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Buchvorstellung: Der große Schock

Vie­len Ost­deut­schen steckt der radi­ka­le Struk­tur­wan­del der Nach­wen­de­zeit und die frag­wür­di­ge Treu­hand­po­li­tik noch immer tief in den Kno­chen. War­um sind sie bis heu­te ver­stummt? Das neue Buch „Der gro­ße Schock“ von Kat­rin Rohn­stock zeigt, wie sich die gro­ße Poli­tik von damals im Klei­nen niederschlug.

In ihrem Buch lässt die Her­aus­ge­be­rin zahl­rei­che Stim­men zu Wort kom­men, die jetzt – Jahr­zehn­te spä­ter – ihr Schwei­gen gebro­chen haben. Die berüh­ren­den, teils dra­ma­ti­schen Geschich­ten der Men­schen aus fünf Thü­rin­ger Betrie­ben ste­hen dabei exem­pla­risch für die trau­ma­ti­schen Erfah­run­gen eines Groß­teils der DDR-Bevöl­ke­rung. So ver­wei­ger­te die Treu­hand in Eisen­berg etwa Anfang der 1990er-Jah­re eine Über­nah­me durch die erfah­re­ne ost­deut­sche Werks­lei­tung, wel­che gera­de dabei war, sich an die neu­en Gege­ben­hei­ten anzu­pas­sen. Die Fol­ge waren Mas­sen­ent­las­sun­gen, ein schlei­chen­der Ver­fall und schließ­lich die Insol­venz. Kein Ein­zel­fall, son­dern ein Schei­tern mit Sys­tem. Die Treu­hand­an­stalt ist das „Syn­onym für den Nie­der­gang indus­tri­el­ler Struk­tu­ren, der bis heu­te nach­wirkt“, schreibt Rohnstock.

Auch die Geschich­ten über das Hen­ne­ber­ger Por­zel­lan­werk aus Ilmen­au, das nach der Wen­de von der Treu­hand pri­va­ti­siert wur­de, las­sen den Leser nicht kalt. Aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven berich­ten die Zeit­zeu­gen, wie es trotz hoher Pro­dukt­qua­li­tät und sta­bi­ler Kun­den­be­zie­hun­gen zu meh­re­ren Ent­las­sungs­wel­len kam, von denen sich das Unter­neh­men nicht mehr erho­len soll­te. Wie sich her­aus­stell­te, war das Ende der Fir­ma mit dem feh­len­den Zusam­men­halt der ehe­mals 3.000 Mit­ar­bei­ten­den besie­gelt, die als gewach­se­ne Gemein­schaft einst mehr im Unter­neh­men gese­hen haben, als einen blo­ßen Arbeits­platz. Für sie war es ein iden­ti­täts­stif­ten­der Ort, der über Gene­ra­tio­nen hin­weg mit den Bio­gra­fien der Men­schen vor Ort ver­floch­ten war.

Ein wei­te­res The­ma ist die Schlie­ßung des wirt­schaft­lich trag­fä­hi­gen Kali­berg­werks in Bisch­of­fero­de 1993 durch die Treu­hand. Dabei han­del­te es sich um eine macht­po­li­ti­sche Ent­schei­dung, gegen wel­che die Beleg­schaft erbit­ter­ten Wider­stand mit Demons­tra­tio­nen und einem Hun­ger­streik leis­te­te. Doch auch hier war den Betrof­fe­nen trotz bun­des­wei­ter media­ler Auf­merk­sam­keit kein guter Aus­gang vergönnt.

Jede der fest­ge­hal­te­nen Erzäh­lun­gen zeugt auf ihre Wei­se von Ohn­macht und Ver­zweif­lung, aber auch von der Beharr­lich­keit der Ost­deut­schen und ihrem Wider­stand. Sie machen ein Stück weit ver­ständ­li­cher, war­um die Wie­der­ver­ei­ni­gung bei vie­len bis heu­te einen bit­te­ren Nach­ge­schmack hin­ter­las­sen hat. Mit gesell­schaft­li­chen Umbrü­chen gehen oft­mals gan­ze Lebens­wel­ten durch­drin­gen­de Schocks ein­her, wel­che die Betrof­fe­nen nie wirk­lich los­las­sen. Die Trans­for­ma­ti­on Ost­deutsch­lands in der Nach­wen­de­zeit kam einer sozia­len und öko­no­mi­schen Ent­wur­ze­lung gleich. Der Ver­lust von Sicher­heit, von Gemein­schaft und Arbeits­plät­zen führ­te zu einer kol­lek­ti­ven Erschüt­te­rung. Arbeits­lo­sig­keit war für DDR-Bür­ger, denen auf Lebens­zeit Arbeits­plät­ze garan­tiert waren, unvor­stell­bar gewe­sen. Plötz­lich aber wur­de sie zur neu­en Rea­li­tät von Mil­lio­nen. Eine tief­sit­zen­de und beschä­men­de Demü­ti­gung für viele.

Wäh­rend sich die Medi­en­welt gern auf posi­ti­ve Erfolgs­ge­schich­ten und wirt­schaft­li­che Auf­hol­jag­den stürzt, gehen die Schick­sals­schlä­ge ein­zel­ner Men­schen meist unter. In die­sem Buch fin­den sie Gehör. Zusam­men sind sie der Ver­such, für das „Treu­hand-Trau­ma“ – den kol­lek­ti­ven Ver­lust von Arbeit – Wor­te zu fin­den und sicht­bar zu machen, was die­ser tief­grei­fen­de Wech­sel der Gesell­schafts­ord­nung indi­vi­du­ell bedeutete.

Die Geschich­ten, die Kon­flik­te und Kri­sen the­ma­ti­sie­ren, über die bis heu­te nur wenig gespro­chen wird, ent­stan­den in Erzähl­sa­lons. Einem von Rohn­stock ent­wi­ckel­ten For­mat, in dem Men­schen in einer ver­trau­li­chen Atmo­sphä­re zusam­men­kom­men und bei dem dar­auf geach­tet wird, dass jedem zuge­hört wird.

 

BUCHTIPP:

Kat­rin Rohn­stock (Hg.): „Der gro­ße Schock. Ost­deut­sche erzäh­len von den Fol­gen der Treu­hand­po­li­tik“, BeBra Ver­lag, Ber­lin 2025, 240 Sei­ten, 22 € (Paper­back)

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