Die Marke Minol war die bekannteste der DDR, ihr Minol-Pirol zählte zu den prominentesten Maskottchen des Landes. Ulrich Biene zeichnet in seinem Buch sowohl Aufstieg als auch Fall des Unternehmens nach, dessen Schicksal exemplarisch ist.
1945 wurde „Minol“ ins Leben gerufen. Der Name war dann bis zum Ende der DDR untrennbar mit ihrer Kraftstoffversorgung verbunden. Die Tankstellen der Kette (1955 1.629, 1990: 1.270) fielen mit ihrem markanten, gelb-roten Design schon aus der Ferne ins Auge. Das Maskottchen, ein Pirol im modischen Blaumann, genoss immense Popularität – nicht zuletzt, da ihm auch der Sprung auf die Mattscheibe gelang. Nach der Wende versuchte die Marke in einem lässigen Lila-Look den Neustart in der Bundesrepublik. Trotz anfänglicher Erfolge verlor sie jedoch zunehmend an Bedeutung. 1993 wurde Minol von Elf Aquitaine übernommen, ein politisch hochumstrittener Vorgang. Schmiergeldvorwürfe führten später zu einer Krise der Bundesregierung. Dann schwand das Interesse der Eigentümer an der Traditionsmarke. Inzwischen sind nur noch wenige Tankstellen aktiv, hauptsächlich, um die Markenrechte zu erhalten.
Ulrich Biene hat diesem Kapitel ostdeutscher Wirtschaftsgeschichte ein ganzes Buch gewidmet: „Der Pirol an der Zapfsäule“. Sein Zusatztitel „Minol – Geschichte und Geschichten“ trifft genau ins Schwarze. Denn neben einem historischen Überblick über die Entwicklung von Marke und Konzern bietet die Lektüre viele Anekdoten aus vergangenen Tagen. Dafür sprach der Journalist mit zahlreichen Zeitzeugen, Angestellten und Kunden. Vor allem die Erlebnisse der Tankwarte werden dabei in den Vordergrund gerückt, was sich teilweise sehr amüsant liest. Etwa der Bericht von Lothar Hahn, der erzählt, dass viele westdeutsche Kunden urplötzlich vergessen hatten, wo sich der Tankdeckel ihrer „chromblitzenden Autos“ befand. Ein Blick ins Handschuhfach offenbarte dann den Grund für den spontanen Gedächtnisverlust: Es handelte sich um Mietwagen. „Auch damals gab es schon mehr Schein als Sein“, so sein Resümee.
An manchen Stellen geht Biene sehr ins Detail und verlangt Interesse an Themen wie Benzinmischverhältnisse oder Tankfahrzeugtechnik. Hier stellt der Autor seine Kompetenz unter Beweis. Unter anderem hat er bereits die Bücher „Gasolin. Nimm dir Zeit – und nicht das Leben“ (2018) und „Bitte volltanken! Tankstellen-Kultur in Nordrhein-Westfalen“ (2019) veröffentlicht. „Der Pirol an der Zapfsäule“ enthält viele Abbildungen, darunter auch Werbeanzeigen, Karten, Konzepte und Entwürfe. Das macht die Thematik sehr anschaulich und führt dazu, dass man gern in diesem Buch blättert.
„Der Pirol an der Zapfsäule“ ist eine in nostalgischen (Benzin-)Nebel gehüllte, sehr gelungene Nacherzählung eines Stückes ostdeutscher Historie, die vom Aufbau des Versorgungsnetzes über typische DDR-Herausforderungen bis hin zum Wandel nach 1989 reicht. Kraftstoff zum Lesen.
BUCHTIPP:
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