Der Xing-Arbeitsmarktreport 2024 analysiert die Arbeitswelt 35 Jahre nach dem Mauerfall. Er gibt Aufschluss darüber, was Beschäftigte in Ost- und Westdeutschland heute denken. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind nicht groß, aber klar vorhanden.
Im Xing-Arbeitsmarktreport 2024 geht es um Stress, Work-Life-Balance, die Sorge um den Arbeitsplatz und die Wünsche an Arbeitgeber. Dafür wurden deutschlandweit 2.000 Beschäftigte zwischen 18 und 65 Jahren im Rahmen einer repräsentativen Erhebung befragt.
Beruf und Privatleben ausgeglichen?
Rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland sind grundsätzlich zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance – also der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (52 Prozent). Hier zeigt sich allerdings ein erster Unterschied zwischen Ost und West: Während 53 Prozent der Westdeutschen das Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben als ausgewogen empfinden, tun das im Osten nur 48 Prozent der Befragten. Als größte Hürden nennen Ostdeutsche die fehlende Flexibilität bei der Arbeitszeit (38 Prozent), gefolgt von gesundheitlichen Problemen und Stress (33 Prozent). Beschäftigte im Westen klagen in der Tendenz mehr über Stress (36 Prozent), dicht darauf folgen eine fehlende Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung (35 Prozent) und daraus resultierend zu wenig Zeit für Hobbys und Freizeit (Westen: 35 Prozent; Osten: 33 Prozent).
Fehlende Kinderbetreuung
Trotz einer laut Bertelsmann-Stiftung besseren Versorgungssituation in den ostdeutschen Bundesländern ist die fehlende Kinderbetreuung für Eltern in Ost und West gleichermaßen ein Thema, wenn es um die Vereinbarkeit von Job und familiären Pflichten geht. So beklagen 15 Prozent aller Befragten in Ostdeutschland und 16 Prozent in Westdeutschland eine fehlende Kinderbetreuung. „Beschäftigte in Deutschland sind weniger denn je bereit, ihr Privatleben ihrem Job unterzuordnen“, sagt Thomas Kindler, Managing Director des Jobs-Netzwerks Xing. „Wir sehen in vielen Regionen Deutschlands, dass sich das Stresslevel der Beschäftigten auf einem hohen Niveau einpendelt. Viele belastet die Vereinbarkeit von Job und Familie, sie spüren den Fachkräftemangel in ihrem Arbeitsalltag und den wirtschaftlichen Druck in ihrem Unternehmen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich darum zu kümmern.”
Arbeitgeberattraktivität: Gehalt und Flexibilität
Was muss passieren, damit das Arbeitsleben für viele attraktiver wird? Darauf geben die Menschen in Ost und West ähnliche Antworten. Top-Antwort: mehr Gehalt. In Zeiten der Rezession überrascht das wenig. Mehr als jeder zweite Erwerbstätige im Osten (53 Prozent) wünscht sich eine bessere Bezahlung. Eine attraktivere Entlohnung steht auch bei 48 Prozent der Beschäftigten im Westen ganz oben auf der Wunschliste. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit – beispielsweise durch mehr Gleitzeit – finden Beschäftigte in den alten Bundesländern besonders attraktiv (34 Prozent; Ostdeutschland: 30 Prozent), eine bessere Work-Life-Balance durch eine kürzere Arbeitswoche oder mehr Urlaubstage steht im Osten hoch im Kurs (Ost: 37 Prozent; West: 35 Prozent). „Unternehmen haben wirksame Mittel in der Hand, um den Fachkräftemangel abzufedern. Anreize für Mehrarbeit wie attraktive Vergütungen und Arbeitszeitmodelle mit möglichst viel Flexibilität zahlen auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Hier ist ein Umdenken gefragt – und das besser heute als morgen“, so Kindler.
Beschäftigte in Ost und West wollen weniger arbeiten
Getrieben vom Fachkräftemangel und der wirtschaftlichen Rezession klagen rund 30 Prozent der Befragten in Deutschland über eine erhöhte Arbeitsbelastung (30 Prozent im Westen; 29 Prozent im Osten). Fast genauso viele sprechen von schlechter Stimmung im Unternehmen und fast jeder Vierte von einem erhöhten Stresslevel (Westen: 24 Prozent; Osten: 21 Prozent). Kein Wunder, dass sich die meisten Beschäftigten (58 Prozent) schwer tun, mehr zu arbeiten, um den Wohlstand dieses Landes zu sichern, wie es einige Ökonomen fordern. Der Fragestellung „Glauben Sie, dass es eine Notwendigkeit zur Mehrarbeit gibt, um einem drohenden wirtschaftlichen Abschwung und Wohlstandsverlust entgegenzuwirken?” stimmen nur 42 Prozent der Befragten zu. Besonders Ostdeutsche lehnen das ab (66 Prozent). Aber auch Befragte aus dem Westen der Republik sehen für eine Mehrarbeit keine Notwendigkeit (56 Prozent). Im Gegenteil: Die Hälfte der befragten Arbeitnehmenden würde persönlich sogar gern weniger arbeiten als bisher. Dabei hat auch hier der Osten die Nase vorn: 54 Prozent der Befragten aus den dortigen Bundesländern sprechen sich dafür aus, im Westen sind es 48 Prozent (+ sechs Prozentpunkte).
Nur jeder Zehnte sorgt sich um seinen Job
Wie schwer es ist, derzeit einen neuen Job zu finden? Darin sind sich die Befragten uneins. In Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg finden 39 Prozent der Befragten, dass es überhaupt nicht schwierig sei, einen neuen Job zu finden. 61 Prozent der Erwerbstätigen dort hingegen sehen es als eher schwierig an. In den westlichen Bundesländern wird das persönliche Jobklima tendenziell positiver wahrgenommen. 43 Prozent der Befragten dort sagen, es ist leicht einen neuen Job zu finden, 57 Prozent finden es eher schwierig. Daher überrascht es nicht, dass das Thema Jobsicherheit deutlich weniger Beschäftigte umtreibt als vielleicht gedacht. So sorgt sich derzeit nur jeder Zehnte um seinen Job (zehn Prozent Ostdeutschland; elf Prozent Westdeutschland) und fürchtet, dass sein derzeitiger Arbeitsplatz langfristig nicht sicher ist.
Forderung nach mehr Homeoffice eint die Republik
Mehr als jeder Dritte ist in Ostdeutschland mit der derzeitigen Homeoffice-Regelung seines Arbeitgebers unzufrieden (38 Prozent). Zwölf Prozent der Befragten im Osten der Republik können zwar bis zu der Hälfte ihrer Arbeitszeit remote arbeiten, wünschen sich aber mehr. Jeder vierte Befragte in Ostdeutschland (26 Prozent) hat keine Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, würde dies aber gern zumindest teilweise tun. In den westdeutschen Bundesländern ist fast jeder zweite Befragte mit seiner heutigen Homeoffice-Regelung nicht zufrieden (43 Prozent). Dabei geben 18 Prozent der Erwerbstätigen im Westen an, sie könnten zwar die Hälfte ihrer Zeit remote arbeiten, wünschten sich aber mehr. Und jeder Vierte (25 Prozent) hat bisher keine Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, würde dies aber gern tun.
Bedürfnisse von Ost und West im Vergleich
Flexible Arbeitszeit, mehr Geld, gute Führung und Homeoffice: Wenn es darum geht, was Beschäftigte hierzulande bei ihrem aktuellen Arbeitgeber vermissen, sind das die zentralen Aspekte, die am häufigsten genannt werden. So kritisieren drei von zehn Personen in den östlichen Bundesländern, dass es bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber keine flexible Arbeitszeiteinteilung gibt (30 Prozent), 28 Prozent wünschen sich ein attraktiveres Gehalt und jeder Fünfte vermisst ein gutes Führungsverhalten. Dabei zeigen sich im Ost-West-Vergleich Unterschiede bei der Bewertung der derzeitigen Vorgesetzten. So moniert jeder vierte Befragte im Westen ein gutes Führungsverhalten in seinem Unternehmen (25 Prozent; + fünf Prozentpunkte mehr als im Osten) – in puncto Erwartungshaltung, was flexiblere Arbeitszeiten (27 Prozent, - drei Prozentpunkte im Gegensatz zum Osten) und ein attraktiveres Gehalt angeht (28 Prozent), liegen Ost und West eng beieinander.
Die Bedürfnisse, die Beschäftigte in Ost und West an ihre direkten Vorgesetzten haben, sind ähnlich: Sechs von zehn Befragten wünschen sich mehr Anerkennung und Wertschätzung (je 60 Prozent), ähnlich viele ein offenes Ohr ihrer Führungskraft für Fragen, Anliegen und neue Ideen (je 58 Prozent). Gleichzeitig schätzt gut jeder Zweite eine klare, transparente Kommunikation (je 53 Prozent) und Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden (Ost: 52 Prozent; West: 56 Prozent). „Wenn es um die persönlichen Bedürfnisse geht, was Erwerbstätige von ihren Vorgesetzten erwarten, dann ticken die Menschen hierzulande sehr ähnlich: Egal ob in Düsseldorf, Dresden, Darmstadt oder auf dem Darß – sie wünschen sich Anerkennung, Vertrauen und transparente Kommunikation“, so Thomas Kindler.