Auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow hat der Saarower Kreis am 19. Mai den ifo Faktenmonitor Ostdeutschland vorgestellt. Der Bericht liefert auf Basis einer umfangreichen Faktenerhebung konkrete Impulse für die wirtschaftspolitische Debatte über die Zukunft der neuen Bundesländer. ostdeutschland.info ist Partner des Saarower Kreises.

Der ifo Faktenmonitor Ostdeutschland wurde am 19. Mai auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum 2025 vorgestellt. Abbildung: Mitteldeutsche Stiftung
Ziel des Reports ist es, auf der Grundlage objektiver Daten ein realistisches Bild der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Ostdeutschland zu zeichnen. Anhand von beinahe 170 verschiedenen Strukturdaten aus den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wissenschaft und Gesellschaft ermöglicht der Faktenmonitor einen Vergleich der ostdeutschen mit den westdeutschen Bundesländern, zum Teil auch mit den Regionen Europas. Dabei wird zwar deutlich, dass Ostdeutschland wirtschaftlich insgesamt noch hinter dem Westen zurückliegt. Bei vielen Indikatoren erweisen sich die ostdeutschen Länder allerdings gegenüber den Vergleichsregionen als mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen.
Der ifo Faktenmonitor zeigt, dass Ostdeutschland kein einheitlicher Wirtschaftsraum ist. Vielmehr gibt es regionale Unterschiede mit zum Teil überdurchschnittlichen Potenzialen. So liegt Sachsen mit einer Exportquote von 32 Prozent über dem westdeutschen Durchschnitt. In Thüringen liegt der Industrieanteil auf dem Niveau von Bayern. Berlin und Sachsen belegen bei den Forschungsausgaben Spitzenplätze im EU-Vergleich. Und Brandenburg profitiert stark vom Zuzug aus der Hauptstadtregion.
BIP in Ostdeutschland bei 86 Prozent vom Westen
Betrachtet man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Erwerbstätigenstunde als Gradmesser der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, erreicht Ostdeutschland etwa 86 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. In der Gesamtbetrachtung ist Ostdeutschland demnach weiterhin schwächer als der Westen.
Interessant ist allerdings der Blick ins Detail: So kann das ostdeutsche Niveau fast zu den strukturschwächeren westlichen Regionen wie Schleswig-Holstein und dem Saarland aufschließen. Zusätzlich zeigen Indikatoren wie die Kapitalproduktivität ein differenziertes Bild, das auf solide wirtschaftliche Potenziale hindeutet.
Unterschiede bei Forschung und Entwicklung: stellenweise auf Augenhöhe
Ein zentraler Motor für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt und von Unternehmen im Speziellen ist die Innovationskraft. Während der Anteil von Forschung und Entwicklung (FuE) am BIP in Ostdeutschland insgesamt bei 2,41 Prozent liegt (im Vergleich zu 3,24 Prozent im Westen), erreichen Berlin und Sachsen mit 3,23 bzw. 3,02 Prozent durchaus Werte auf westdeutschem Niveau. Im internationalen Vergleich belegen diese Regionen mit Rang acht bzw. Rang zwölf von 92 EU-Regionen beeindruckende Plätze.
Herausforderung Demografie: nur halb so hoher Ausländeranteil
Der Bericht benennt auch Herausforderungen. Seit 1991 ist die Einwohnerzahl in Ostdeutschland um rund zehn Prozent gesunken – eine Entwicklung, die vor allem in den ländlichen Flächenländern außer Brandenburg deutlich ausgeprägt ist. Im Gegensatz dazu verzeichnet Berlin einen Zuwachs. Gleichzeitig schrumpft insbesondere die erwerbsfähige Bevölkerung stärker als die Gesamtbevölkerung. Die Alterung ist in Ostdeutschland ausgeprägter als im Westen.
Der Anteil ausländischer Einwohner in den ostdeutschen Flächenländern beträgt nur rund 7,2 Prozent – während er im Westen etwa 15,6 Prozent erreicht. Nur Berlin hebt mit einem Ausländeranteil von über 22 Prozent diese Tendenz auf. Der geringe Zuzug aus dem Ausland kann langfristig zur Verschärfung des demografischen Wandels beitragen.
Prognosen deuten darauf hin, dass sich der Rückgang der Bevölkerung – insbesondere der erwerbsfähigen Altersgruppe – in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen wird.
Das aktuelle Lohngefälle: zwölf Prozent geringerer Stundenlohn
Die Erwerbsbeteiligung hat sich zwischen Ost- und Westdeutschland angeglichen. Dennoch ist das Arbeitsangebot in den ostdeutschen Flächenländern rückläufig, da die erwerbsfähige Bevölkerung aufgrund demografischer Veränderungen abnimmt. Ein Ausnahmefall ist Brandenburg, das vom Zuzug – insbesondere aus Berlin – profitiert.
Die ostdeutschen Stundenlöhne liegen insgesamt etwa zwölf Prozent unter dem westdeutschen Niveau, in ländlichen Regionen sind sie sogar bis zu 17 Prozent niedriger. Allerdings relativieren laut Faktenmonitor niedrigere Verbraucherpreise diese Differenz: Reallohnbereinigt erreichen die Löhne in Ostdeutschland Werte von über 90 Prozent des Westniveaus, und in mehreren ostdeutschen Flächenländern liegt das reale Pro-Kopf-Einkommen sogar über dem Niveau einiger schwächer verdienender westlicher Regionen.
Auf Initiative des Saarower Kreises
Der ifo Faktenmonitor Ostdeutschland wurde vom ifo Institut, Niederlassung Dresden, im Auftrag der Mitteldeutschen Stiftung Wissenschaft und Bildung erstellt. Er richtet sich an Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, die sich mit der Transformation Ostdeutschlands befassen.
Initiiert und präsentiert wurde der Monitor vom Saarower Kreis. Die Initiative wurde 2024 auf dem OWF ins Leben gerufen. Sie ist ein Zusammenschluss engagierter Player in Ostdeutschland. Vor allem von ostdeutschen Wirtschaftsverbänden, aber auch ostdeutschland.info gehört zum Kreis, der sich regelmäßig trifft.

Frank Nehring ist Sprecher des Saarower Kreises. Abbildung: Bernd Brundert, Christiane Fiedler
Die Mitglieder des Saarower Kreises verbinden mit dem Faktenreport, der in dieser Form einzigart ist und regelmäßig aktualisiert werden soll, eine klare Botschaft an die Politik in Bund und Ländern. Frank Nehring, Sprecher des Saarower Kreises, formuliert es so: „Ostdeutschland ist keine homogene Schwächezone, sondern ein Zukunftslabor. Wer genau hinschaut, erkennt wirtschaftliche Dynamik, kreative Regionen und konkrete Hebel. Wir brauchen mehr Vertrauen in die eigenen Stärken und den Mut, wirtschaftspolitisch Neues zu denken“.
Näheres über den ifo Faktenmonitor Ostdeutschland erfahren Sie auf der Website des Saarower Kreises auf ostdeutschland.info.