Keiner von ihnen hat die Teilung Deutschlands miterlebt, aber die beiden Nachwendekinder spüren ihre Auswirkungen bis heute: Weil Beatrice von Braunschweig (25) und Daniel Schüler (25) von N5 Symposium viel Potenzial in ihrer Heimat Ostdeutschland sehen, schreiben sie hier abwechselnd ihre jugendlich-optimistischen Denkansätze auf. In Folge zwei thematisiert Beatrice von Braunschweig den Missbrauch parlamentarischer Mittel.

Beatrice von Braunschweig (25) und Daniel Schüler (25) sehen in ihrer Heimat Ostdeutschland viel Potenzial. Abbildung: Moritz Lenz
Sieben von zehn zivilgesellschaftliche Organisationen in Ostdeutschland sorgen sich um ausreichende Mittel für ihre Arbeit. Die jüngste „Wir sind der Osten“-Umfrage unter 100 Organisationen ist zwar nicht repräsentativ. Die Ergebnisse zeigen aber, wie sehr Vereine und Co. sich um ihre Finanzierung sorgen.
Grund dafür dürfte sein, dass Initiativen in Ostdeutschland häufiger als im Westen von parlamentarischen Anfragen betroffen sind. Theoretisch sind solche Anfragen ein legitimes Mittel für Parteien, um die Arbeit der Regierung zu kontrollieren. Wenn ein Großteil der Fragen jedoch nicht auf die Regierungsarbeit abzielt, sondern unliebsame gesellschaftliche Arbeit infrage stellt, dann ist das ein Missbrauch parlamentarischer Mittel.
Parlamentarische Anfragen dürfen nicht missbraucht werden
Ende Februar dieses Jahres stellte die CDU/CSU-Fraktion 551 Fragen an die Bundesregierung zu staatlich geförderten Organisationen. Prompt erkundigte sich die CDU Mecklenburg-Vorpommern, inwiefern auch die dortigen „Omas gegen Rechts“ öffentliche Gelder erhielten. In Sachsen stellte eine CDU-Politikerin eine ähnliche Anfrage zu „Buntes Meißen – Bündnis Zivilcourage e.V.“. Vier Monate zuvor hatte die AfD erfolgreich einen Antrag im Stadtrat Meißen durchgebracht. Mit Stimmen der AfD und einzelnen Abgeordneten der CDU, FDP und Freien Wählern rutschte „Buntes Meißen“ in der Prioritätenliste nach unten und verlor dadurch bedeutende Fördermittel. Daraufhin erhielt das Meißner Bündnis eine Spende von 25.000 Euro von Campact. Campact tauchte neben „Omas gegen Rechts“ auch in dem fragwürdigen 551-Fragen-Katalog der Union an die Bundesregierung auf.
Dachverband der Migranten in Sachsen musste schließen
Damit nicht genug: Ausgerechnet der Dachverband der Migranten in Sachsen musste 2024 Insolvenz anmelden – und das nur, weil ihm die Förderung entzogen wurde. Das ursächliche Verwaltungsverfahren des Sächsischen Rechnungshofs geht auf jahrelange Bemühungen der AfD gegen missliebige Akteure zurück. Ein katastrophales Signal für eine demokratische Gesellschaft: Wenn der Verband, der Menschen mit Migrationsgeschichte vertritt, schließen muss, wird deutlich, wie sehr politische Einflussnahme die Unabhängigkeit und das Überleben wichtiger zivilgesellschaftlicher Organisationen gefährden kann. Die Instrumentalisierung staatlicher Kontrolle zur Ausgrenzung unliebsamer Stimmen ist ein alarmierender Schritt in Richtung einer immer weniger offenen und pluralistischen Gesellschaft.
Zivilgesellschaft braucht Zuverlässigkeit
Ostdeutschlands Zivilgesellschaft braucht keine Verunsicherung, sondern eine verlässliche Finanzierung – auch aus dem Bundeshaushalt. 79 Prozent der Stiftungen fördern in erster Linie regionale Projekte, so der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Stiftungen sind in Ostdeutschland rar. Auch nach 35 Jahren Wiedervereinigung sitzen gerade einmal sieben Prozent aller deutschen Stiftungen in einem der fünf neuen Bundesländer.
Die gute Nachricht ist: Drei von vier Unternehmen gaben bei der ZiviZ-Umfrage letztes Jahr an, sich regelmäßig gesellschaftlich zu engagieren. Doch sind diese Firmen meist kleiner und haben weniger Kapital im Vergleich zu Westdeutschland. Eine stabile Wirtschaft in den Regionen kommt daher auch den Freiwilligen vor Ort zugute.
Zivilgesellschaft muss sich wehren können
Damit die Zivilgesellschaft langfristig arbeiten kann, muss sie sich vernetzen können. Engagierte müssen sich über ihre Arbeit austauschen und zusammenschließen, um sich bestmöglich gegen Verunsicherungen aus der Politik zu wehren, vor allem gegen rechtspopulistische Bewegungen. Die Zivilgesellschaft agiert als Korrektiv. Sie ist essenziell, um sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum die Demokratie zu gestalten und zu verteidigen. Der Landesverband Sächsischer Migrantenorganisationen hat sich derweil in Leipzig neu gegründet.
Beatrice von Braunschweig ist Schülerin der Deutschen Journalistenschule. Seitdem sie 2021 das N5 Symposium mitgegründet hat, taucht sie gern in Diskussionen rund um Ostdeutschland ab. Sie ist in Halle (Saale) geboren und lebt für kurze Zeit in München.
Daniel Schüler arbeitet als Programmmanager bei der Schöpflin Stiftung. 2023 hat er das N5 Symposium als Vorstandsmitglied organisiert. Er kommt aus dem Harz, erkennt alle Kalendermotive aus Sachsen-Anhalt und lebt in Magdeburg.