

Bei sei­nem zwei­ten Besuch hat Hanks sogar noch einen Tra­bant gekauft. Den knapp 25 Jah­re alten him­mel­blau­en Tra­bant „P 601 de luxe Kom­bi“ will er einem Auto­mo­bil­mu­se­um in Kali­for­ni­en über­las­sen. Das gute Stück besitzt immer­hin Heck­schei­ben­hei­zung, Nebel­schein­wer­fer und ein Radio, wenn auch kei­nen auto­ma­ti­schen Blink­ge­ber­he­bel. Der Ver­käu­fer kann nach eige­nen Wor­ten den Ver­lust des Tra­bis ver­schmer­zen. Er habe noch drei wei­te­re Exem­pla­re in sei­nem Besitz, erklärt Kath­rin Henck.

Dr. Tobi­as Leh­mann hat an der Uni­ver­si­ty of Ore­gon zum The­ma Wen­de­li­te­ra­tur pro­mo­viert. Gebo­ren 1981 in Eisen­hüt­ten­stadt war er lan­ge Zeit in Süd­ko­rea und anschlie­ßend in den USA tätig.

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