Dr. Robert Nehring ist Initiator und Herausgeber des Sammelbandes „Denke ich an Ostdeutschland ...“ sowie Chefredakteur von ostdeutschland.info. Er möchte zu Vergewisserung, Verständigung und Versöhnung beitragen. Hier erscheint sein Vorwort zum Sammelband online.
„Wir aus dem Osten geh’n immer nach vorn.“ Das wäre ein passender Titel für diesen Sammelband gewesen. Das Statement ist aber untrennbar mit dem 1. FC Union Berlin verbunden, der es aus der zweiten Reihe der DDR-Oberliga bis in die Champions League geschafft hat. Es handelt sich um die erste Zeile der offiziellen Vereinshymne. Als Soundtrack zu diesem Buch könnte auch der Puhdys-Song „Ich will nicht vergessen“ von 1984 dienen: „Denke ich an Deutschland, ist mir auch nach schrei‘n“.
„Denke ich an Ostdeutschland … “ ist ebenfalls an Heinrich Heines „Nachtgedanken“ angelehnt, ein Gedicht aus dem Jahr 1844. Es zählt zur Literatur des Vormärz, der Zeit vor der Revolution von 1848, die analog zu heute gekennzeichnet war durch den Beginn eines neuen industriellen Zeitalters, dringend notwendige tiefgreifende Reformen und einen auflebenden Nationalismus.
2024 kann einen vor allem die Situation in Ostdeutschland um den Schlaf bringen. Hier kommen reale und gefühlte Benachteiligung zusammen. Strukturelle Probleme treffen auf tief gekränkte Psychen. Unterrepräsentanz, ungleiche Vermögensverhältnisse, der Eindruck von Bevormundung und Marginalisierung sowie einiges mehr behindern die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und den Aufbau von Vertrauen in „das System“. Im Ergebnis zeichnen sich bei politischen Umfragen die Grenzen von 1989 ab und in politischen Entwicklungen die der 1930er-Jahre.
In der Beziehung von Ost- und Westdeutschland ist 35 Jahre nach dem Mauerfall noch immer ein Knoten. Er wird fester, je weiter sich beide voneinander entfernen. Er ließe sich lockern, indem man aufeinander zugeht. Nur dadurch könnte er eines Tages gelöst werden – ohne die Verbindung zu zerschneiden.
Dieser Band soll einen Beitrag zum Lösen des Knotens leisten. Persönlichkeiten aus, in und vor allem für Ostdeutschland zeigen Chancen auf, scheuen sich aber auch nicht, Herausforderungen zu benennen. Die Impulsgeberinnen und Impulsgeber erzählen Geschichten und schildern Sachverhalte, die aufklären, Mut machen sowie ein positives Narrativ für Ostdeutschland bilden.
Mein herzlicher Dank gilt unseren Autorinnen und Autoren – für ihre Impulse, ihre Zeit. Die meisten der Beiträge sind im Frühjahr 2024 entstanden. In manchen werden intime Einblicke gewährt, manchmal sogar in das private Fotoalbum.
Mein Dank gilt auch Aavin Ahmad, Gerrit Krämer, Christian Marx und Sebastian Roth, die mich beim Lektorat unterstützt haben, sowie Tonja Heilmeyer und Maria Riesenhuber für die Gestaltung. Und natürlich meinem Vater Frank, ohne dessen langjähriges Engagement für die ostdeutsche Wirtschaft dieses Buch deutlich dünner ausgefallen wäre.
Robert Nehring
Juli 2024
BUCHTIPP:
„Denke ich an Ostdeutschland ...“In der Beziehung von Ost- und Westdeutschland ist auch 35 Jahre nach dem Mauerfall noch ein Knoten. Dieser Sammelband will einen Beitrag dazu leisten, ihn zu lösen. Die 60 Autorinnen und Autoren geben in ihren Beiträgen wichtige Impulse für eine gemeinsame Zukunft. Sie zeigen Chancen auf und skizzieren Perspektiven, scheuen sich aber auch nicht, Herausforderungen zu benennen. Die „Impulsgeberinnen und Impulsgeber für Ostdeutschland“ erzählen Geschichten und schildern Sachverhalte, die aufklären, Mut machen sowie ein positives, konstruktiv nach vorn schauendes Narrativ für Ostdeutschland bilden. „Denke ich an Ostdeutschland ... Impulse für eine gemeinsame Zukunft“, Frank und Robert Nehring (Hgg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2024, 224 S., DIN A4. Als Hardcover und E-Book hier erhältlich. |